Gehalt Medizinische Fachangestellte: nach Tarifvertrag oder individuell bezahlt?

Ein wesentlicher Effekt, ob Mitarbeiter in einem Unternehmen zufrieden sind, liegt in der Bezahlung. Dies trifft natürlich auch für das Gehalt der MFA in Arztpraxen zu, bei denen im Gehaltsschema neben der Aus- und Fortbildung auch das Engagement und die Kompetenzen berücksichtigt werden müssen. Für die finanzielle Gestaltung gibt es zwei Möglichkeiten: entweder Sie bezahlen nach Tarifvertrag oder Sie treffen jeweils eine individuelle praxisinterne Lösung. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile, die Sie berücksichtigen sollten.

Tarifvertrag für MFA vermittelt Standard

Der Verband der medizinischen Fachberufe regelt grundsätzlich die Empfehlungen für das Gehaltsschema für die Medizinischen Fachangestellten. Dabei wurde erst kürzlich eine Verminderung der Berufsjahrsgruppen erreicht, die nun in Viererschritten erreicht werden können. Insgesamt gibt es fünf dieser Gruppen, wobei die höchste mit dem 17. Berufsjahr beginnt. Dazu kommt die Einteilung in sechs Tätigkeitsgruppen, womit vor allem qualifizierte Fortbildungen durch höheres Gehalt entsprechend “belohnt” und honoriert werden sollten. Was am Papier sehr nüchtern klingt, hat durchaus seine Vorteile, denn damit wissen sowohl Arzt als auch die MFA, in welche Entlohnungsstufe sie jeweils einzuordnen sind. Etwaige im Raum stehende Bevorteilungen oder Benachteiligungen fallen weg bzw. entbehren damit jeder Grundlage. Gerade bei der Gehaltsdiskussion liegt es auf der Hand, dass persönliche Wahrnehmungen und Empfindungen eine große Rolle spielen und ein gewisser Neidfaktor hinsichtlich der Kollegin aufkommen können. Dem wird durch eine Bezahlung laut Tarif vorgebeugt. Auch manchmal etwas unglücklich verlaufende Anfragen um eine Gehaltserhöhung wird dadurch vermieden, denn diese erfolgt einfach aufgrund der vorgesehenen Veränderungen nach Berufsjahr und Tätigkeitsgruppe. So werden zurückhaltende Angestellte, die sich nicht so einfach nach einer Verbesserung des Gehalts zu fragen trauen, nicht ungewollt benachteiligt.

Entlastung für Verwaltung

Da Sie sich als bei der Entlohnung nach Tarif keine Gedanken mehr machen müssen, ob Sie auch tatsächlich keinen Ihrer medizinischen Fachangestellten schlechter entlohnen als den anderen, fällt natürlich emotionaler Ballast weg. Dennoch sollten Sie gerade bei der Umstellung von individueller Entlohnung auf die tarifliche das Gespräch mit Ihren MFA suchen, da sich diese eventuell Sorgen machen, zum Beispiel Einkommenseinbußen hinnehmen zu müssen. Machen Sie klar, dass durch die tarifliche Entlohnung möglicherweise am Ende des Monats sogar mehr Gehalt ausbezahlt wird, da Zuzahlungen aufgrund von Fort- und Weiterbildung oder aber zusätzlicher Sachleistungen durchaus möglich sind. Zusätzlich zu Ihnen ist auch Ihr Steuerberater entlastet, da einfach nach dem vorgegebenen Tarifvertrag die jeweiligen Abrechnungen erledigt werden können, ohne dass individuelle Nebenabsprachen nachgefragt und berücksichtigt werden müssen. Auch spezielle Regelungen wie etwa die Entlohnung am Samstag oder der Anspruch auf Extraurlaub bei einem Trauerfall in der Familie, Umzug in eine andere Wohnung etc. müssen nicht gesondert beachtet werden, sondern sind von der Regelung im Tarifvertrag umfasst.

