Olga Oestreich und Carina Kungel arbeiten als Gesundheits- und Krankenpflegerinnen. Die beiden eint die Liebe zu ihrer Arbeit und der Wunsch, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Olga Oestreich möchte den Abschluss zur staatlich geprüften Fachkrankenpflegerin Psychiatrie erwerben, während Carina Kungel sich für das Bachelor of Arts Studium Social Management – Healthcare Services mit dem Schwerpunkt Psychiatric Nursing entschieden hat. Im Gespräch erzählen sie über ihre Intention und die Erfahrungen, die sie gemacht haben.
Wie sieht Ihr Werdegang aus?
Oestreich: Ich arbeite seit Oktober 2000 im Vitos Klinikum Gießen-Marburg als examinierte Krankenschwester. 2014 habe ich die Stelle der leitenden Pflegekraft für drei Stationen in der Allgemeinpsychiatrie und für zwei Tageskliniken übernommen. Außerdem habe ich bei Vitos die Zusatzqualifikation zur Praxisanleiterin für Pflegeberufe erworben.
Kungel: Ich arbeite seit fast zwei Jahren in der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Eltville. Seit September 2014 studiere ich zudem den Bachelorstudiengang Social Management – Healthcare Services mit dem Schwerpunkt Psychiatric Nursing. Zuvor habe ich meine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Horst Schmidt Klinik in Wiesbaden gemacht.
Warum haben Sie sich für die Fachweiterbildung bzw. das Studium entschieden?
Oestreich: Ich möchte mir ein theoretisches Fundament für meine Arbeit schaffen. Man lernt zwar viel durch eigene Erfahrungen und die der Kollegen, aber ich möchte auch die Konzepte und das Fachwissen kennen, das hinter meiner Arbeit steckt. Das erleichtert die Kommunikation mit anderen Berufsgruppen. Wenn ich Fachwörter und Theorien kenne, kann ich meine Position besser erklären. Durch Kollegen, die bereits den Abschluss zum Fachpfleger Psychiatrie haben, habe ich miterlebt, wie sich ihr Umgang mit den Patienten verändert hat. Ihre deeskalierende Art zu arbeiten hat mich beeindruckt.
Kungel: Ich bin ein Mensch, der nicht gerne „einrostet“. Ich wurde durch eine ehemalige Kollegin auf die Angebote bei Vitos aufmerksam gemacht. Als ich mich 2013 bei der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie bewarb, hat man mich auch auf den Fortbildungskatalog der Vitos Akademie und auf die Aushänge für diverse Weiterbildungen an unserem „Schwarzen Brett“ hingewiesen. Die Unterstützung durch das Stipendium, das Vitos vergibt, und die Möglichkeit, die Dienstpläne so anzupassen, dass mehr Zeit zum Lernen bleibt, haben die Entscheidung leicht gemacht. Die Inhalte waren mir durch zwei meiner ehemaligen Kollegen schon bekannt. Es hat mir gefallen, dass ich mein Wissen durch das Projekt auf Station direkt anwenden kann.
Wie gelingt Ihnen die Vereinbarkeit von Studieren und Beruf?
Oestreich: Die Fachweiterbildung lässt sich sehr gut mit der Arbeit auf Station vereinbaren. Die Inhalte sind so aufbereitet, dass nach den zwei bis drei Wochen Präsenzphase keine Nachbereitung notwendig ist. Von 8:00 bis 16:15 Uhr bin ich in der Akademie. Am Abend setze ich mich noch mal hin und lerne rund zwei Stunden. Ich habe Haus, Kind und Vollzeitjob, trotzdem habe ich mich nie überlastet gefühlt. Rückblickend hätte ich mir auch mehr Eigenarbeit neben dem Job vorstellen können, so wie es bei den Bachelor-Studenten der Fall ist.
