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Ist Gesundheit noch bezahlbar?
Nun aber muss ich […]
EPFL bestellt Online-Ausgabe von Science ab – nicht vertretbare Kostenerhöhung
Ab 2015 haben die Forschenden der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) keinen komfortablen Online-Zugriff mehr auf die renommierten Science-Zeitschriften:
- Science Online,
- Science Signaling,
- Science Express und
- Science Translational Medicine.
Die Universitätsbibliothek der EPFL schreibt:
Science AAAS publisher, is taking advantage of its dominant position and trying to impose not only an unjustified price increase, but also new contract terms, which are very restrictive and as a result unacceptable for us.
Der Science AAAS Verlag nützt seine dominante Stellung aus und versucht nicht nur eine ungerechtfertige Preiserhöhung, sondern auch neue Vertragsbedingungen durchzusetzen, welche sehr restriktiv und als Konsequenz inakzeptabel sind. [Eigene Übersetzung]
Die EPFL ist keine kleine Provinzuniversität, sondern gehört als zweite eidgenössische technische Hochschule zu den besten europäischen Universitäten.
Die Forschenden in der Schweiz gehen davon aus, dass die Fachzeitschriften (Journals) einfach vorhanden sind wie sauberes Trinkwasser. Die Beispiele der EPFL und auch der Uni Konstanz zeigen, dass dies leider nicht mehr immer der Fall ist.
Einige Journals wie jene von Science werden in der Forschungsgemeinschaft als unentbehrlich angesehen. Bisher kam keine Universitätsbibliothek darum herum diese renommierten Fachzeitschriften zu abonnieren. Der Markt kann nicht spielen. Der Wettbewerb kann nicht für angemessene Preise sorgen. Diese Position haben auch die Wissenschaftsverlage erkannt und erhöhen in regelmässigen Abständen die Preise – bis in astronomische Höhen. Verlage wie Elsevier erzielen mittlerweile Margen, die sogar jene der Pharmaindustrie übertreffen und deutlich höher sind als jene der Schweizer Grossbanken.
Open Access ist ein Mittel um die Marktmacht der dominanten Verlage zu brechen. Da die Kosten nicht mehr von den Lesern, sondern beim Veröffentlichen bezahlt werden. Der Markt kann spielen. Die Forschenden suchen sich eine passende Fachzeitschrift für ihre Arbeit aus – bei der das Ansehen, die Qualität und die Kosten stimmen.
Das deutliche Zeichen der EPFL sensibilisiert vielleicht die Schweizer Forschungsgemeinschaft und könnte zu einer grösseren Akzeptanz von Open Access bei den Forschern führen.
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF), die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), die Universitäten haben für eine offene Wissenschaft und gegen missbräuchliche Kostensteigerungen zu Open Access bekannt und Open Access als notwendiges Ziel erklärt.
Fazit
Das Ausnutzen der monopolartigen Stellung der renommierten Fachzeitschriften scheint immer unerträglicher zu werden, wenn sogar die EPFL den Zugriff auf angesehene Fachzeitschriften aus Kostengründen einstellen muss. Open Access wird nicht zum Selbstzweck gefordert, sondern um Marktprobleme zu beheben und die Zugänglichkeit für alle zu ermöglichen. Open Access ist ein einfaches Mittel um das Problem der unkontrollierbaren Kosten der renommierten Fachzeitschriften zu lösen.
via EPFL verzichtet auf online Ausgabe von Science
Nachtrag
[Aktualisierung 03.02.2015: Universität Leipzig bricht Verhandlungen mit Elsevier ab, 03.02.2015. Pressemeldung: „Wir sahen uns zum wiederholten Male damit konfrontiert, dass eine Reduzierung des Angebots mit einer deutlichen Preissteigerung einhergehen sollte. Dieser aggressiven Preispolitik können und wollen wir nicht mehr folgen. Und unsere Bereitschaft, über alternative Lizenzmodelle ins Gespräch zu kommen, stieß nicht auf positive Resonanz. Wir sehen nunmehr keine andere Möglichkeit als den Abbruch der Verhandlungen.“]
Frage (Update 45)
Bin ich der einzige, der die gestrige ARD-Dokumentation über die von der bösen Pharmaindustrie seit 20 Jahren verhinderte rosafarbene Vitamin-B12-Salbe namens “Regividerm”, die Neurodermitis zu “heilen” in der Lage ist, spontan für einen aberwitzigen PR-Stunt erster Güte hält?
