„30 Jahre Positives Erleben“ – Eine Ausstellung des Schwulen Museums würdigt das Jubiläum der Berliner Aids-Hilfe
Vor diesem Problem steht jede regionale Aidshilfe, will sie ihre Geschichte, ihr vielfältiges Angebot, die Menschen, die dieses Angebot ermöglichen, und diejenigen, die es nutzen, in einer einzigen Exposition darstellen: Wie kann ein solches Panorama auch nur halbwegs befriedigend an Wänden und in Vitrinen anschaulich gemacht werden? Im Schwulen Museum, wo in einer Kabinettausstellung 30 Jahre Berliner Aids-Hilfe gewürdigt werden, hat man sich zu einer schlaglichtartigen Perspektive entschieden.
Den historischen Rahmen liefert eine Wand mit den wichtigsten Ereignissen, Highlights und herausragenden Entwicklungen eines jeden Jahres – beginnend übrigens bereits im Jahr 1983, als sich innerhalb der Deutschen A.I.D.S.-Hilfe die „AIDS-Selbsthilfegruppe Berlin“ gebildet hatte.
Von der „AIDS-Selbsthilfegruppe Berlin“ zur BAH
Sie hatte sich zur Aufgabe gesetzt, Aidskranke zu Hause und in den Kliniken umfassend zu betreuen. Erst zwei Jahre später entstand daraus offiziell, mit Eintrag im Vereinsregister am 6. November 1985, die Berliner Aids-Hilfe.
Was seither geschah und was die in der BAH aktiven Menschen bewegte, hat ein Team um die Kuratoren Maria Bormuth und Wolfgang Theis in vier Hauptkapiteln zusammengestellt. Da ist zum einen eine Auswahl von fotografisch dokumentierten „Aktionen“: Aktivitäten des prominent zusammengesetzten Kuratoriums, Spendensammlungen zum Welt-Aids-Tag, Protestmärsche und Infostände.
Ein Foto von 2011 zeigt die damalige Familienministerin Kristina Schröder mit dem ersten Bundesfreiwilligendienstleistenden – er hatte sich für einen Einsatz bei der Berliner Aids-Hilfe entschieden. Ein anderes bemerkenswertes Fotodokument stammt aus den Tagen nach dem Mauerfall 1989. Auf der hauswandgroßen Multimedia-Werbefläche des mittlerweile abgerissenen Ku’damm-Ecks hatte die BAH die nach West-Berlin strömenden Ostdeutschen begrüßt: „Liebe Schwestern und Brüder von drüben, schön, dass ihr da seid und wir uns näherkommen können auf allen Gebieten – auch im Bett“, begann die Präventionsbotschaft.
„Liebe Schwestern und Brüder von drüben …“
Gleich daneben finden sich unter der Überschrift „Trauerkultur“ Bilder der Trauermärsche anlässlich der Welt-Aidstage. Auf einem Holzpodest ist ein Teil einer Gedenkinstallation ausgestellt: weiße Kieselsteine, ein jeder beschriftet mit dem Namen eines Verstorbenen. Um an die Toten zu erinnern und sie vor dem Vergessen zu bewahren, dazu dient auch ein Album mit Fotografien, Traueranzeigen und letzten Grüßen an verstorbene Besucher, Mitarbeiter und Unterstützer der Berliner Aids-Hilfe, das zum Blättern einlädt.
