Das ganze Jahr hindurch drehen sich meine Blog-Beiträge um wichtige Themen des Gesundheitswesens – und das ist auch richtig und wichtig. Doch so kurz vor den Feiertagen möchte ich mich einmal einen amüsanten Thema widmen, das mich in den vergangenen Wochen zum Schmunzeln gebracht hat: Als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheit bin ich viel unterwegs. Besonders im Zug von Hamburg nach Berlin und wieder zurück verbringe ich die ein oder andere Stunde. Meistens ist die Zeit mit Arbeit gefüllt. Doch manchmal gönne ich mir auch ein wenig Freizeit – besonders, wenn mir ein interessantes Buch ein Loch in die Tasche brennt. So war es auch vor einigen Wochen. Mein Zug hatte ein paar Minuten Verspätung, also schlenderte ich kurz durch den Buchladen im Bahnhof. Da fiel mir ein Buch über Ängste in die Hand. Der Einband las sich wirklich lustig, also kaufte ich das Werk.
Kaum hatte ich im Zug Platz genommen, begann ich zu blättern:
Ich würde mich nun selbst nicht unbedingt als Angsthase bezeichnen. Aber Umersermophobie, die Angst vor schwafelnden Taxifahrern, ist mir nicht gänzlich unbekannt. Tinniphobie hingegen, die Angst, dass das eigene Handy im Zug klingelt, kann mir nichts anhaben. Ich setze – auch zum Wohle meiner Mitfahrer, die mein zuvorkommendes Verhalten jedoch weder honorieren noch imitieren – auf den Vibrationsalarm. Oder auf die stille Kommunikationsvariante per E-Mail. Aperepiphobie kann ich bei mir überhaupt nicht erkennen. Im Gegenteil, nicht die Angst, E-Mails zu öffnen, sondern vielmehr die Angst vor der Menge, die sich innerhalb weniger Tage auftürmt, wenn ich mein Postfach nicht öffne, kann mir in den frühen Morgenstunden den Schlaf rauben. So werden meine E-Mails wohl auch über die Feiertage nicht ruhen.
Vor manch anderen Phobien schützt mich mein gewähltes Fortbewegungsmittel: Gyrosaccophobie, der Angst davor, dass bei der Gepäckausgabe am Flughafen der eigene Koffer nicht auf dem Fließband auftaucht, müssen sich Bahnfahrer in der Regel selten stellen. Colligaphobie, die Angst vor dem Packen, kenne ich schon eher. Allerdings ist die Angst vor dem Auspacken meist größer. Ob es auch dafür einen Fachbegriff gibt?! Postophobie, die Angst vor dem Zuspätkommen haben mir meine vielen Reisen durch immer wiederkehrende Konfrontationstherapien genommen. Hier sind neben der Bahn auch diverse Fluggesellschaften und nicht zuletzt das Verkehrsaufkommen auf den Straßen der Republik lobend zu erwähnen. Antefamophobie kann ich mir so ersparen. Denn ich brauche keine Angst davor zu haben, dass die Kollegen über mich gesprochen haben, bevor ich den Raum betrete. Ich gehe sogar davon aus, dass Sätze wie „Wo der Müller wohl bleibt?“ schon das ein oder andere Mal gefallen sind.
Erfahrungsgemäß ist ein gewisses Gefühl der Erschöpfung ein gutes Heilmittel für eine diffuse Deversoraphobie, der Angst vor Hotels. Dort angekommen, mache ich mich auf den Weg zur Hotelbar und atme erleichtert auf, als sich meine Rusmusophobie, die Angst vor Countrymusik, als unberechtigt erweist. Es läuft leichter Jazz. Ob es wohl eine Phobie gegen Einfallslosigkeit gibt? Eine Mischung aus Versurphobie (Angst vor Rechnungen) und Manepostophobie (Angst, im Vollrausch etwas Furchtbares angestellt zu haben) bringen mich dazu, statt dem 18-jährigen Singlemalt doch ein stilles Wasser zu bestellen. Danach lege ich mein müdes Haupt nieder. Mein letzter Gedanke des Tages gilt dem Kalender – in zwei Tagen muss ich mich meiner größten Angst stellen, der Vigiquatturophobie. Na, können Sie es sich denken worum es sich handelt? Genau! Die Angst vor Weihnachten.
Der aufmerksame Leser wird sicherlich inzwischen bei der einen oder anderen Phobie eine zweifelnde Augenbraue gehoben haben. Und ja, diese Ängste sind vielleicht in medizinischen Nachschlagewerken so nicht zu finden. Aber sprechen Sie einmal mit Ihren Mitmenschen. Nicht nur mir sind einige davon bestens bekannt. Bleibt zum Schluss das Fazit: Dass wir uns fürchten, ist gut. Angst bewahrt uns davor, uns ständig zum Idioten zu machen. So sieht es auch der britische Musikjournalist, Autor und Angsthase Tim Lihoreau. In seinem Buch Angst haben leicht gemacht hat er seine Phobien gesammelt und täuschend echte Namen aus lateinischen und griechischen Begriffen dafür hergeleitet. Wenn Sie also noch eine passenden Namen für Ihre Angst suchen, werden Sie hier vielleicht fündig: Tim Lihoreau: Angst haben leicht gemacht. Phobien für moderne Neurotiker; ISBN 978-3455380163