Hier der Link zur Sendung.
Die Süddeutsche Zeitung glaubt die Geschichte.
Fefe, unumstrittener Experte für Verschwörungen jeglicher Art, glaubt sie auch.
Die Home-Page des Herstellers: www.regividerm.de
Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!
Update: Mehr über die Hintergründe gibt es in einem gut 5 Jahre alten Artikel der Boocompany.
Update 2: Vielleicht fehlt ja dem Autor auch ein wenig Abstand zu seiner Geschichte:
Update 3: Martens’ Rezeptbuch zur Doku erreicht Platz 5 der Amazon-Bestsellerliste.
Update 4, 14:30: Platz 3. Herta Müller ist gepackt. Da geht noch was.
Update 5, 17:45: Wer das Rezeptbuch noch nicht bestellt hat, kann sich auch gleich die fertig zusammengerührte Wundersalbe holen. Das ging ja dann doch erstaunlich fix, wenn man das resignierte Gejammer im Film noch vor Augen hat.
Update 6. 18:05: Die Süddeutsche Zeitung bringt einen weiteren Artikel und hat noch nicht Lunte gerochen:
So lange wird er jedenfalls nicht mehr auf Regividerm warten müssen, dem Mann kann geholfen werden. Siehe Update 5.
Update 7: Ich habe ja schon so manche Markteinführung von fragwürdigen Medikamenten und Medizinprodukten verfolgt. Aber diese Geschichte hier hätte man nicht besser inszenieren können. Allein das Timing ist schon ein Meisterstück.
Update 8: Meine absolute Lieblingsstelle im Film ist übrigens ein Zitat von Professor Peter Altmeyer, einem der verantwortlichen Wissenschaftler der beiden bislang bekanntgewordenen Regividerm-Studien (bei ca. 11:25):
Update 9: Hier hat sich jemand die beiden rosabedingt unverblindeten Studien genauer angesehen und ist nicht überzeugt.
Update 10: Die Süddeutsche Zeitung freut sich jetzt in ihrem dritten ahnungslosen Artikel mit uns, dass Regividerm überraschenderweise doch nicht erst in 14 Jahren zu haben sein wird.
TV wirkt.
Update 11: In einem hektisch nachgeschobenen vierten Artikel beginnt die Süddeutsche Zeitung jetzt, mit kräftigen Schlägen zurückzurudern. Aber sie glauben immer noch, dass die Studien verblindet gewesen seien:
Nein. Denn wir wissen ja:
[Edit: In der zweiten Studie ging es dann doch, obwohl “das rosa ist”. Der unglaubliche Trick: Die Placebosalbe war auch rosa!]
Und:
Hätte mich ehrlich gesagt auch überrascht.
Update 12: 21.10., 21:00 Jetzt übernimmt Spiegel Online die PR-Arbeit für die Wundersalbe.
Update 13: Martens bekommt bei Frank Plasberg mit einem seltsam deplaziert wirkenden Auftritt noch einmal eine Plattform für seine Wundersalbenmär, eiert aber gewaltig herum und kommt in der Diskussion mit den anderen Gästen schwer unter die Räder (gegen Ende der Sendung). Auch Markus Grill, nicht im Verdacht, ein Pharmalobbyist zu sein, zeigt sich überaus skeptisch. Er weist auf einen weiteren fundamentalen Denkfehler in der Geschichte hin: Der Preis der Zutaten bestimmt in diesem Markt bekanntermaßen nicht den Preis des Medikaments. Ganz im Gegenteil könnte ein Pharmaunternehmen, das die Patentrechte besitzt, nahezu jeden beliebigen Preis für die Salbe verlangen, wenn sie denn nur besser wirken würde als Vergleichspräparate (wofür es in den beiden vorliegenden Studien keinerlei Anhaltspunkte gibt). Eine zentrale Säule von Martens’ Verschwörungstheorie ist es ja, dass der “günstige” Preis der Salbe quasi vom Erfinder oder durch den geringen Preis der Zutaten vorgegeben sei, und dadurch im Falle einer Vermarktung der Salbe durch Big Pharma der bisherige große Reibach mit teuren (und schlechten) Präparaten ein Ende gehabt hätte.