Skepsis gegen Tarifvertrag ist möglicherweise berechtigt

Auch wenn Ihre Angestellten im ersten Moment vielleicht der Einstufung in die tariflich vorgesehen Bezahlung eher skeptisch gegenüber stehen, hat diese doch auch für sie Vorteile. Ob spätere Umstufung oder bereits bei Arbeitsbeginn, die Bezahlung nach Tarifvertrag ist von Anfang an klar und transparent. Wer seine MFA nach individuellen Vorstellungen entlohnt, unterschätzt manchmal den Sympathiefaktor oder einfach das Auftreten der jeweiligen Person. Abgesehen davon ist es nicht notwendig, dass der Arbeitsvertrag vor Unterfertigung von einer juristisch kundigen Person durchgelesen wird, der Tarifvertrag  für die medizinischen Fachangestellten ist bekannt und für alle verständlich. Doch gerade die Alterseinstufung kann bei neu in Ihren Betrieb eintretende Personen zum Handicap werden. Wie kann eine höhere Bezahlung der neuen Kollegin gegenüber dem Stammpersonal erklärt werden ? Hier ist möglicherweise eine sensible Gesprächsführung mit allen Beteiligten gefragt, um den Start der neuen Mitarbeiter in Ihrem Team nicht unnötig zu erschweren. Hier kann die Gewährung gewisser Boni oder Zusatzleistungen als “Friedensstifter” durchaus die Motivation und die Akzeptanz der Kollegen untereinander etwas bringen und für ein gutes allgemeines Einvernehmen sorgen.

 

Gehälter für voll- und teilzeitbeschäftigte Medizinische Fachangestellte

Ab dem 01.04.2014 gilt folgende Gehaltstabelle für Vollzeitbeschäftigte MFA:

Berufsjahr
Tätigkeitsgruppe I
(Euro)
Tätigkeitsgruppe II
(Euro)
Tätigkeitsgruppe III
(Euro)
Tätigkeitsgruppe IV
(Euro)
Tätigkeitsgruppe V
(Euro)
Tätigkeitsgruppe VI
(Euro)
1. Stufe
1. – 4.
1.683,14 1.809,38 1.893,54 2.019,77 2.188,09 2.524,71
2. Stufe
5. – 8.
1.827,64 1.964,72 2.056,10 2.193,17 2.375,93 2.741,46
3. Stufe
9. – 12.
1.943,89 2.089,68 2.186,87 2.332,67 2.527,05 2.915,83
4. Stufe
13. – 16.
1.998,78 2.148,69 2.248,63 2.398,54 2.598,42 2.998,17
5. Stufe
ab dem 17.
2.211,29 2.377,13 2.487,70 2.653,54 2.874,67 3.316,93
  • Teilzeitbeschäftigte erhalten pro Stunde der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit 1/167tel des jeweiligen Monatsgehaltes für Vollzeitbeschäftigte ihrer Tätigkeitsgruppe.
  • Es wird folgende Berechnungsformel zugrunde gelegt:

Bruttogehalt bei Vollzeitbeschäftigung: 167 Stunden pro Monat x Wochenstundenzahl der Teilzeitbeschäftigung x 4,33 = Bruttogehalt der Teilzeitbeschäftigung.

Eingruppierung der MFA in eine Tätigkeitsgruppe

Für die Eingruppierung in die Tätigkeitsgruppen werden die Tätigkeiten der Medizinischen Fachangestellten (früher Arzthelferin) zugrunde gelegt. Auch delegierte Aufgaben müssen berücksichtigt werden. In diesem Rahmen trägt die Medizinische Fachangestellte die Verantwortung für die fachgerechte Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben. 

Tätigkeitsgruppe I

Ausführen von Tätigkeiten nach allgemeinen Anweisungen, wobei Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vorausgesetzt werden, wie sie durch eine abgeschlossene Berufsausbildung als Medizinische Fachangestellte mit der Prüfung vor der Ärztekammer erworben wurden.
In diese Tätigkeitsgruppe fallen Tätigkeiten gemäß Ausbildungsverordnung.

Tätigkeitsgruppe II

Weitgehend selbstständiges Ausführen von Tätigkeiten, wobei gründliche und/oder vielseitige Fachkenntnisse voraus gesetzt werden, die durch Aneignung spezialisierter Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem Arbeitsbereich erworben wurden. Voraussetzung sind Fortbildungsmaßnahmen von insgesamt mindestens 40 Stunden und/oder entsprechende Berufserfahrung.

Fortbildungsmaßnahmen sind zum Beispiel:

  • Ambulante Versorgung älterer Menschen
  • Wundbehandlung/ Wundmanagement
  • Hygienemanagement
  • Qualitätsmanagement
  • Patientenbegleitung und Koordination
  • Datenschutz und Datensicherheit
  • Informations- und Kommunikationstechnik
  • Notfallmanagement/ Erweiterte Notfallkompetenz
  • Impfassistenz
  • Disease-Management-Programme

Tätigkeitsgruppe III

Weitgehend selbstständiges Ausführen von Tätigkeiten, wobei gründliche und/oder vielseitige Fachkenntnisse voraus gesetzt werden, die durch Aneignung spezialisierter Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem oder mehreren Arbeitsbereich(en) erworben wurden. Voraussetzung sind Fortbildungsmaßnahmen von insgesamt mindestens 80 Stunden und/oder entsprechende Berufserfahrung und/oder Tätigkeiten in der Durchführung der Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten.

