Ärzte sind mit Organisationsoptimierungen zurückhaltend Nur die wenigsten niedergelassenen haben sich bislang mit einer professionellen Gestaltung ihrer Praxisorganisation beschäftigt. Seinen Ausdruck findet diese Situation in der Tatsache, dass Praxisteams – über alle Fachgruppen und Praxisformen bzw. –größen betrachtet – durchschnittlich nur 46,8% der für eine reibungslos funktionierende Praxisorganisation notwendigen Regelungen und Instrumente einsetzen. Die hieraus […]
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Frage (Update 28)
Bin ich der einzige, der die gestrige ARD-Dokumentation über die von der bösen Pharmaindustrie seit 20 Jahren verhinderte rosafarbene Vitamin-B12-Salbe namens “Regividerm”, die Neurodermitis zu “heilen” in der Lage ist, spontan für einen aberwitzigen PR-Stunt erster Güte hält?
Hier der Link zur Sendung.
Die Süddeutsche Zeitung glaubt die Geschichte.
Fefe, unumstrittener Experte für Verschwörungen jeglicher Art, glaubt sie auch.
Die Home-Page des Herstellers: www.regividerm.de
Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!
Update: Mehr über die Hintergründe gibt es in einem gut 5 Jahre alten Artikel der Boocompany.
Update 2: Vielleicht fehlt ja dem Autor auch ein wenig Abstand zu seiner Geschichte:
Update 3: Martens’ Rezeptbuch zur Doku erreicht Platz 5 der Amazon-Bestsellerliste.
Update 4, 14:30: Platz 3. Herta Müller ist gepackt. Da geht noch was.
Update 5, 17:45: Wer das Rezeptbuch noch nicht bestellt hat, kann sich auch gleich die fertig zusammengerührte Wundersalbe holen. Das ging ja dann doch erstaunlich fix, wenn man das resignierte Gejammer im Film noch vor Augen hat.
Update 6. 18:05: Die Süddeutsche Zeitung bringt einen weiteren Artikel und hat noch nicht Lunte gerochen:
So lange wird er jedenfalls nicht mehr auf Regividerm warten müssen, dem Mann kann geholfen werden. Siehe Update 5.
Update 7: Ich habe ja schon so manche Markteinführung von fragwürdigen Medikamenten und Medizinprodukten verfolgt. Aber diese Geschichte hier hätte man nicht besser inszenieren können. Allein das Timing ist schon ein Meisterstück.
Update 8: Meine absolute Lieblingsstelle im Film ist übrigens ein Zitat von Professor Peter Altmeyer, einem der verantwortlichen Wissenschaftler der beiden bislang bekanntgewordenen Regividerm-Studien (bei ca. 11:25):
Update 9: Hier hat sich jemand die beiden rosabedingt unverblindeten Studien genauer angesehen und ist nicht überzeugt.
Update 10: Die Süddeutsche Zeitung freut sich jetzt in ihrem dritten ahnungslosen Artikel mit uns, dass Regividerm überraschenderweise doch nicht erst in 14 Jahren zu haben sein wird.
TV wirkt.
Update 11: In einem hektisch nachgeschobenen vierten Artikel beginnt die Süddeutsche Zeitung jetzt, mit kräftigen Schlägen zurückzurudern. Aber sie glauben immer noch, dass die Studien verblindet gewesen seien:
Nein. Denn wir wissen ja:
[Edit: In der zweiten Studie ging es dann doch, obwohl “das rosa ist”. Der unglaubliche Trick: Die Placebosalbe war auch rosa!]
Und:
Hätte mich ehrlich gesagt auch überrascht.
Update 12: 21.10., 21:00 Jetzt übernimmt Spiegel Online die PR-Arbeit für die Wundersalbe.