Update 14: Jetzt ist die Story in den Nachrichten der ARD-Radiosender angekommen. Als Quelle für die Geschichte dient Spiegel Online. Märchen-Ping-Pong.
Update 15: Im Ökotest-Forum, in dem die Geschichte fachkundig kommentiert wird, ist ein weiterer eklatanter Widerspruch aufgefallen:
Er wurde gestern von Plasberg gefragt, was denn Klingelhöller von dem Spinner in der Garage unterscheide.
Martens (sinngemäß): er hat erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten.
Ja klar. Augenrollen
Für das angebliche “Jahr Recherche” ist das aber sehr mager. Er widerspricht damit sogar seinem eigenen Bericht. Aus dem Bericht geht klar hervor, dass die Mini-Studien erst nach 2000 angeleiert wurden.
Das Patent läuft dagegen auf 1994 und er hat das nach dem Bericht nach schon 1994 mehreren Firmen angeboten. hat Martens seinen eigene Film nicht gesehen?
Update 16: Ein Leser weist uns in den Kommentaren darauf hin, dass zur rechtzeitigen Erteilung der PZN (Pharmazentralnummer) für Regividerm eine Anmeldung spätestens am 25.9. notwendig war (links auf “Redaktionskalender” klicken). Dieser Termin liegt vor der ersten uns bekannten öffentlichen Erwähnung der Martens-Doku in einer KNA-Pressemeldung von 29.9. Ist noch irgendeine Aussage der Protagonisten übrig, die sich noch nicht als falsch entpuppt hat? (Siehe dazu auch diesen Kommentarthread. )
Update 17: Regividerm: Wenn die Ethikkommission Urlaub hat…
Update 18: Wir begrüßen fast drei Tage nach der Sendung die Deutsche Apotheker Zeitung als das erste “Mainstream-Medium”, das den Verstand wenigstens nicht komplett an der Garderobe abgegeben hat.
Update 19: Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die Augsburger Allgemeine – die seinerzeit sogar unser Bankhofer-Video eingebunden hatte – schenkt uns einen Link.
Update 20: Auch der zu Beginn des Artikels erwähnte Blogger Fefe rudert jetzt zurück:
Update 21: Nachdem die eidgenössische Presse erst in breiter Front unkritisch auf das Thema eingestiegen war, vernehmen wir jetzt deutliche Worte aus der Schweiz:
Update 22: Aus dem gleichen Text eine Passage, die meine Ausgangsthese noch einmal schwarz auf weiß bestätigt:
Update 23: Die dpa ist zwar spät dran, dafür hat sie trotzdem nichts kapiert. Erbärmlich.
Update 24: Wenigstens die Nachdenkseiten haben, wenn auch spät, das getan, was ihr Name verspricht.
Vielleicht auch ein Vorbild für andere?
Update 25: Der Deutsche Neurodermitis Bund meldet sich zu Wort:
[…]
Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.
Update 26: Unterdessen sackt der vom Lügengebäude übriggebliebene Trümmerhaufen noch weiter in sich zusammen (vgl. Update 16):
Update 27: Medienjournalist Stefan Niggemeier nimmt sich im FAZ-Fernsehblog den “Hart aber fair”-Moderator Frank Plasberg zur Brust:
Update 28: Hier noch ein pikantes Detail aus dem oben verlinkten Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung:
Das würde man bei einer Bankhofer-Sendung in einem dubiosen Spartenkanal mit finanziellen Verbindungen zur Medienaufsicht eher erwarten. Allerdings gibt’s solcherart CDs für den Anbieter des angepriesenen Produkts dort üblicherweise nicht umsonst.