Fortbildungsmaßnahmen sind zum Beispiel:

  • Elektronische Praxiskommunikation und Telematik
  • Prävention bei Jugendlichen und Erwachsenen
  • Prävention im Kindes- und Jugendalter
  • Strahlenschutzkurs lt. § 24 (2) Röntgenverordnung (90 Stunden)

Tätigkeitsgruppe IV

Selbstständiges Ausführen von Tätigkeiten, wobei besonders gründliche und/oder vielseitige Fachkenntnisse voraus gesetzt werden, die durch Aneignung zusätzlicher umfassender Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in komplexen Arbeitsbereichen erworben wurden. Voraussetzung sind Fortbildungsmaßnahmen von insgesamt mindestens 120 Stunden und/oder Tätigkeiten in der systematischen Planung, Durchführung und Koordination der Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten.

Fortbildungsmaßnahmen sind zum Beispiel:

  • Ambulantes Operieren
  • Ambulantes Operieren in der Augenheilkunde
  • Augenheilkundlich-technische Assistenz
  • Dialyse
  • Ernährungsmedizin
  • Gastroenterologische Endoskopie
  • Onkologie
  • Palliativversorgung
  • Pneumologie
  • Strahlenschutzkurs lt. § 24 (2) Röntgenverordnung (120 Stunden)
  • Qualitätsmanagement
  • Hygienemanagement

Tätigkeitsgruppe V

Ausführen von leitungsbezogenen Tätigkeiten, wobei besonders gründliche und vielseitige Fachkenntnisse voraus gesetzt werden, die durch Aneignung zusätzlicher umfassender Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in komplexen Arbeitsbereichen erworben wurden. Voraussetzung sind Fortbildungsmaßnahmen von insgesamt mindestens 360 Stunden und entsprechende Berufserfahrung. Hierbei sind eine Fortbildung von mind. 120 Stunden und weitere Fortbildungseinheiten von mind. 40 Stunden innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren zu erbringen. Dieser Zeitraum verlängert sich um die in Anspruch genommene Elternzeit.

Ein Beispiel für eine solche Fortbildungsmaßnahme ist:

  • Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung / Arztfachhelferin gem. § 54 BBiG

Tätigkeitsgruppe VI

Ausführen von leitungs- und führungsbezogenen Tätigkeiten, wobei besonders umfassende, gründliche und vielseitige Fachkenntnisse vorausgesetzt werden, die durch zusätzliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zur Organisation und Steuerung mehrerer umfassender Arbeitsbereiche erworben wurden. Die Tätigkeiten sind mit hoher Problemlösungs- und Sozialkompetenz verbunden. Voraussetzung ist eine Fortbildungsmaßnahme von mindestens 600 Stunden und entsprechende Berufserfahrung.

Ein Beispiel für eine solche Fortbildungsmaßnahme ist:

  • Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen gem. § 54 BBiG

​Gehalt in der Ausbildung nach Tarifvertrag

In der Ausbildung erhalten die angehenden MFA eine finanzielle Vergütung seit dem 01.04.2015 von:

  • im 1. Jahr monatlich 700 Euro

  • im 2. Jahr monatlich 740 Euro

  • im 3. Jahr monatlich 790 Euro

 

Diskussion über den Tarifvertrag der MFA

Einige medizinische Kollegen diskutieren die Sinnhaftigkeit der Einführung des Tarifvertrages. Die A
rgumente gegen die Einführung lauten konkret:

  • “Die alters-abhängige Entlohnung schafft Missgunst und führt mitnichten dazu, dass das Gehalt von der eingesetzten Arbeitsleistung- oder Qualität abhängt”
  • “Wenn meine Frau in Ihrer Branche nach Tarifvertrag bezahlt werden würde, dann würde sie bei diesem Arbeitgeber nicht arbeiten”, sprich, die MFA würden generell nach Tarifvertrag unterbezahlt
  • “Wenn ich eine gute MFA ‘ködern’ möchte, könnte ich das Gehalt nicht genügend erhöhen”, also der Tarifvertrag sei zu unflexibel
  • “Bei allen Zuzahlungen, Boni etc. bringt die Tarifstruktur auch wieder nichts.”
  • “Die Arbeitsleistung und Motivation der Einzelnen ist viel zu unterschiedlich, auch wenn diese theoretisch das Gleiche können und auch machen”
  • “Ich möchte selbst entscheiden, wann wer eine Gehaltserhöhung bekommt.”

 

Wie ist Ihre Meinung?