Seit über zehn Jahren ist Dr. Peter Müller nun schon Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheit. Bereits 1996 war er dabei, als die Stiftung entstand. Darum werden ihm dazu immer wieder viele Fragen gestellt. Im zweiten Teil des Rückblicks berichtet er, wie das Gesundheitssystem sich seitdem verändert hat – und was die Stiftung Gesundheit dazu beizutragen hatte.
Seit den Anfangsjahren der Stiftung Gesundheit hat sich viel verändert. Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem?
Puh – das ist in einem Satz schwer zu beantworten. Es hat viele bedeutende Veränderungen gegeben. In der Summe kann man von einem Trend zu mehr Transparenz und mehr Liberalität im deutschen Gesundheitssystem sprechen. Aber Vorsicht: Von einem gesunden Zustand ist das Gesundheitssystem in Deutschland noch weit entfernt. Nehmen wir ein Beispiel: Noch in den 1990er Jahren war es Ärzten verboten, Patienten darüber zu informieren, worin sie sich fortgebildet haben. Heute klingt das absurd, verrückt. Damals wurde es aber mehrheitlich als normal hingenommen. Wenn ich Freunden in Amerika versuchte zu erklären, wie die Situation diesbezüglich in Deutschland ist, haben sie mir kein Wort geglaubt. Sie konnten sich das einfach nicht vorstellen.
Der damalige Zustand hängt auch ursächlich mit der Entstehung der Stiftung Gesundheit zusammen. Er war eines der Motive für die Gründung. Die Ärzte, die an der Gründung der Stiftung beteiligt waren, teilten die Einstellung mit mir, dass es nicht sein könne, dass ein Arzt seinen Patienten nicht sagen darf, dass er ein erfahrener Migränetherapeut ist. Aus Patientensicht war dieser Zustand ebenso wenig hinnehmbar: Es kann doch nicht sein, dass Patienten von Pontius zu Pilatus rennen auf der Suche nach einem Arzt, der sich wirklich mit Migräne auskennt. Damals hatten Patienten kaum eine Chance, einen solchen Arzt gezielt zu finden.
So entstand die Idee der Arzt-Auskunft?
Genau. Die Stiftung Gesundheit hat von Anfang an die These vertreten, dass Patienten auf diese Informationen einen Anspruch haben. Der Bedarf war ganz klar da. Und wenn ein Bedarf da ist, dann wird dieser früher oder später durch ein Angebot gedeckt. Und wenn dieses Angebot nicht qualifiziert, unabhängig und aufrecht ist, dann wird ein Scharlatan kommen und es werden kommerzielle Angebote erscheinen, die von zweiten Interessen geleitet sind. Wir haben damals mit der Arzt-Auskunft die erste Möglichkeit geschaffen, dass Ärzte unter bestimmten Konditionen öffentlich sagen konnten: Ich habe mich – beispielsweise – in Migränetherapie weitergebildet.
Und sind dafür von Ärztevertretern nach Strich und Faden verklagt worden…
Natürlich gab es Ärger und Streit. Das ist klar, wenn man etwas anders macht als zuvor. Wir haben jahrelang mit Ärztekammern gesprochen. Mir wurde berichtet, dass wir mit der Idee die Justiziare sämtlicher Ärztekammern aufgescheucht haben. Wegen der Arzt-Auskunft haben sie sich mehrfach bei der Bundesärztekammer getroffen. Doch sie haben keinen Konsens erzielt, wie sie mit der Stiftung Gesundheit verfahren sollten.
Es kam aber auch Bestärkung: Ein Ärztekammer-Präsident sagte einmal zu mir, er fände es toll, was wir machen, aber sich öffentlich dazu bekennen wolle er sich erst wenn – so wörtlich – der Staub sich gelegt hätte. Es wurde viel vor Gericht gestritten und viele Juristen haben sich davon den Bauch voll geschlagen. Alle diese Verfahren hat die Stiftung Gesundheit zu 100 Prozent gewonnen. Es war faszinierend, welch einfache, klare Sätze die Richter für ihre Urteile fanden. In einem erstinstanzlichen Urteil hieß es etwa (zitiert aus dem Kopf): „Die Patienten haben ein Recht auf diese Informationen, und wenn damit eine wettbewerbliche Wirkung für die Ärzte einhergeht, so ist das hinzunehmen.“
Das war dem damaligen ärztlichen Duktus und Dünkel natürlich zutiefst zuwider und widersprach auch den Berufsordnungen. Die Richter sagten lapidar, dass diese dann halt geändert werden müssten. Und in der Tat: Bald darauf wurde die Musterberufsordnung für Ärzte in diesen Punkten geändert. Seitdem bin ich ganz entspannt und zufrieden – denn egal, wann ich in die Grube fahre eines Tages: Ich habe daran mitgewirkt, die Welt ein kleines bisschen zu verändern – und zwar meines Erachtens zum Besseren.