„Gefahr im Verzug“ stellt keine Voraussetzung für polizeilich angeordnete Zwangstests auf Infektionen dar.
Das entschied das Verfassungsgericht von Sachsen-Anhalt gestern in einem Urteil, das Teile des Polizeigesetzes des Bundeslandes für verfassungswidrig erklärte.
Die Befugnis der sachsen-anhaltinischen Polizei, Personen unter bestimmten Bedingungen auch gegen ihren Willen auf ansteckende Krankheiten wie HIV und Hepatitis untersuchen zu lassen, wurde mit dem Urteil nicht grundsätzlich gekippt. Allerdings ist laut den Verfassungsrichtern für diese Blutuntersuchung in jedem Fall eine richterliche Anordnung einzuholen.
Zuvor konnte die Polizei nach Paragraf 41, Absatz 6 des „Gesetzes über Sicherheit und Ordnung“ auch ohne Richterbeschluss Zwangstests vornehmen lassen, wenn sie von „Gefahr im Verzug“ ausging.
Ziel der Tests ist der Schutz von Einsatzkräften, die sich zum Beispiel an Spritzen verletzt haben. Nach Auffassung der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) sind solche Tests fachlich nicht sinnvoll und verletzten Grundrechte. Bereits nach Bekanntwerden des Entwurfs hatte die DAH das Gesetz heftig kritisiert. Kritik kam unter anderem auch von der Bundesregierung und vom Robert-Koch-Institut.
Das Polizeigesetz des Landes Sachsen-Anhalt ist erst im Februar 2013 vom Landtag mit den Stimmen von SPD und CDU verabschiedet worden. 37 Abgeordnete der Linksfraktion und der Grünen hatten gegen das Gesetz geklagt und neben den Zwangstests auch weitere bürgerrechtlich problematische Regelungen kritisiert. Das Landesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber nun beauftragt, das Regelwerk bis Ende 2015 zu ändern.
(Christina Laußmann)
Quelle/weitere Informationen:
Pressemitteilung des Landes Sachsen-Anhalts zum Urteil des Verfassungsgerichts (PDF)
Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe zum Gesetzentwurf aus dem Jahr 2012