Gehe ich doch nichtsahnend durch die Fußgängerzone und…. strahlt mich da eine hübsche junge Frau an.
Okay, das tun hübsche junge Frauen öfters, vor allem wenn sie sich auf Plakaten an Litfasssäulen befinden… aber diese Frau… die war anders, die hatte nämlich weder Bikini noch ein knappes Kleidchen an sondern einen weißen Kittel plus Stethoskop – allgemein bekannt als Symbole meines Berufsstandes.
Na Hoppla, denk ich mir, was macht die Kollegin denn da auf der Plakatwand?
Reklame natürlich, was sonst!
Und wofür?
Für’s Arztsein natürlich. Genauer: Für’s Landarztsein. Nee, stimmt nicht, nicht nur für’s Landarztsein sondern für das Ambulante Arzt-Sein. Also: Studierende und junge Kollegen sollen dazu motiviert werden, sich in eigener Praxis nieder zu lassen.
…sowas kennen wir doch, oder? Gab’s da nicht vor ein paar Monaten schon mal etwas Ähnliches?
Was soll diese Aktion?
Dazu muss man wohl ein wenig ausholen:
Das deutsche Gesundheitssystem ist bekanntlich in zwei Teile gespalten, die einander in inniger Feindschaft gegenüberstehen.
Auf der einen Seite sind da Leute wie meine Kollegen und meine Wenigkeit, die ihren Dienst in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen versehen, also im stationären Sektor.
Wir arbeiten und knechten so vor uns hin…. Über uns thront der Chef und ganz oben die Verwaltungsdirektoren, die vom Landkreis, von Kirchen oder in zunehmendem Maße von privaten Firmen eingesetzt werden.
Draußen, vor unseren Türen, im ambulanten Sektor, da tobt das wahre Leben, da werkeln die niedergelassenen Kollegen in ihren Praxen, die sind ihre eigenen Chefs und sie lachen und strahlen und machen eine Menge Geld.
Geld, das wir – die Leute aus den Krankenhäusern – nicht kriegen. Und das Geld, das wir kriegen, das fehlt im ambulanten Sektor. Kurz und gut: beide Seiten konkurrieren um dasselbe Geld, und das kommt von den Krankenkassen oder genaugenommen von den Leuten, die dort ihre Beiträge zahlen.
Warum diese Konkurrenz so unversöhnlich ist?
Gute Frage! Aber das ist eine spezifisch deutsche Spezialität – anderswo ist es anders, wirklich, Ehrenwort, aber das erkläre ich Euch ein anderes Mal. Für heute halten wir fest: es ist nun einmal so.
Jetzt kann man sich vorstellen, dass es billiger ist, einem Menschen draußen in freier Wildbahn ein paar Pillen zu verschreiben und ihn von Papa, Mama, Oma, Opa, Tochter oder Enkelin gesund pflegen zu lassen als ihn für teures Geld im Krankenhaus zu behandeln.
Prima, denken sich diejenigen, die das Geld verwalten, also bauen wir in den Krankenhäusern Betten ab und stecken mehr Geld in den ambulanten Sektor.
Prima, denken sich die niedergelassenen Kollegen, jetzt werden wir alle reich, gönnen uns was Feines und drehen den Klinik-Knechten eine lange Nase.
Prima, denken sich den Klinik-Knechte, wir wollen uns auch was Feines gönnen und machen auch unsere eigenen Praxen auf.
Pustekuchen, sagen die Krankenkassen, genug ist genug und ab jetzt darf sich keiner mehr neu niederlassen. Genaugenommen sagen das nicht die Krankenkassen, sondern die kassenärztlichen Vereinigungen, aber das ist wieder ein anderes Thema.
Tatsache ist, dass man irgendwann einmal begonnen hat, das Sich-Niederlassen-in-eigener-Praxis deutlich schwieriger zu machen. Plötzlich – das ist so ungefähr zwanzig Jahre her – ging das nicht mehr so einfach.
Die Kollegen, welche sich vor zwanzig Jahren niedergelassen haben, nähern sich jetzt dem Rentenalter. Und auf einmal merkt man, dass der Nachwuchs ausbleibt.
Warum das so ist?
Nun, das ist eine laaaange Geschichte….