Und dann lief ich so unauffällig durch die Stationsküche um zu sehen ob zufälligerweise ein Kuchen oder ähnliches rumstand. Traf aber nur auf meinen Oberarzt, der sich am Telefon ein Battle mit den Chirurgen lieferte. „Uhhhh“, dachte ich und verschwand um ein Langzeit-EKG auszuwerten.
Der Oberarzt erklärte dann später, dass die Chirurgen unbedingt einen sehr alten, klapprigen und kranken Patienten noch einer großen Operation unterziehen wollten, er dies aber für nicht sonderlich sinnvoll hielt. Der Patient war alt, er war schon sehr lange schwer krank und die Operation würde das Sterben nur um einige wenige Wochen hinauszögern. WENN der Patient diese große OP überhaupt überstehen würde.
Nachher würde der chirurgische Oberarzt zusammen mit dem Patienten, den Angehörigen und ihm ein freundliches Gespräch führen und so zu einer vernünftigen Lösung kommen. „Hmhm, sehr schön“, dachte ich und ging noch ein Langzeit-EKG auswerten.
„Piep, piep, piep“, machte mein Piepser. Die Station piepste mich an. Ich solle doch sofort kommen. Mein Oberarzt wäre jetzt in einer wichtigen Besprechung und könne nicht weg. Aber der Chirurg wäre halt da und ich solle doch schnell herbeieilen für das wichtige Gespräch.
„Uhhhh“, dachte ich zum zweiten Mal an diesem Tag und eilte.
Im Patientenzimmer traf ich auf die besorgten Angehörigen und den blass im Bett hängenden Patienten, der es vorzog dieses Gespräch zu verschlafen. Daneben stand ein großer, aggressiver chirurgischer Oberarzt, der mich grimmig anstarrte. „Grmbl grmbl und hier die internistische Stationsärztin“, murmelte er missmutig um anschließend einen wütenden lauten Monolog zu halten. Diese Operation sei essentiell wichtig. Man müsse operieren. Egal was die zimperlichen Internisten raten würden. Irgendwie fühlte ich mich hier etwas unwohl. Wie sollte ich da würdig den internistischen Oberarzt vertreten?! Der Patient sah währenddessen so aus, als würde er möglicherweise auch jetzt gleich einfach so sterben. Nach 10 min musste der Chirurg Luft holen und ich sagte freundlich einen Satz, der die Wörter „palliativ“ und „Schmerztherapie“ enthielt.
Daraufhin explodierte der Chirurg. Man müsse ja wohl auf jeden Fall operieren. Sofort. Jede Stunde zählte. Die Angehörigen starrten erschrocken aus dem Fenster. Der Patient schlief. Ich hatte Angst, gleich in eine schwere Schlägerei mit dem Chirurgen verwickelt zu werden. Irgendwie konnte ich noch anbringen, ich würde die internistische Sicht der Dinge dann darlegen, wenn der Chirurg wieder weg wäre. Nach einem weiteren 10-minütigen Monolog und dem Hinweis innerhalb der nächsten Stunde müsse eine Entscheidung her, stürmte der schließlich aus dem Zimmer.
Glücklicherweise ließ sich der Patient dann doch wecken und erklärte, dass er nicht vorhabe sich operieren zu lassen und zwei Tage später verstarb er in Ruhe.