Medizin-Management-Preis 2015 – Platz 1: Teletherapie Stottern der Kasseler Stottertherapie

Alexander Wolff von Gudenberg mit dem Medizin-Management-Pres 2015

Dr. med. Alexander Wollf von Gudenberg nach der Verleihung des Medizin-Management-Preises 2015 (Bildnachweis: Christian Augustin)

Seit 15 Jahren bietet die Kasseler Stottertherapie (KST) in Bad Emstal bei Kassel eine intensive Gruppentherapie an. Der längerfristige Erfolg unserer Therapie ist in mehreren Publikationen belegt. Seit vier Jahren wird regelhaft ein Teil der Nachsorge online angeboten (blended learning Konzept), und seit einem halben Jahr wird in einem von der Techniker Krankenkasse geförderten Forschungsprojekt eine reine Online-Behandlung durchgeführt. Mit diesem Projekt, der Teletherapie Stottern, haben wir uns erfolgreich um den Medizin-Management-Preis 2015 beworben.

Im Projekt soll überprüft werden, ob die Online-Behandlung des Stotterns einer herkömmlichen Präsenzbehandlung ebenbürtig ist. Mittlerweile haben 30 Patienten in fünf Kursen die Therapie begonnen, die Halbjahresdaten werden gerade ausgewertet. Alle großen Krankenkassen wollen sich den Verträgen anschließen. Erstmalig wird es möglich, eine etablierte und nachgewiesen effektive Präsenz-Behandlung durch eine Online-Behandlung zu ersetzen, die verspricht, ähnlich gute Ergebnisse zu bringen.

Online-Therapie überbrückt räumliche Distanzen

Unsere Innovation besteht hauptsächlich darin, dass therapeutische Leistungen online über räumliche Distanz erbracht werden können. Regionale Unterschiede hinsichtlich der Behandlungsqualität werden aufgehoben. So erreichen wir auch Patienten, die ansonsten keinen Zugang zu einer wirkungsvollen Stotterbehandlung hätten. Des Weiteren ermöglicht eine Online-Behandlung eine größere zeitliche Flexibilität.

Die Therapietreue der Patienten wollen wir dadurch ebenfalls verbessern: In der 10 Monate langen Erhaltungsphase nach der Intensivbehandlung können Kontakte zwischen Patient und Therapeutin leichter hergestellt werden. Wir hegen die berechtigte Hoffnung, auf diese Weise die in der Stottertherapie nicht selten auftretenden Rückfälle nach der Intensivbehandlung zu verringern. Somit birgt diese innovative Form der Online-Behandlung die Chance, eine effiziente Alternative zu zeit- und ortsgebundenen Ressourcen im Gesundheitswesen zu werden.

Patienten sparen Zeit und Geld

Für eine intensive stationäre Therapie müssen Patienten zudem häufig weite Wege zurücklegen und die Kosten für Reise und Unterbringung selbst tragen. Diese entfallen, wenn sie von zu Hause aus an Behandlungssitzungen teilnehmen. Durch die höhere zeitliche Flexibilität sparen Patienten sich auch eventuelle Kosten durch das Fehlen am Arbeitsplatz. Der Leidensdruck durch Stottern ist bei jungen Erwachsenen am höchsten – einer Altersgruppe, die für moderne Medien aufgeschlossen ist. Die Krankenkassen können durch unsere Online-Behandlung die Bedürfnisse dieser Kunden bedienen und Chancen der Digitalisierung für die Gesundheitsversorgung erschließen.

Auch für die Therapeutinnen ergeben sich neue Möglichkeiten. Da eine Therapeutin mindestens vier Patienten online betreuen kann, besitzt die Online-Behandlung ein erhebliches Potential, Kosteneinsparungen bei gleichbleibender Qualität zu generieren. Verschiedene Routine- und Selbstmanagementanteile wandern in die Hände der Patienten. So ermöglicht die Online-Stottertherapie Leistungserbringern, ihre Position im Wettbewerb zu verbessern und so eine Qualitäts- und Kostenführerschaft auszubauen.

Sprachbasierte Online-Therapie als globales Geschäftsmodell

Für die Online-Therapie setzen wir die Plattform freach ein, die speziell für sprachbasierte Online-Therapie, Diagnostik und Monitoring konzipiert wurde. Stottertherapie steht dabei stellvertretend für sprachbasierte Online-Therapie generell, das umfasst diverse Indikationen aus der Sprach- und Psychopathologie (z.B. Angststörungen und Phobien). Mit freach können wir die Anforderungen verschiedener Arten von Behandlungssitzungen erfüllen, die Verwaltung und Terminvergabe erleichtern und dem Datenschutz gerecht werden

Da Onlinetherapie keinen geographischen, sondern nur Sprachgrenzen unterliegt, ist auch eine weltweite Skalierung möglich. Die Kasseler Stottertherapie hat gerade im Rahmen eines EU Projektes eine enge Kooperation mit Portugal begonnen, nach erfolgreichen Machbarkeitsstudien in Brasilien und Kuwait. Um Online-Therapie auf mobile Endgeräte zu bringen und die neuesten technischen Entwicklungen umzusetzen, sind Drittmittel und Investoren notwendig, die nur durch einen globalen Markt und eine möglichst breite Indikationsstellung erreichbar sind.

Medizin-Management-Preis für ein patientennahes e-Health-Projekt

Unsere Platzierung beim Medizin-Management-Preis dokumentiert, dass sich allmählich der Fokus im großen Bereich e-health auf die Therapie und damit auf den Patienten richtet. Die Behandlung des Patienten ist bei den meisten Entwicklungen im telemedizinischen Bereich bisher zu kurz gekommen. Die neuen Förderschwerpunkte der Bundesregierung zeigen auch, dass dort allmählich ein Umdenken stattfindet. Auch deshalb sind wir froh und stolz, diesen Preis gewonnen zu haben. Ohne den Mut der Techniker Krankenkasse, in der Versorgung neue Wege zu gehen, wäre das allerdings nicht möglich gewesen.