Update 13: Martens bekommt bei Frank Plasberg mit einem seltsam deplaziert wirkenden Auftritt noch einmal eine Plattform für seine Wundersalbenmär, eiert aber gewaltig herum und kommt in der Diskussion mit den anderen Gästen schwer unter die Räder (gegen Ende der Sendung). Auch Markus Grill, nicht im Verdacht, ein Pharmalobbyist zu sein, zeigt sich überaus skeptisch. Er weist auf einen weiteren fundamentalen Denkfehler in der Geschichte hin: Der Preis der Zutaten bestimmt in diesem Markt bekanntermaßen nicht den Preis des Medikaments. Ganz im Gegenteil könnte ein Pharmaunternehmen, das die Patentrechte besitzt, nahezu jeden beliebigen Preis für die Salbe verlangen, wenn sie denn nur besser wirken würde als Vergleichspräparate (wofür es in den beiden vorliegenden Studien keinerlei Anhaltspunkte gibt). Eine zentrale Säule von Martens’ Verschwörungstheorie ist es ja, dass der “günstige” Preis der Salbe quasi vom Erfinder oder durch den geringen Preis der Zutaten vorgegeben sei, und dadurch im Falle einer Vermarktung der Salbe durch Big Pharma der bisherige große Reibach mit teuren (und schlechten) Präparaten ein Ende gehabt hätte.
Update 14: Jetzt ist die Story in den Nachrichten der ARD-Radiosender angekommen. Als Quelle für die Geschichte dient Spiegel Online. Märchen-Ping-Pong.
Update 15: Im Ökotest-Forum, in dem die Geschichte fachkundig kommentiert wird, ist ein weiterer eklatanter Widerspruch aufgefallen:
Er wurde gestern von Plasberg gefragt, was denn Klingelhöller von dem Spinner in der Garage unterscheide.
Martens (sinngemäß): er hat erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten.
Ja klar. Augenrollen
Für das angebliche “Jahr Recherche” ist das aber sehr mager. Er widerspricht damit sogar seinem eigenen Bericht. Aus dem Bericht geht klar hervor, dass die Mini-Studien erst nach 2000 angeleiert wurden.
Das Patent läuft dagegen auf 1994 und er hat das nach dem Bericht nach schon 1994 mehreren Firmen angeboten. hat Martens seinen eigene Film nicht gesehen?
Update 16: Ein Leser weist uns in den Kommentaren darauf hin, dass zur rechtzeitigen Erteilung der PZN (Pharmazentralnummer) für Regividerm eine Anmeldung spätestens am 25.9. notwendig war (links auf “Redaktionskalender” klicken). Dieser Termin liegt vor der ersten uns bekannten öffentlichen Erwähnung der Martens-Doku in einer KNA-Pressemeldung von 29.9. Ist noch irgendeine Aussage der Protagonisten übrig, die sich noch nicht als falsch entpuppt hat? (Siehe dazu auch diesen Kommentarthread. )
Update 17: Regividerm: Wenn die Ethikkommission Urlaub hat…
Update 18: Wir begrüßen fast drei Tage nach der Sendung die Deutsche Apotheker Zeitung als das erste “Mainstream-Medium”, das den Verstand wenigstens nicht komplett an der Garderobe abgegeben hat.
Update 19: Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die Augsburger Allgemeine – die seinerzeit sogar unser Bankhofer-Video eingebunden hatte – schenkt uns einen Link.
Update 20: Auch der zu Beginn des Artikels erwähnte Blogger Fefe rudert jetzt zurück:
Update 21: Nachdem die eidgenössische Presse erst in breiter Front unkritisch auf das Thema eingestiegen war, vernehmen wir jetzt deutliche Worte aus der Schweiz:
Update 22: Aus dem gleichen Text eine Passage, die meine Ausgangsthese noch einmal schwarz auf weiß bestätigt:
Update 23: Die dpa ist zwar spät dran, dafür hat sie trotzdem nichts kapiert. Erbärmlich.
Update 24: Wenigstens die Nachdenkseiten haben, wenn auch spät, das getan, was ihr Name verspricht.
Vielleicht auch ein Vorbild für andere?
Update 25: Der Deutsche Neurodermitis Bund meldet sich zu Wort:
[…]
Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.
Update 26: Unterdessen sackt der vom Lügengebäude übriggebliebene Trümmerhaufen noch weiter in sich zusammen (vgl. Update 16):
Update 27: Medienjournalist Stefan Niggemeier nimmt sich im FAZ-Fernsehblog den “Hart aber fair”-Moderator Frank Plasberg zur Brust:
Update 28: Hier noch ein pikantes Detail aus dem oben verlinkten Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung:
Das würde man bei einer Bankhofer-Sendung in einem dubiosen Spartenkanal mit finanziellen Verbindungen zur Medienaufsicht eher erwarten. Allerdings gibt’s solcherart CDs für den Anbieter des angepriesenen Produkts dort üblicherweise nicht umsonst.
