Größere Transparenz, eine bundesweit einheitliche Dokumentation und verbindliche Standards – das sind aus Sicht der Techniker Krankenkasse (TK) entscheidende Schlüssel zu besserer Hygiene in Krankenhäusern und damit auch zu mehr Patientensicherheit. In ihrem aktuellen Positionspapier fordert die TK, die Ergebnisse der Hygienedokumentationen auch den Patienten in verständlicher Form zugänglich zu machen, damit sie Kliniken einfacher miteinander vergleichen können. Auch für die Krankenhäuser selbst sei dies hilfreich, um ihre eigenen Ergebnisse einordnen zu können. Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) und ihre Behandlung sollten auch im Vergütungssystem für die Kliniken abgebildet werden. Darüber hinaus müssten MRE-Infektionen verpflichtend gemeldet werden, so die TK; heute bestehe hier für die Einrichtungen ein zu großer Interpretationsspielraum.
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Das TK-Positionspapier im Detail:
Mehr Patientensicherheit durch verbesserte Hygiene im KrankenhausDie Diskussion über die Hygiene in deutschen Krankenhäusern ist nicht neu und bewegt seit Jahren das deutsche Gesundheitswesen. Vor dem Hintergrund der Patientensicherheit nimmt sie berechtigterweise einen immer größeren Stellenwert in der gesundheitspolitischen Debatte ein.
Die Diskussion über die Hygiene in deutschen Krankenhäusern ist nicht neu und bewegt seit Jahren das deutsche Gesundheitswesen. Vor dem Hintergrund der Patientensicherheit nimmt sie berechtigterweise einen immer größeren Stellenwert in der gesundheitspolitischen Debatte ein.
Das Bundesministerium für Gesundheit geht davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 400.000 bis 600.000 Patientinnen und Patienten an Infektionen erkranken, die im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme stehen. Bis zu 15.000 Menschen würden sogar daran sterben, obwohl 20 bis 30 Prozent dieser Infektionen durch die Einhaltung von adäquaten Hygienemaßnahmen vermeidbar wären.
Unter Experten gelten diese Zahlen jedoch keineswegs als gesichert. Sie streiten vehement über die tatsächlichen Infektionsraten in deutschen Krankenhäusern und über die in diesem Zusammenhang stehenden Todesfälle. Dies alleine zeigt, dass hier ein erheblicher Mangel an Transparenz besteht, den es zu beseitigen gilt.
Unabhängig von der Diskussion um die richtigen Zahlen besteht Einigkeit darüber, dass die Hygiene in deutschen Krankenhäusern verbessert werden kann und dringend verbessert werden muss. Auch der Gesetzgeber sieht hier offensichtlich Nachholbedarf und hat bereits in den vergangenen Jahren versucht, mit gezielten Regelungen gegenzusteuern.
Im Jahr 2011 wurde eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes vorgenommen. Auf dieser Grundlage haben die Bundesländer bis Ende 2012 Krankenhaus-Hygieneverordnungen erlassen, die die Erfassung und Bewertung von Infektionen, die hygienischen Mindestanforderungen und das benötigte Fachpersonal festschreiben. Außerdem wurde die Rolle des Robert Koch-Instituts gestärkt. Die Empfehlungen der dort ansässigen Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention bilden die fachliche Grundlage der länderspezifischen Hygieneverordnungen. Bezüglich der Meldeverpflichtungen bei nosokomialen Infektionen bestehen allerdings große Interpretationsspielräume.
Um die Krankenhäuser in die Lage zu versetzen, die hygienischen Anforderungen umzusetzen, wurden im Jahr 2013 Änderungen im Krankenhausentgeltgesetz beschlossen. Ziel war es, rasch das notwendige ärztliche und pflegerische Hygienepersonal in den Kliniken aufzustocken sowie die Fort- und Weiterbildung zu qualifiziertem Hygienepersonal zu fördern.
Für eine verbesserte Transparenz und Qualitätssicherung wurde der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, Kriterien zur Messung der Hygienequalität zu definieren, die eine Vergleichbarkeit der Hygienesituation in den Kliniken ermöglichen und die Ergebnisse in die Qualitätsberichte aufzunehmen.
Diese vom Gesetzgeber bereits beschlossenen Regelungen zur Verbesserung der Krankenhaushygiene werden von der TK ausdrücklich begrüßt. Allerdings zeigt die aktuelle Situation, dass sie bei weitem nicht ausreichen.
Die Qualität der medizinischen Versorgung muss im Mittelpunkt aller Maßnahmen stehen, mit dem Ziel die Patientensicherheit zu erhöhen.
Um die Infektionsraten in deutschen Krankenhäusern zu reduzieren, sieht die TK in den nachfolgend beschriebenen Bereichen Handlungsbedarf:
Transparenz
Zunächst einmal gilt es, die erforderliche Transparenz über den Umfang der Risiken herzustellen. Dies setzt eine einheitliche Dokumentation voraus, die verbindlich umzusetzen ist. Sie bildet die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen.
Die gewonnenen Informationen müssen den Patienten zugänglich sein, damit diese sich ein objektives Bild über die Situation im jeweiligen Krankenhaus verschaffen können. Zudem wird es dadurch möglich, Krankenhäuser miteinander zu vergleichen und somit einen Beitrag zum angestrebten Qualitätswettbewerb zu leisten. Erst Transparenz wird die Krankenhäuser in die Lage versetzen, sich und ihre eigenen Ergebnisse einordnen zu können.
Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die Angaben der Krankenhäuser wirksam überprüfen zu können. Gleichzeitig sind Anreize zu setzen, die eine hohe Transparenz belohnen. Nur so kann der Weg in eine andere Fehlerkultur beschritten werden.
Dokumentation
Das notwendige Maß an Transparenz ist wiederum nur dann erreichbar, wenn die Krankenhäuser zu einer bundeseinheitlichen, ausführlichen Dokumentation verpflichtet werden. Die Dokumentation muss anhand einheitlicher Vorgaben erfolgen, nur so wird es möglich, die Ergebnisse der einzelnen Krankenhäuser miteinander zu vergleichen.
Es sind Differenzierungsmerkmale hinsichtlich der multiresistenten Erreger (MRE), der Infektionsquellen, der Pforten und der Infektionswege erforderlich. Ganz entscheidend ist hierbei die Unterscheidung, ob Patienten den MRE bereits vor ihrem Krankenhausaufenthalt erworben haben oder erst während der stationären Leistungserbringung durch den Erreger befallen wurden.
Da sich MRE heute nicht ausreichend differenziert kodieren lassen, sind entsprechende Anpassungen im ICD- und OPS-Katalog durch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information unabdingbar. Die genannten Differenzierungsmerkmale bilden eine neue Kodierbasis. Sie ermöglicht es dem mit der Weiterentwicklung des DRG-Systems beauftragten Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, MRE und ihre Behandlung im DRG-System differenzierter abzubilden.
Wünschenswert wäre zudem innerhalb der weiteren Entwicklung eine sektorenübergreifende Betrachtung der MRE-Problematik. Dazu sollten die Melde- und Dokumentationspflichten auf andere Institutionen wie z.B. Pflegeheime, niedergelassene Ärzte und andere ambulante Leistungserbringer ausgeweitet und innerhalb der Behandlungskette weitergegeben werden.
Maßnahmen
Hygienestandards müssen verbindlich und bundeseinheitlich für alle Sektoren der medizinischen Versorgung eingeführt werden. Hygiene darf nicht an Landes- oder Sektorengrenzen halt machen.
Ein verpflichtendes Screening ist für alle Risikopatienten einzuführen, die im Krankenhaus behandelt werden. Bei planbaren Leistungen ist dies bereits vor der Aufnahme möglich. So können Erreger frühzeitig eliminiert oder die Patienten sachgerecht isoliert werden. Bei Notfallpatienten kann dies im Rahmen der Aufnahme erfolgen. Einige Krankenhäuser haben bereits eindrucksvoll bewiesen, dass durch eine solche Maßnahme wesentliche Effekte erzielt werden können. Durch ein Screening aller Patienten und der daraus abgeleiteten Maßnahmen ließ sich die Rate der Patienten mit MRSA-Infektionen deutlich reduzieren
Die Ergebnisse der beschriebenen Dokumentationspflicht müssen als gesonderter Teil in die Qualitätsberichte der Krankenhäuser einfließen. Dadurch wird ihre Bedeutung herausgestellt und die Informationen können einfacher aufgefunden werden.
Sämtliche MRE-Infektionen sollten verpflichtend gemeldet werden Die derzeitige Regelung lässt einen zu großen Interpretationsspielraum für die meldenden Einrichtungen.
Gleichzeitig sollten die Gesundheitsämter mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden, um als Kontrollinstanz wirken zu können. Für Einrichtungen, die die vorzugebenden Hygienerichtlinien nicht einhalten, sollen Sanktionsmechanismen greifen können.
Zudem sollte Hygiene einen deutlich größeren Anteil in der Aus- und Weiterbildung des medizinischen Personals einnehmen.
Hygiene muss als Aufgabe des Krankenhausmanagements verstanden werden und kann in Verbindung mit der geforderten Transparenz als Wettbewerbsinstrument eingesetzt werden.
Anreizsystem
Bei den Krankenhäusern muss ein Eigeninteresse geweckt werden, die hygienischen Verhältnisse in ihren Häusern transparent zu machen und die Einhaltung der Hygienestandards sicherzustellen. Ein positiv geleitetes Anreizsystem, das zusätzlich Verbesserungen belohnt, kann diesen Prozess befördern.
Durch eine dezidierte Dokumentation, z.B. in Form von Hygienecodes, wird es möglich, den besonderen Aufwand in solchen Fällen im DRG-System abzubilden.
Auf der Basis solider Daten lassen sich dann Anreizsysteme aufsetzen, die auf kollektiver und selektiver Ebene liegen könnten. So z.B. durch Veröffentlichung von positiven und negativen Ergebnissen in der Umsetzung der Hygienemaßnahmen oder von hygienischen Verhältnissen in einzelnen Krankenhäusern. Im positiven Fall bedeutet dies eine Stärkung der Wettbewerbsposition des Krankenhauses durch die Möglichkeit einer standardisierten Veröffentlichung, beispielsweise auf der Homepage der Klinik oder in Klinikportalen der Krankenkassen.
Auch gezielt ausgerichtete monetäre Anreizsysteme könnten hierbei in Betracht gezogen werden.
Perspektivisch sollte die Krankenhaushygiene als Zulassungsvoraussetzung zur Leistungserbringung
etabliert werden.
Pressemitteilung der Techniker Krankenkasse
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