Wortkultur bei Vitos

Menschen mit psychischen Erkrankungen leiden immer noch unter Vorurteilen, Schuldzuweisungen, Diskriminierung und Stigmatisierung. Es gibt bereits viele Ansätze zur Entstigmatisierung. Die meisten basieren auf einer umfassenden Aufklärungsarbeit der Öffentlichkeit, denn Entstigmatisierung beginnt in den Köpfen der Menschen.

Entstigmatisierung beginnt im Kopf

Sprache ist kein neutrales Medium, denn Worte wecken Assoziationen. In ihrer Bedeutung können Worte direkt oder indirekt werten. Einige diskriminierende oder verletzende Inhalte werden nicht mehr als solche wahrgenommen, weil sie fest in unserer Sprache verankert sind. Unbedacht genutzte Ausdrücke, wie „Gestörter“, können erkrankte Menschen verletzten und sind diskriminierend. Ein anschauliches Negativbeispiel ist die Kreativität der Medien bei der Berichterstattung über grausame Verbrechen. Sobald eine Tat unbegreifbar ist, werden oft Ausdrücke, wie „psychisch Gestörter“ oder „psychisch Kranker“ im Zusammenhang mit dem Täter benutzt. Ob wirklich eine psychische Erkrankung hinter seiner Tat steckt, ist irrelevant. Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen Berichterstattungen dieser Art und einer zunehmenden Ablehnung der Öffentlichkeit von Menschen mit psychischer Erkrankung nachweisen.

Wertfreie Kommunikation

Bei Vitos achten wir sehr genau auf unser Wording, insbesondere in der forensischen Psychiatrie. Wenn jemand aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Straftat begangen hat, sprechen wir bei Vitos sehr bewusst von einem „psychisch kranken Rechtsbrecher“. Der Ausdruck „Straftäter“ steht immer im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit einer Person. Denn eine Strafe bekommt nur derjenige, der zumindest vermindert schuldfähig ist und dessen Straftat zweifelsfrei und rechtskräftig festgestellt wurde. Sowohl psychisch kranke Rechtsbrecher als auch suchtkranke Rechtsbrecher haben aufgrund ihrer Erkrankung eine Straftat begangen und werden deshalb im Maßregelvollzug untergebracht. Sie können sich jedoch in ihrer Schuldfähigkeit unterscheiden. Während ein psychisch kranker Rechtsbrecher laut § 63 StGB schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist, kann ein suchtkranker Rechtsbrecher nach § 64 StGB auch voll schuldfähig sein. Bei Vitos haben wir uns daher bewusst für den Begriff „Rechtsbrecher“ entschieden. Er ist ein neutraler Begriff und verweist auf eine rechtswidrige Tat, ohne eine Wertung über die Schuldfähigkeit der Person abzugeben. So können wir wertfrei über unsere Patienten im Maßregelvollzug schreiben und sprechen.