Mit der Einführung der so genannten Online-Video-Sprechstunde (OVS) soll im April 2017 eigentlich eine neue Zeitrechnung in der medizinischen Versorgung starten. Erstmals wird eine telemedizinische Leistung in die Regelversorgung aufgenommen – auch um dem wachsenden Ärztemangel in vielen ländlichen Regionen zu begegnen. Doch die Konditionen, zu denen dieses neue Angebot nun in den Pflichtleistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wurde, werden dazu führen, dass dem Großteil der Patienten eine OVS vorenthalten bleibt. Die Rahmenbedingungen stehen der praktischen Umsetzung im Wege und schließen nur einen Teil der Patienten ein. „Die neuen EBM-Ziffern für die Videosprechstunde werden mit lediglich 4,21 Euro für die Technik und 9,27 Euro für den Patientenkontakt vergütet – allerdings nur, wenn im gleichen Quartal kein Patientenkontakt stattgefunden hat und dieser Patient in den beiden Vorquartalen in der Praxis war. Beide Ziffern sind zudem auf 800 Euro pro Jahr begrenzt. Müsste der Patient trotz Videostunde in die Praxis einbestellt werden, können Ärzte die vorausgegangene Videosprechstunde gar nicht abrechnen – trotz erbrachter Leistung. Diese Modalitäten sind weder für Ärzte noch für Patienten wünschenswert und stehen der Nutzung solch innovativer Versorgungsangebote im Wege“, kritisiert Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Deutschland. „Hinzu kommt, dass die Indikationen, für die eine OVS in Frage käme, überaus eingeschränkt sind und z.B. nur zur Beurteilung der Stimme und Sprache eingesetzt werden können. Man gewinnt den Eindruck, dass eine bedarfsorientierte Einführung der neuen telemedizinischen Leistungen gar nicht Ziel der Verhandlungen war“. Rahmenbedingungen erschweren verbesserte medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen Neben den Hausärzten, den Dermatologen, den Augenärzten, Chirurgen und Orthopäden gehören auch die Pädiater zu den Facharztgruppen, für die der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Vergütungsregelung ab April 2017 beschlossen haben. Für die niedergelassenen Pädiater wird das neue Versorgungsangebot so nicht flächendeckend in den Praxen angeboten werden können. „Wir Kinder- und Jugendärzte bieten bereits seit mehr als einem Jahr telemedizinische Angebote für unsere Patienten in unseren Praxen. Eltern können für ihre Kinder eine telemedizinische Zweitmeinung über unser preisgekröntes Expertenkonsil «PädExpert» bekommen. In vielen pädiatrischen Praxen ist auch die PraxisApp «Mein Kinder- und Jugendarzt» eingeführt, mit der Ärzte ihren Patienten Informationen direkt auf das Smartphone zukommen lassen können. Dieses Angebot wird um die Online-Video-Sprechstunde erweitert. Allerdings wird es unter diesen Rahmenbedingungen wohl eher die absolute Ausnahme bleiben und der medizinischen Versorgung – gerade auch in ländlichen, unterbesetzten Regionen – weiterhin fehlen“, warnt Fischbach im Namen der Kinder- und Jugendärzte. Fatales Signal für die Einführung von E-Health-Angeboten in Deutschland Auch für viele andere Arztgruppen, die mit der Einführung der OVS im April noch nicht erfasst sind, ist so eine Ausgangslage für die Einführung von Telemedizin in Deutschland denkbar schlecht. „Das E-Health-Gesetz sollte eigentlich ein Signal sein, dass wir in Deutschland Vorreiter bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden. Mit der Einführung der OVS in die Regelversorgung zu solch unwirtschaftlichen Bedingungen wird dieses Vorhaben wohl scheitern. Die Rahmenbedingungen sind realitätsfern und führen unter Umständen bei Ärzten auch zu Verlusten – je nachdem, welchen technischen Anbieter die Praxen nutzen. Es stellt sich die Frage, warum das Angebot vorschnell unter diesen Rahmenbedingungen als Pflichtleistung der Kassen eingeführt werden muss? Es wäre zielführender, die Akzeptanz und Einsatzmöglichkeiten der neuen Online-Video-Sprechstunde sowie anderer telemedizinischer Leistungen in den Praxen mit den Patienten zu erproben, um das Angebot bedarfsorientierte auszugestalten. Dafür gibt es das Instrument der Selektiv-Verträge, das man – je nach Facharztgruppe – für spezielle Anforderungen und Indikationen ausgestalten kann. Mit den gewonnenen Erkenntnissen solcher Verträge, die man zu vernünftigen Konditionen abschließen könnte, wäre eine spätere bedarfsorientierte Einführung in die Regelversorgung sicherlich zielführender. Mit der aktuellen Regelung werden E-Health-Angebote gleich zum Start disqualifiziert und ihre Weiterentwicklung als sinnvolle Ergänzung der bisherigen medizinischen Versorgung erschwert“, kritisiert Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des SpitzenverbandFachärzte Deutschlands (SpiFa). Auch unter dem Dach des SpiFa werden bereits verschiedene telemedizinsche Angebote, wie das „Facharzt-Konsil“ aber auch die Online-Video-Sprechstunde entwickelt, um die medizinische Versorgung von Patienten auch in Zukunft flächendeckend gewährleisten zu können. Pressemitteilung des Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa)
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