MS Informationstag "Aus der Forschung für die Praxis" 2015
Was waren die Themen am MS-informationstag? Was gibt es Neues?
Am 7. Februar 2015 führte das Universitätsspital Basel und die MS-Gesellschaft die traditionelle Informationsveranstaltung „Aus der Forschung für die Praxis“ durch, siehe frühere Berichte. Nachfolgend eine Auswahl, der für mich bemerkenswerten Themen der Informationsveranstaltung.
Reiten als Therapie
Ursina Wanner stellte die Hippotherapie K® vor. Bei der MS-Reha hört man schnell einmal von der Hippotherapie. Als Laie stellt man sich die Hippotherapie einfach als „ein bisschen Reiten“ vor. Hippotherapie K® ist nicht aktives Reiten. Sondern die Betroffenen sind auf dem Rücken der Pferde. Der bewegende Pferderücken überträgt sich auf den passiv reitenden Menschen. Für Betroffene, die nicht mehr selbst gehen können oder Spastiken haben, ermöglicht die Hippotherapie eine Bewegung des Beckens. Die Reiter sind dabei in einer aufrechten Position, wie wenn sie selbst wieder gehen würden. Bei den meisten anderen Therapien sitzen oder liegen die Patienten. Die Hippotherapie wurde 1966 von der Physiotherapeutin Künzle in Basel erfunden. Die Hippotherapie wird bei MS von den Krankenkassen übernommen, nicht bei anderen Krankheiten.
Was tun bei Blasenstörungen?
Die Urologin Sandra Möhr hat über eines der häufigsten MS-Symptome informiert – Blasenstörungen. Sie hat gezeigt, dass das nicht von ungefähr ist. Die Blase wird über lange Nervenbahnen vom Hirn und Rückenmark aus gesteuert. Lange Leitungen haben eine grössere Wahrscheinlichkeit von Läsionen (Entzündungen) befallen zu werden. Lange Zeit sind Blasenstörungen nicht gross störend. Sie werden kompensiert. Z.B. durch Pressen der Bauchmuskeln, teilweise geschieht dies auch unbewusst. Interessant waren auch die Hilfsmittel, für Frauen und Männer naturgemäss andere. Bei Männern gibt es beispielsweise „Urinkondome“, die kleine Urinmengenverluste während des Tages aufnehmen können. Ein einfaches, aber praktisches Hilfsmittel.
Die Schweizer MS Kohortenstudie: ein Update
Jens Kuhle informierte über die MS Kohortenstudie. Die Kohortenstudie will eine Patientengruppe (Kohorte) über mehrere Jahre regelmässig verfolgen und untersuchen, um so langfristige Resultate von Patienten unter Alltagsbedingungen zu erhalten. 735 Patienten mit insgesamt 1805 Visitationen und 979 MRIs wurden bisher erfasst. Die Leute sind durchschnittlich 1 Jahr dabei (Median 1 J.). Die Kohortenstudie wird von der MS-Gesellschaft und zahlreichen Pharmaunternehmen bezahlt.
Angehörigensupport und neue Homepage der MS-Gesellschaft
Susanne Kägi informierte als Bereichsleiterin Pflege- und Angehörigensupport der MS-Gesellschaft über die neue Dienstleistung Angehörigensupport. Nicht nur Betroffene selbst brauchen Unterstützung durch die MS-Gesellschaft, sondern auch die Angehörigen. Die Pflege von MS-Betroffenen kann schwierig und herausfordernd sein.
Nicole Jolley präsentierte als Bereichsleiterin IT und Digitale Kommunikation der MS-Gesellschaft über die neue MS-Gesellschafts-Homepage.
Kinect – mehr als nur eine Videokamera
Marcus D’Souza zeigte, die Fortschritte bei der Kinect-Kamera. Die Kinect-Kamera wurde für die Spielkonsole X-Box von Microsoft entwickelt und nimmt Entfernungen auf. Das Kinect-System wurde bereits letztes Jahr an der Informationsveranstaltung gezeigt. Damals war es noch in einem frühen Stadium. Mittlerweile ist das System gereift und es können bestimmte EDSS-Messungen durchgeführt werden, z.B. der Finger-Nase-Test. Das Kinect-System hat den Vorteil, dass der Computer die Messung immer gleich durchführt. Zusätzlich können die Patienten, die Messungen selbständig zu Hause mit dem Gerät durchführen können. Eine tägliche Messung ist aussagekräftiger als nur punktuelle Messungen, die nur Momentaufnahmen. Die Studie wird zusammen mit Microsoft, dem Hersteller des Kinect-Systems und anderen Universitätsspitälern durchgeführt. Das Kinect-System ist interessant bei klinische Studien, motorische Messungen könnten so besser durchgeführt werden.
