Ein chirurgischer Arbeitstag in Baraka

Ein Bericht von Dr. Konrad Freiwald über seinen Einsatz in Nairobi/Kenia

Beim Eintreffen in der Ambulanz in Nairobi erwartet mich bereits ein Patient mit deutlicher Atemnot, offenbar ein Asthmaanfall. Nach Gabe von Salbutamol erholt er sich rasch und kann bald wieder entlassen werden. Die nächste Patientin klagt über chest pain. Die Symptomatik spricht am ehesten für eine Interkostalneuralgie. Nachdem die körperliche und labortechnische Untersuchung keine weiteren Auffälligkeiten ergeben hat, kann die Patientin mit einem Antiphlogistikum entlassen werden. Sie scheint erleichtert, dass sie keine schlimme Krankheit hat und verlässt dankbar mit einem „God bless you“ die Ambulanz. Es folgt ein junger Mann mit einer in erheblicher Fehlstellung verheilten Unterschenkelfraktur. Hier ist eine Korrekturoperation erforderlich, die der Patient sich aber wohl kaum wird leisten können. Eine gesetzliche Krankenversicherung gibt es für solche Fälle nicht und die Kosten für eine Operation können auch von den German Doctors nicht übernommen werden. So bleibt nichts anderes übrig, als dem Patienten doch eine Einweisung in das staatliche Kenyatta Hospital auszustellen, in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch eine Lösung findet.

 

Dr. Freiwald in Nairobi

In der Ambulanz ist immer viel zu tun.

Überhaupt steht man immer wieder vor dem Dilemma, Frakturen, die nach unseren Standards operiert werden müssten, hier in Kenia konservativ zu behandeln. Bei dem nächsten Patienten ist mir diese Entscheidung allerdings abgenommen, denn sein Knöchelbruch wurde bereits vor etwa 6 Wochen in einer auswärtigen Klinik mit einem Gips versorgt. Der Gips kann abgenommen werden. Der Bruch zeigt sich im Röntgenbild gut verheilt, sodass der Patient anfangen kann zu belasten. Es folgen ein Kind mit einer Radiusgrünholzfraktur, nebenbefundlich noch ein ausgedehnter Pilzbefall der Kopfhaut, ein Mittelhandknochenbruch und ein Schlüsselbeinbruch bei einem Kind. Zwischendurch gibt es immer wieder Gipskontrollen zu machen und Verbandswechsel bei vielen ulcera unterschiedlichster Genese, nicht selten auch Verbrennungswunden, so bei einer jungen Frau mit ausgedehnten zweitgradigen Verbrennungen an einem Arm durch heißes Fett. Es ist erfreulich, wie gut die Wunden trotz der begrenzten Hygiene- und Verbandsstandards abheilen. Schließlich kommt noch ein Patient mit einer großen stark verschmutzten und infizierten Kopfplatzwunde. Wie zu erfahren war, übernachtet er im Freien und war überfallen worden. Auch seine Kleidung ist sehr verschmutzt und mangels eines Gürtels hat er die Hose mit einer Plastiktüte zusammengebunden. Dann gibt es noch ein infiziertes Atherom am Ohr zu entfernen und ein etwa erbsengroßer Hauttumor an einem Nasenflügel, der auch kosmetisch sehr störend ist, sodass die junge Frau sehr dankbar ist, ihn endlich los zu werden. Ein weiterer Patient war vor etwa sechs Wochen im Kenyatta-Hospital operiert worden. Er hatte eine Ellenbogenluxation erlitten, die operativ behoben worden war. Es waren zwei Spickdrähte eingebracht worden zur temporären Arthrodese. Der Arm war eingegipst. Darunter fand sich allerdings noch der OP-Verband. Der Patient hatte offenbar frühzeitig das Krankenhaus wieder verlassen und war nicht mehr zur Nachschau gegangen. Die Operationswunde war dennoch reizlos verheilt. Ich habe die Fäden entfernt und die Spickdrähte gezogen. Jetzt bleibt zu hoffen, dass der Arm bald wieder frei beweglich wird. In unserem dressing-room herrscht meist reger Betrieb in doch recht beengten räumlichen Verhältnissen. Dennoch ist die Stimmung gut, die Krankenschwestern sind sehr engagiert, stets um kreative Lösungen bemüht. Sie scheinen Baraka auch als ihr Projekt zu betrachten, für das sie sich entsprechend einsetzen.

Krankenschwestern in Nairobi

Die Krankenschwestern sind eine große Hilfe.

Da es nicht den ganzen Tag chirurgische Patienten gibt, erfahre ich auch das ganze Spektrum der Allgemeinmedizin. Dabei kommen auch Patienten mit Bagatellerkrankungen, cough and cold, aber auch Schwangere, viele sexuell übertragbare Krankheiten, leider auch immer wieder neu entdeckte HIV-Infektionen. Bei manchen Patienten mit unspezifischen Beschwerden hatte ich allerdings auch den Eindruck, dass sie kommen, um sich untersuchen zu lassen im Sinne einer Gesundheitsuntersuchung. Sie waren dann auch offenbar froh und dankbar zu hören, dass sie nicht ernsthaft krank sind.

Die Arbeit in Nairobi ist anstrengend und angesichts vieler schwerer und zum Teil auch aussichtsloser Fälle auch belastend. Dagegen steht allerdings auch die Erfahrung, mit begrenzten Mitteln doch eine Menge bewirken zu können.

Kinder in Nairobi

Diesen beiden Kindern konnte geholfen werden.

Dies war nunmehr mein dritter Einsatz im Slum von Mathare Valley in Nairobi. 1998 war das Projekt noch sehr jung und im Aufbau begriffen. Seinerzeit musste noch vieles improvisiert werden und wir mussten uns noch mit organisatorischen und administrativen Aufgaben beschäftigen. 2006 gab es einen einheimischen Projektmanager und eine deutsche Langzeitärztin. Das Projekt war gut organisiert und strukturiert, sodass man sich als „Sechswochenarzt“ ganz auf die medizinische Arbeit konzentrieren konnte. Inzwischen hat sich das Kenia-Projekt weiter entwickelt, die diagnostischen Möglichkeiten haben sich mit Labor und Ultraschall verbessert und die Therapien wurden durch entsprechende Richtlinien standardisiert.

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