Update 29: Auch der Deutsche Psoriasis Bund (DPB) meldet sich zu Wort und fordert eine Entschuldigung von der ARD:
[…]
Der DPB hat den Vorsitzenden der ARD-Intendanten aufgefordert, sich mediengerecht, öffentlich für die Missachtung publizistischer Grundsätze bei den Menschen mit Schuppenflechte zu entschuldigen und den Deutschen Presserat angerufen.
Update 30, 23.10.: Eine recht nette Zusammenfassung der Ereignisse. Auszug:
Update 31: Es wird noch besser:
Update 32: Der WDR dokumentiert einige “kritische Reaktionen”. Vom Eingeständnis des eigenen Versagens keine Rede.
Update 33: Ein Betroffener berichtet, wie er die Kampagne erlebt hat.
Update 34: Einen schönen Überblick über den Fall mit lehrreichen Hinweisen für angehende Medizinjournalisten gibt es übrigens bei den Kollegen vom Esowatch-Blog.
Update 35: Die Kollegen von den ScienceBlogs haben sich die dürre Studienlage zu Gemüte geführt. Eine weitere Einschätzung hatten wir schon bei Update 9.
Update 36 Die Kollegen von Esowatch haben in kurzer Zeit einen beeindruckenden Artikel zum Stichwort Regividerm auf die Beine gestellt, der die bislang bekannten Fakten in klarer Sprache zusammenstellt. (Wenn man das jetzt mit dem vergleicht, was der preisgekrönte Starjournalist Klaus Martens nach “einem Jahr Recherche” herausgefunden hat…)
Update 37: Löscht der WDR kritische Kommentare zum Regividerm-Märchen?
Update 38, 24.10., 11:15: Spiegel Online rudert endlich zurück, hält es aber bislang nicht für notwendig, seine erste Version des Märchens wenigstens mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen. (vgl. Update 12)
Update 39, 18:45 Danke.
Update 40 Wahrheit unerwünscht: WDR löscht kritische Kommentare zu Regividerm
Update 41, 25.10., Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” hat in seiner morgigen Ausgabe auf S. 105 ein Stück mit dem Titel Übler Nachgeschmack: In einer Dokumentation und bei “Hart aber fair” propagierte die ARD eine Paste, die gegen Neurodermitis helfen soll. Doch wem nutzt die wirklich? Den Artikel habe ich noch nicht gelesen. Es ist jedoch absehbar, was uns erwartet. Zum einen räumt Plasberg Fehler ein und Martens zeigt sich verkatert, aber uneinsichtig. Das kann bei Spiegel Online nachgelesen werden. Zum anderen haben die Hamburger gewohnt knallhart recherchiert. Mit neuen Fakten ist daher eher nicht zu rechnen:
Das hatten wir schon am Donnerstag (bei Update 16) wesentlich genauer.
Die ARD macht bislang keine Anstalten, auf die bevorstehenden Ausstrahlungen der Wundersalben-Werbesendung am 30.10. und 4.11. zu verzichten, warnt aber in ihrem Videotext-Angebot seit Samstag vor Regividerm.
Update 42, 26.10.: Noch einmal Stefan Niggemeier: Das Wundersalbenmassaker
Update 43.: Und gleich noch einmal:
Sogar Journalisten.
Update 44:: Ebenfalls in der FAZ ein ordentlich recherchierter Beitrag zum Thema mit Schwerpunkt auf den medizinischen Hintergründen:
Update 45: Ein offenkundig in Biochemie bewanderter Kommentator auf der Seite Psoriasis-Netz.de hält die Salbe für gefährlich und potentiell krebserregend und begründet dies im Detail. Seine Vermutung ist, dass es aufgrund der speziellen Absorptionseigenschaften von Vitamin B12 im Zusammenwirken mit Tageslicht zur Bildung von hoch reaktivem Singulettsauerstoff kommt, der auf der Haut zur Schädigung von Zellen führt. Die in einer der Studien beschriebenen Nebenwirkungen könnten durch diesen Effekt zu erklären sein. (Seine Aussagen zum Singulettsauerstoff sind nach meinem Kenntnisstand korrekt; das Thema hat mich in einem anderen Zusammenhang schon einmal interessiert. Wir würden uns über eine Kontaktaufnahme freuen.)