Ein Bericht von Dr. Klaus Zimmermann über seinen Einsatz in Ocotal/Nicaragua
Zum 4. Mal bin ich zu einem Einsatz für die German Doctors nach Nicaragua aufgebrochen, in dieses von der Welt vergessenen Landes in Zentralamerika. Nicaragua ist nach Haiti das ärmste Land des Kontinents. Ich stelle fest, dass die Kluft zwischen arm und reich größer wird, denn in den Bergen herrscht Mangel an Lebensmitteln, während in der Hauptstadt Managua großzügige Einkauf-Malls gebaut werden.
Unsere Einsatzorte sind Streusiedlungen in den Bergen nördlich von Ocotal an der Grenze zu Honduras. Wir wohnen in guten Zimmern mit Zugang aus einem von der Straße abgeschirmten Hofes und versorgen uns selbst. Die Unterkunft ist angenehm, wenn nicht gerade Wasser oder Strom ausfallen. Täglich fahren wir sternförmig mit dem Jeep auf steilen, holprigen Wegen durch Bäche und Schlamm, vollgepackt mit Ausrüstung und Medikamenten zu einem der 14 Einsatzorte. Gleich am ersten Tag stellt sich zitternd ein Bauer vor, der sich mit seiner Machete massiv blutende Wunden der Hand zugezogen hat. Nach Anlegen der Verbände transportiert ihn Alvin, unser Fahrer, zum Gesundheitsposten nahe Ocotal. Also dauert die Sprechstunde heute besonders lang, bis er am Nachmittag wieder zurückgekehrt ist. Zeit genug, um sich um verwurmte Kinderbäuche zu kümmern, alle Typen von Atemwegserkrankungen zu behandeln, Wunden und Ulcera zu pflegen, Vorträge zu halten oder auch nur mit der Oma zu plaudern.
Heute wird uns ein Frühchen von einer 18-jährigen Mutter gebracht, 6 Wochen alt, vor 2 Wochen aus dem Krankenhaus in Managua entlassen, mit einem aktuellen Gewicht von ca. 2 kg. Uns bleibt nur, der Mutter Milchpulver, Soja und Reis bis zur nächsten consulta in 2 Wochen auszuhändigen. 25-80 Patienten sehen wir täglich. Vielen können wir mit unserer gut sortierten Apotheke helfen, aber auch mit Rat und Zuwendung.
Ich dränge auf Hausbesuche. Zusammen mit Brigadista und Arzthelferin erreichen wir über steile, abschüssige Trampelpfade abgelegene Hütten, davor die obligatorische offene Herdstelle. Einige Töpfe stehen dort, die sich bei näherem Hinschauen als leer erweisen. Bei diesem meinem 4. Einsatz in Nicaragua erlebe ich erstmals hautnah nicht nur den Mangel an Wasser, Hygiene, Schuhen oder stabilen Wohnräumen, sondern das Fehlen von Lebensmitteln. Oft stehen nicht einmal die Grundnahrungsmittel Bohnen, Mais und Reis zur Verfügung. Somit erweitert sich unsere medizinische Tätigkeit um das Mitbringen von Reis-Soja-Paketen und Kleidung aus Secondhand-Depots unserer Koordinatorin Dulce Maria; Spenden aus den USA.
Wieder empfinde ich es als tief befriedigend in einer weltabgeschiedenen Umgebung für eine bedürftige Gesellschaft mit unseren bescheidenen Mitteln helfen und heilen zu dürfen. Die freundliche Wertschätzung der Bewohner der Bergsiedlungen ist eine unvergleichliche Belohnung und schafft Distanz zu den überbewerteten Problemstellungen unserer Konsumgesellschaft.
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