Größeren Raum und jeweils ein eigenes Kapitel sind dem „Ehrenamt“ und der „Begegnung“ gewidmet. Für eine Hörinstallation wurden Selbsthilfeaktivisten und Ehrenamtliche interviewt. Elf von derzeit über 220 Ehrenamtlichen – so viele wie in keiner anderen örtlichen Aidshilfe hierzulande – werden mit großen Portraitaufnahmen und einem kurzen Statement vorgestellt. So sagt beispielsweise Sibylle, die sich in der emotionalen Begleitung engagiert: „Ich arbeite ehrenamtlich, weil ich Menschen, die in ihrem Leben nicht so viel Glück hatten, helfen möchte. Einfach aus Nächstenliebe.“
Von der Trauerkultur bis zum Ehrenamt
Auch die Schauspielerin Judy Winter, eines der lang gedienten Kuratoriumsmitglieder, ist in dieser Galerie aufgenommen: „Im Kampf gegen Aids kann jeder etwas tun, ich mache das persönlich und als Künstlerin. Mein Wunsch ist, dass es ein Heilmittel gibt. Bis dahin bin ich dabei.“
Eng verbunden mit der ehrenamtlichen Tätigkeit ist die Abteilung „Begegnung“. Denn die Betreuung von Patienten im Krankenhaus, die Migrantenselbsthilfe oder auch das Schoolworkteam wären, wie die meisten BAH Angebote, ohne sie nicht möglich. Auch hier sind es vor allem Fotografien, die von dieser Arbeit erzählen und dabei freilich nur einen geringen Teil zeigen können. Um – zumindest optisch – einen Eindruck von den vielseitigen Aktivitäten über die letzten drei Jahrzehnte zu geben, hat man auf einem großen Konferenztisch Flyer, Veranstaltungsankündigungen, Vereinszeitungen und andere Printmaterialien der BAH zum Wühlen, Blättern und Entdecken verteilt.
Nur wenige ausgewählte Angebote, wie etwa die Reisen für Menschen mit HIV und Aids oder das Positivencafé, haben es gewissermaßen stellvertretend an die Bildwand geschafft. Manches Detail, wie etwa die Erwähnung des Positivenplenum, ist bemerkenswerter, als es auf den ersten Blick erscheint. Die Berliner Aids-Hilfe hat nämlich bereits 1991 mit diesem Gremium die Partizipation von HIV-Positiven in der Aidshilfe-Arbeit fest verankert und gilt damit als Vorreiter unter den bundesdeutschen Aidshilfen.
Mit welchen Vorurteilen und irrationalen Infektionsängsten man zu jener Zeit noch zu kämpfen hatte, zeigt eine Sammlung mit Zeitungsartikeln vom Juni 1990. Die Mitarbeiter der Charlottenburger Schwimmhalle in der Krummen Straße hatten damals der BAH-Positivenschwimmgruppe den Zutritt zum Stadtbad verweigert. Anne Momper, Ehefrau des damaligen Regierenden Bürgermeisters und Unterstützerin der BAH, ist daraufhin demonstrativ gemeinsam mit ihrer zehnjährigen Tochter und HIV-Positiven einige Runden geschwommen. Der Protest hatte gewirkt. Die Schwimmgruppe „Positeidon“ trifft sich seither jeden Dienstag zum Schwimmen, Baden und Planschen und feiert in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag.
Plakatausstellung im Café Ulrichs
Im Cafe Ulrichs, der BAH-eigenen Begegnungsstätte im Erdgeschoß der Berliner Aids-Hilfe, sind die vergangenen drei Jahrzehnte Vereinsarbeit noch einmal auf andere Weise zu durchwandern, und zwar in Form von 30 Postern: Plakate zum traditionellen Trauermarsch, zu besonderen Angeboten wie auch zu Veranstaltungen und Events, wie der jährlichen Gala „Künstler gegen Aids“.
„30 Jahre in Plakaten“ bis 3. Juni im „Ulrichs – Café, Küche und Kultur“, Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße 11 (ehem. Einemstr.), 10787 Berlin. Öffnungszeiten: Di-Do 11-18 Uhr, Fr 11-22 Uhr.
30 Jahre Positives erleben, bis 17. Mai, Schwules Museum Berlin, Lützowstraße 73, 10785 Berlin. So, Mo, Mi, Fr 14 bis 18 Uhr, Do 14-20 Uhr, Sa 14 bis 19 Uhr.