Venlafaxin, zum Beispiel Trevilor, ist ein sehr gut wirksames Antidepressivum. Es wird eingesetzt zur Therapie der Depression, der Angststörungen und manchmal zur Behandlung von Zwangserkrankungen. Typische Dosierungen im ambulanten Bereich sind etwa 37,5-150 mg pro Tag, im statIonären Bereich etwa 75-225 mg, vereinzelt werden auch bis zu 300 mg pro Tag gegeben.
Venlafaxin hat eine gute und verlässliche Wirkung, wobei meiner Erfahrung nach ein guter Kompromiss aus Wirksamkeit und Nebenwirkungen bei einer Dosierung von etwa 150 mg pro Tag liegt. Nach Beginn der Behandlung verspürt der Patient typischerweise in den ersten zwei Wochen wenig Nebenwirkungen und kaum Wirkung. Nach zwei Wochen tritt häufig eine allgemeine Unruhe, Rastlosigkeit und Angetriebenheit ein, die in der Regel als unangenehm wahrgenommen wird. Der Vorteil dieser Rastlosigkeit ist, dass Patienten, die dies erleben, meiner Erfahrung nach praktisch immer auch die antidepressive Wirkung zwei Wochen später erleben. Die Nebenwirkung “Unruhe” ist also ein verläßlicher Vorbote der antidepressiven Wirkung.
Meiner Erfahrung nach bringen höhere Dosierungen sehr wohl eine etwas höhere Wirkung. Allerdings zahlt der Patient einen zunehmend hohen Preis in Form einer dauerhaft anhaltenden, unangenehmen Unruhe und Getriebenheit. Diese ist bei 225 mg pro Tag oft den ganzen Tag über spürbar und fühle sich so an, als ob man 8 Tassen Kaffee am Tag getrunken hätte. Bei 300 mg am Tag kann die Unruhe unerträglich werden.
Natürlich reagiert jeder Mensch unterschiedlich auf eine bestimmte Dosis. Manche Patienten vertragen 300 mg pro Tag völlig frei von Nebenwirkungen, andere haben unter 150 mg schon ausgeprägte Unruhe. Wer zusätzlich zur Depression noch eine körperliche Erkrankung hat, die ihn schwächt, verträgt oft nur recht niedrige Dosierungen.
Das Dosis-Wirkungs und Dosis-Nebenwirkungs-Verhältnis ist nicht bei allen Antidepressiva gleich. Citalopram und Escitalopram verursachen auch in höheren Dosierungen deutlich weniger Getriebenheit und Unruhe als Venlafaxin. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Venlafaxin in höheren Dosen nicht nur als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wirkt, sondern zusätzlich als Noradrenalin-Aufnahmehemmer wirkt, was eben unruhig macht. In den sehr hohen Dosierungen von 300 mg Venlafaxin pro Tag kann auch noch eine Dopamin-agonistische Wirkung dazu kommen, was im Einzelfall psychotische Symptome auslösen kann.
Aufgrund dieser Dosis-Wirkungs- und Dosis-Nebenwirkungskurve ist es aus meiner Sicht oft sinnvoll, lieber etwas länger bei einer gut verträglichen Dosis zu bleiben, als nach wenigen Wochen, wenn ungeduldig festgestellt wird, dass noch nicht genügend Besserung zu verzeichnen ist, auf eine unverträglich hohe Dosis zu erhöhen. Ich habe die Erfahrung gemacht, das sowohl Ärzte als auch Patienten die Wirkung von Antidepressiva eher überschätzen und die Nebenwirkungen der Medikamente eher unterschätzen.
Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Verhältnis aus Wirkung und Nebenwirkungen bei unterschiedlichen Dosierungen von Venlafaxin gemacht. Ab welcher Dosis habt ihr eine unangenehme Unruhe beobachtet oder selbst erlebt? Schreibt eure Erfahrungen gerne in die Kommentare!
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