Vergangenen Mittwoch bis Freitag fand die Herbsttagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger Psychiatrischer Krankenhäuser, kurz BAG, statt. Gastgeber dieses Treffens war Vitos Rheingau. Im Festsaal auf dem Eichberg haben die Teilnehmer zu aktuellen Themen, Chancen und Herausforderungen der Psychiatrie getagt.
BAG – Wer ist das?
Die BAG Psychiatrie ist der Dachverband der Träger der psychiatrisch-psychotherapeutisch-psychosomatischen Fachkrankenhäuser in Deutschland. Ihr gehören kommunale, freigemeinnützige, private und staatliche Klinikträger mit insgesamt über 60.000 Betten aus allen Bundesländern an. Die Mitglieder der BAG Psychiatrie, unter anderem auch Vitos, betreiben Fachkliniken, Fachabteilungen, Tageskliniken und Institutsambulanzen für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, für Erwachsene, Kinder- und Jugendliche. Sie unterhalten Abteilungen für Neurologie und Geriatrie. Und sie sind mit der Behandlung von psychisch und/oder suchtkranken Rechtsbrechern in Kliniken für forensische Psychiatrie beauftragt. Die BAG Psychiatrie vertritt die Interessen der psychiatrisch-psychotherapeutisch-psychosomatischen Fachklinken mit ihren voll- und teilstationären Versorgungseinrichtungen und ihren Institutsambulanzen.
Entwicklung und Akademisierung der psychiatrischen Pflege
Zweimal jährlich diskutieren die Träger aktuelle Entwicklungen und Reformen der psychiatrischen-psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung, erarbeiten Vorschläge für deren Umsetzung und Verbesserungen in die Praxis. Sie geben Empfehlungen zu Gesetzesentwürfen ab, entwickeln neue Konzepte und tauschen Erfahrungen aus.
Schwerpunkt der Herbsttagung war die Entwicklung und Akademisierung der psychiatrischen Pflege. Prof. Dr. Michael Schulz vom Lehrstuhl Psychiatrische Pflege der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld hielt hierzu einen spannenden Vortrag. Er betonte die Chancen der Akademisierung der Pflege.
Und auch Heinz Lepper, Vorsitzender der Bundesfachvereinigung Leitende Pflegepersonen der Psychiatrie e. V., wusste Neues zu vermitteln. Er sprach zu den aktuellen Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung der Pflege mit Fokus Psychiatrie in Deutschland. Er hob hervor, dass der Pflegeberuf noch mehr durch die Akademisierung untermauert werden müsse und so insbesondere für junge Menschen wieder attraktiv werden könne. Herr Lepper dankte der BAG darüber hinaus für die langjährige Kooperation und gute Zusammenarbeit. Es war seine letzte BAG-Tagung bevor er seinen wohlverdienten Ruhestand antreten wird.
Vitos Geschäftsführer Reinhard Belling nahm den Schwerpunkt Leppers auf und stellte die Bachelorstudiengänge „Psychiatric Nursing“ (Verlinkung) und „Advanced Practice Nursing“ (Verlinkung) vor. Viele Träger bieten diese Akademisierung bereits an, dennoch sollte sie noch weiter ausgebaut werden.
Urban Roths vom Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. referierte zum neuen Entgeltsystem und zu Lösungsansätzen, um Pflichtversorgung im Entgeltsystem abzubilden. Die Teilnehmer haben über verschiedene Kriterien, die hierzu festgelegt werden müssen, professionell diskutiert. Abschließend thematisierte Dr. Michael Ziereis von der MedBo Regensburg das Problem des Einbezugs der psychiatrische Institusambulanzen, kurz PIA, in die Bedarfsplanung. Dies bot den zahlreichen Gästen einen gelungenen Abschluss mit offener und anregender Diskussion zum Thema Akademisierung der Pflege.
Die breite Themenvielfalt der BAG
Neben dem Schwerpunkt wurde auch der Maßregelvollzug thematisiert. Unter den Gästen stellte sich schnell heraus, dass die Zahl der Suchtkranken (nach § 64 StGB) steigt, die Zahl der Rechtsbrecher (nach § 63 StGB) jedoch rückläufig ist. Die Entwicklung wurde bundesweit analysiert und diskutiert, ebenso wie das neue Gesetz zur Entlassung nach Verhältnismäßigkeit. Dieses kontrovers diskutierte Thema müsse einem definierten Prozess folgen und vor allem müsse die Öffentlichkeit stärker als bisher aufgeklärt werden, damit sie sich eine eigene Meinung bilden könne.
Später ging es auch um das aktuelle Thema der jugendlichen Flüchtlinge. Es kommen immer mehr traumatisierte Kinder und Jugendliche nach Deutschland, die eine umfassenden psychiatrischen Behandlung benötigen. Man diskutierte entstehende Herausforderungen, wie zum Beispiel die Übernahme von Dolmetschertätigkeiten.
Darüber hinaus bemüht sich die BAG, die Psychiatrie in der Öffentlichkeit umfassend zu positionieren. Das bedeutet, dass sie die Gesellschaft aufklären will, was genau die Arbeit in einer Psychiatrie bedeutet und welchen hohen Nutzen sie erkrankten Menschen bietet. Es wurde fachkritisch dargestellt, dass die Auseinandersetzung mit der Psychiatrie öffentlich meistens einseitig verläuft. Die Tagung hat hier das Ergebnis, dass ein Resonanzteam die psychiatrischen Themen umfassend und tagesaktuell in der Öffentlichkeit darstellen soll.
Die Tagung lässt erahnen, welche Themenvielfalt die BAG abdeckt und wie sie diese gegenüber dem Gesetzgeber und nach außen vertritt. Es werden topaktuelle und kontrovers diskutierte Themen nicht nur aufgegriffen, sondern auch professionell bearbeitet. Die Behandlung durch Experten und ein fachlicher Austausch brachte neue Blickwinkel und Ideen unter allen anwesenden Gästen. Es ist jedes Mal wieder ein gutes Forum aktuelle Themen der Psychiatrie von A-Z zu beleuchten und Neues, auch für die eigene Arbeit und Gesellschaft, mitzunehmen.