Kungel: Das stimmt, ich lerne hauptsächlich in Eigenarbeit zu Hause. Das Studium ist so konzipiert, dass ich drei Jahre lang das Studium mit meiner Berufspraxis verbinde. Jeder Student erhält zu Beginn ein Problem oder eine Fragestellung des Unternehmens, welches er durch die Implementierung eines Projektes auf Station umsetzt. Das theoretische Wissen bekomme ich an zwei Präsenztagen pro Monat in der Akademie vermittelt. Dies geschieht mittels einer Transfer Report Documentation, kurz TDR. Hier beleuchte und analysiere ich das zugeteilte „Problem“ durch das erlernte Wissen in Form einer Hausarbeit. Der Praxisbezug erleichtert das Lernen. Ich sitze zwar täglich mindestens zwei Stunden an meinem TDR, aber mit etwas Selbstdisziplin ist es gut möglich.
Was erhoffen Sie sich für die Zeit nach Ihrem Abschluss?
Oestreich: Mir ist klar, dass ich die Theorie nicht eins zu eins in die Praxis umsetzen kann. Ich möchte mein Wissen dazu nutzen, auszuprobieren, was noch möglich ist und an welchen Stellen ich meine Arbeit verändern kann. Mein Ziel ist es, meine Pflege professioneller zu gestalten und noch qualifizierter zu arbeiten.
Kungel: Ich habe das Ziel, mehr zu lernen und zu verstehen, wie das Unternehmen hinter den Kulissen funktioniert. Das bringt nicht nur mich weiter, sondern ist auch für die Patienten und Kollegen ein Vorteil. Vor allem möchte ich Spaß an meiner Arbeit haben. Ich freue mich über meine Entwicklung und die neuen Denkweisen. Durch meine Qualifikationen möchte ich die Klinik und Kollegen intensiver unterstützen und der Pflege einen besseren Stellenwert geben.
Wurden die Erwartungen mit denen Sie an die Weiterbildung gegangen sind bisher erfüllt?
Oestreich: Teils, teils. Vor allem der praktische Teil der Fachweiterbildung hat mir enorm viel gebracht. Ich habe neue Erfahrungen gesammelt und mich fachlich und menschlich weiterentwickelt. Es war ein Gewinn, in anderen Abteilungen, Teams und mit anderen Patienten arbeiten zu können. Gleichzeitig sind die daraus resultierenden Fehlzeiten auch ein Nachteil, vor allem aus Sicht der Klinik und Kollegen. Ich denke, dass Fehltage bei den Präsenzphasen in der Akademie eingespart werden können. Man könnte zum Beispiel die Gruppenarbeiten durch Projektarbeiten, die zu Hause erledigt werden, ersetzten. E-Learning wäre auch eine Alternative, dadurch könnte man inhaltlich mehr in die Tiefe gehen, als es in der Präsenzphase möglich ist.
Kungel: Meine Erwartungen sind mehr als erfüllt. Die Studieninhalte sind sehr umfassend und interessant. Ich kann nur jedem Kollegen empfehlen, diese gebotenen Chancen anzunehmen.
Was würden Sie jemandem raten, der vor der Entscheidung Studium oder Fachweiterbildung steht?
Oestreich: Das ist reine Typ-Sache. Man muss wissen, welche Art zu lernen einem mehr liegt. Bekommt man die Inhalte lieber erklärt oder ist man jemand, der gut eigeninitiativ lernen kann? Da ich jemand bin, der sich gerne eigenständig Dinge erarbeitet, hätte ich mich aus heutiger Sicht für das Studium entschieden. Ich finde die Akademisierung der Pflege gut, weil so der Beruf ein höheres Ansehen in der Öffentlichkeit erhält und für den Nachwuchs interessanter wird.
Kungel: Das ist eine schwere Entscheidung. Ich denke man sollte sich beide Angebote gut durchlesen und mit Absolventen sprechen. Wie Frau Oestreich es schon sagt, es ist eine Typ-Sache.