Können elektrophysiologische Untersuchungen die Zukunft vorhersagen?
Prof. Peter Fuhr gab Einblick in seine Forschung in seine Forschungen. Er untersucht die evozierten Potentiale („Spannungsmessungen von Gehirnbereichen“). Früher wurden evozierten Potentiale routinemässige zur MS-Diagnose eingesetzt. Seit dem Aufkommen der MRIs werden sie nicht mehr eingesetzt, nur noch zu Forschungszwecken. Seine Forschungen haben ergeben, dass die Messungen der evozierten Potentiale den MS-Verlauf prognostizieren können, zumindest im statistisch gesehen. Die Studie wurde nur mit relativ wenigen Patienten durchgeführt. Wenn Effekte mit einer kleinen Anzahl statistisch signifikant ist, dann ist der Effekt normalerweise gross. Das Vortrag von Peter Fuhr hat mir gefallen, er ist als typischer Wissenschafts-Professor aufgetreten, andere wirken im Gegensatz eher wie Manager.
Therapien bei MS: Noch mehr Optionen – echter Fortschritt?
Prof. Ludwig Kappos informierte über Entwicklungen seit dem letzten Mal bei den MS-Medikamenten. Die noch nicht veröffentlichte Studie von Fingolimod (Gilenya) zur progredienten MS zeigte leider ein negatives Resultat. Fingolimod (Gilenya) hilft nicht bei der progredienten MS.
Bislang wird die Eskalationstrategie bei den Medikamenten eingesetzt, wenn ein MS-Medikament nicht hilft, wird ein stärkeres eingesetzt. Die Medikamente müssen regelmässig eingenommen werden. Mit dem neuen, starken Medikament Alemtuzumab (Lemtrada®) gibt es eine neue Therapieform: die Indukationstherapie. Diese Therapieform führt zu einer radikalen Veränderung und wird einmalig oder zweimalig durchgeführt, nicht mehr. Beispielsweise Alemtuzumab löscht vereinfacht gesagt das Immunsystem aus, so dass sich ein neues hoffentlich gesundes Immunsystem herausbilden kann. Das radikale Medikament Alemtuzumab hat ein erhöhtes Risiko, beispielsweise andere Immunerkrankungen können hervorgerufen werden. Die Hoffnung ist eine nachhaltige Besserung. Kurz gesagt, Alemtuzumab ist eine Lotterie.
Prof. Ludwig Kappos stellte das NEDA (No evidence of disease activity) Konzept bei MS vor: keine Evidenz (Belege) der Krankheitsaktivität. Bei NEDA ist das Ziel, dass bei MS keine Schübe mehr auftreten, keine Läsionen mehr im MRI vorhanden sind, keine Progression auftritt. Kurz, dass kein Krankheitsfortschreiten mehr feststellbar ist. Das entspricht einer Null Toleranz Strategie. Beim Verfolgen von NEDA werden deshalb häufig, auch bei gutem Gesamtzustand, wirksame bis sehr wirksame Therapien eingesetzt. Der Nutzen und das Risiko müssen abgewogen werden.
Interessenkonflikte
Prof. Kappos deklarierte als einziger seine Interessenkonflikte. Die Sponsorenliste am Schluss von anderen Vortragenden lässt teilweise auch auf Interessenkonflikte schliessen. Leider haben die anderen Redner ihre Interessenkonflikte nicht offen und vorgängig deklariert, so wie es die SAMW-Richtlinien in der Schweiz vorsehen.
Fazit
Für Betroffene finde ich es wichtig sich zu informieren. Wissen hilft. Alle Informationen müssen aber auch kritisch hinterfragt werden.
Diese Informationsveranstaltung hatte ein breites Themenspektrum. Erfreulicherweise standen die MS-Medikamente nicht im Fokus. Der Höhepunkt für mich waren die Fortschritte beim Kinect-System.