Ärztenachrichtendienst (änd) : Aktionsbündnis wirft KBV-Führung Tatenlosigkeit vor
Das Aktionsbündnis „Stoppt-die-e-Card“ will den Kampf
gegen die Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte keinesfalls
aufgeben. Demnächst sollen Arztpraxen bundesweit eine
„Datenschutzverfügung für Patienten“ erhalten. Das kündigte
Bündnisvorsitzende Dr. Silke Lüder am Freitagabend in Hamburg an. An der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung ließ sie in Sachen eGK kein gutes
Haar.
Zum
1. Januar 2015 soll in deutschen Arztpraxen nur noch die elektronische
Gesundheitskarte (eGK) gelten. So will es eine Vereinbarung zwischen
GKV-Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV). Das Aktionsbündnis „Stoppt-die e-Card“,
das seit nunmehr sieben Jahren gegen die eGK kämpft, gibt sich dennoch
optimistisch, das Projekt langfristig stoppen zu können. Grund für
diesen Optimismus seien, so sagte Bündnisvorsitzende Dr. Silke Lüder,
zum Beispiel die zahlreichen Widersprüche und Klagen von Versicherten,
die sich der eGK verweigern. „Es gibt diese Fälle, es berichtet nur
keiner darüber“, so Lüder am Freitag in Hamburg. Ihr Aktionsbündnis
hatte zu einer Diskussionsrunde in die Hansestadt eingeladen.
Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) warf Lüder im
Kampf gegen die eGK Tatenlosigkeit vor. Der KBV-Vorstand unternehme „gar
nichts“, um die Beschlüsse des Ärztetages umzusetzen. Ähnlich äußerte
sich Referent Dr. Axel Brunngraber, Arzt aus Hannover. Die KBV sei
unwillig, sich auf einen politischen Konflikt einzulassen. Vom neuen
KBV-Chef Gassen sei in Sachen eGK lediglich zu vernehmen, „dass manche
Messen eben einfach schon gelesen sind.“ Aber: „Das Spiel ist nicht
gelaufen.“ Man werde dem Projekt weiter den Spiegel vorhalten und „als
Ärzte versuchen, die Patienten als die eigentlich Betroffenen,
aufzuklären.“
Neue Dimension finanzieller Mittel gefordert
Das gleiche Ziel hat Rolf Lenkewitz, seines Zeichens Datensicherheitsspezialist aus München und Betreiber der Website www.it-ler-analysiert-die-eGK.de.
Er verdeutlichte, dass die eGK bewusst als Cloud-Technologie geplant
worden sei. „Das bedeutet also eine permanente Vernetzung.“ Was ihn
daran stört? Dass es weder für Patienten noch für Ärzte Alternativen
oder Wahlfreiheiten zum Online-Zwang gibt. „Für mich bedeutet das einen
Verlust von Demokratie.“ Dass Daten zentral gespeichert würden, stehe
fest. „Andere Behauptungen sind geschicktes Marketing.“ Und: „Ich halte
es für vollkommen unmöglich, alle Daten, etwa Röntgenbilder, zu
verschlüsseln.“ Solche Versprechen seien eher Absichtserklärungen.
Lenkewitz zitierte aus dem sogenannten Whitepaper der Gematik,
die per gesetzlichem Auftrag mit der Etablierung der eGK beauftragt
ist. Daran heiße es: „Die eGK ist das erste Großprojekt weltweit, bei
dem die Zugriffsrechte allein in den Händen der Nutzer liegen.“ Für den
IT-Experten komme dies einem Safe in einer Bank gleich. „Ich stelle mir
aber die Frage, warum alle Deutschen eine Bank nutzen und dort ihre
Wertgegenstände einlagern sollen?“ Bei der eGK habe man es mit einem
System zu tun, das „unheimlich schwer“ zu fassen sei. Lenkewitz gehe es
mit seinen Botschaften darum, die Bürger für die Täuschung durch die
Gematik zu sensibilisieren. Er forderte eine neue Dimension finanzieller
Mittel, um den Widerstand gegen die eGK organisieren zu können. Eine
Möglichkeit, Gelder aufzutreiben, sei Crowdfunding.
Sachverständiger Dr. André Zilch sprach in seinem Vortrag vor allem
von dem Dilemma, in dem die Ärzte sich befänden. Einerseits sollen sie
vor dem Einlesen der eGK in ihren Praxen eine Identitätsprüfung
durchführen und feststellen, ob der vor ihn stehende Patient auch der
Inhaber der Krankenversicherungskarte ist. Andererseits hätten Ärzte
rechtlich keinen Anspruch darauf, sich vom Patienten einen Ausweis
zeigen zu lassen. „Und alle Selbstbestätigungen (wenn der Patient
versichert, die abgebildete Person zu sein, Anm.) haben juristisch
keinen Wert“, sagte Zilch. Somit seien Ärzte darauf angewiesen, dass die
Angaben auf der eGK richtig sind. Prüfen könnten sie sie nicht. Auch
Zilch sehe „fundamentale Fehler“ in der gesamten Infrastruktur der eGK,
„und das wird auch nicht besser, wenn PINs eingeführt werden.“
Verbraucherschutz: Chancen bleiben hinter Risiken zurück
Christopher Kranich von der Verbraucherschutzzentrale Hamburg
sagte, dass die Missbrauchsgefahren bei der eGK doppelt so hoch seien
wie bei anderen Chipkarten. Wenn Computerspezialisten erklärten, dass
eine Sicherung von Daten im Internet nicht möglich sei, könne man dies
nicht beiseite schieben. „Leider argumentieren bisher nur wir vom
Verbraucherschutz in Hamburg so“, sagte Kranich, „wir hoffen aber, dass
noch mehr Patienten mitmachen (bei der Verweigerung, Anm.).“ Fest stehe,
dass die Chancen der eGK weit hinten den Risiken zurückbleiben.
Die Macher vom Aktionsbündnis kündigten unterdessen an, den
Arztpraxen bundesweit eine „Datenschutzverfügung für Patienten“ zukommen
zu lassen. Mit dem Schreiben sollen die Versicherten ihr Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung wahrnehmen und der zentralen
Speicherung von Gesundheitsdaten außerhalb von Arztpraxen und
Krankenhäusern widersprechen. „Ich bitte Sie“, so heißt es in dem
Papier, „meine medizinischen Daten außer zur Abrechnung nur zum Zwecke
meiner Behandlung an einen anderen Arzt/Ärztin bzw. ein Krankenhaus
weiterzuleiten. Jede anderweitige Verwendung sehe ich als Verletzung der
ärztlichen Schweigepflicht an.“ Quelle Ärztenachrichtendienst,1.11.2014 Anja Köhler, änd Foto Anja Köhler