Die Aidshilfe NRW hat in 30 Jahren viel erreicht, aber sie will mehr: Mehr Recht für Menschen mit HIV, mehr Wissen, mehr Mut, mehr Freiheit, Menschenrechte und Akzeptanz – und auch mehr Drogen.
Auf dem Jahresempfang des Landesverbandes bedankte sich der Vorsitzende Arne Kayser für das Lob von Hannelore Kraft. In ihrem vor den rund 180 Gästen verlesenen Grußwort sagte die Ministerpräsidentin, die nordrhein-westfälischen Aidshilfen hätten über die Jahre zu einem Bewusstseinswandel gegen Stigmatisierung und Diskriminierung und für Toleranz, Respekt und Solidarität beigetragen und das Leben von Menschen mit HIV ein gutes Stück menschlicher gemacht.
Kayser wies aber zugleich darauf hin, dass die Hauptzielgruppen der Aidshilfen immer noch an den Rand gedrängt werden und dass nicht allen von HIV Bedrohten die nötigen Informationen und Schutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. „Wir wollen mehr“, sagte er deshalb – und forderte unter anderem mehr Recht für Menschen mit HIV. Dass immer noch HIV-Positive vor Gericht gebracht würden, weil es bei einvernehmlichen Sexkontakten zu einer Übertragung gekommen sei, sei skandalös. Auch die Justiz müsse die heutige Realität des Lebens mit HIV wahrnehmen.
„Wir wollen mehr Drogen!“
Erforderlich seien ebenso eine grundlegende Neuorientierung in der Drogenpolitik, das Ende der Strafverfolgung und die Unterstützung der Drogenselbsthilfe. Drogenkonsumierende gehörten nicht ins Gefängnis, Erfolg verspreche vielmehr die Legalisierung, also die kontrollierte Abgabe: Sie könne den Händel mit manipulierten und der Gesundheit noch mehr schadenden Drogen zerschlagen.
Ein besonderer Höhepunkt des Jahresempfangs war die Verleihung des Ehrenamtspreises „merk|würdig“ an Marvin Deversi und Ulf Hentschke-Kristal. Mit dem bereits zum neunten Mal vergebenen Preis ehrt die Aidshilfe NRW Menschen, die durch ihr ehrenamtliches Engagement hervortreten und die Aidshilfearbeit in Nordrhein-Westfalen stark beeinflusst und geprägt haben.
Marvin Deversi wurde für seinen besonderen Einsatz für die HIV-Prävention, die Akzeptanz schwul-lesbischer Lebenswelten sowie für die Stärkung des Ehrenamts ausgezeichnet. Der 24-Jährige engagiert sich bereits seit 2007 für die Aidshilfe Bochum und begründete als Schülersprecher der Bochumer Heinrich-Böll-Gesamtschule eine enge Zusammenarbeit der Aidshilfe mit mittlerweile 15 Schulen im Stadtgebiet.
„Nachwuchsförderung in Aidshilfen darf kein Lippenbekenntnis sein“
Durch eine bessere Vernetzung der Rosa Strippe Bochum und des schwul-lesbischen Aufklärungsprojektes SchLAu konnte er dazu beitragen, die Angebote für schwule Jugendliche und junge Erwachsene zu verbessern. Deutschlandweit warb er zudem als Rollenmodell in der „ICH WEISS WAS ICH TU“-Kampagne für ein Ehrenamt in schwulen Community. Als Vorstand setze er sich heute dafür ein, dass Nachwuchsförderung in Aidshilfen kein Lippenbekenntnis sein dürfe, sondern immer selbstverständlicher werden müsse, so der Landesvorstand.
Ulf Hentschke-Kristal, der seit zwei Jahrzehnten im Vorstand der AIDS-Hilfe Bielefeld sowie für die Aidshilfe NRW und seit 2014 im DAH-Bundesvorstand tätig ist, wurde als „zuverlässiger und tatkräftiger Ehrenamtlicher“ geehrt, der seine Kompetenzen im besonderen Maße im Bereich Finanzen einbringt.
Ein Mann der Zahlen
„Die Finanzierung der Aidshilfearbeit wird nicht zuletzt durch die Stagnation öffentlicher Förderungen zunehmend komplexer. Ulf Hentschke-Kristals fachliches Wissen zur Entwicklung neuer Fördermodelle und seine qualifizierte Einschätzung finanzieller Risiken ist für den Verein immens wichtig“, betonte der Vorstand der Aidshilfe NRW in seiner Preisbegründung.
Als Beispiel wurde der Aufbau des Bielefelder Beschäftigungsprojektes „Tierpension“ zur beruflichen Qualifizierung von Menschen mit und ohne HIV hervorgehoben. Um das Projekt umzusetzen, habe es nicht nur eines stimmigen Konzeptes und eines langen Atems im Kampf um den Standort bedurft, sondern auch eines Finanzierungsplans, der unterschiedliche Förderinstrumente und andere Einnahmemöglichkeiten kombiniert.
Ulf Henschke-Kristal sei allerdings nicht nur ein ausgewiesener Finanzfachmann und Kenner von Zahlen und Buchführung. Zu seinen Verdienten gehöre auch seine „Fähigkeit, Anwalt zu sein, Partei zu ergreifen für die Ziele und das Leitbild der Aidshilfe NRW“ und damit sein „Engagement für und mit Menschen“, betonte die Landtagsabgeordnete Regina Kopp-Herr in ihrer Würdigung des Preisträgers.