Neubau der KPP in Herborn

Heute wird der Grundstein gelegt. In Herborn entsteht ein Neubau für die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Aber was bedeutet das eigentlich für die Mitarbeiter? Was ändert sich mit einem solchen Neubau wirklich und ist das gut oder schlecht? Ein Überblick aus der Sicht der Stationsleitung.

Meine Arbeit als Stationsleitung

Bei uns gibt es zurzeit zwei Stationen in einem Haus, im Neubau wird es ähnlich organisiert sein. Es gibt zwei Stationen auf einer Ebene. Deswegen wird sich für mich in meiner alltäglichen Arbeit gar nicht allzu viel verändern. Meine Aufgabe besteht zum einen aus pflegerisch-psychiatrischen und zum anderen aus organisatorischen Tätigkeiten. Ich kümmere mich um alle Schnittstellen, wie zum Beispiel Verwaltung, Bau- und Hygieneangelegenheiten, aber auch die Planung der Dienstpläne, führe Mitarbeitergespräche, leite Gruppentherapien und bin im direkten Patientenkontakt. Beim Dienstübergang wird zehn Minuten immer die aktuelle Situation mit allen Mitarbeitern besprochen, um einen Gesamtüberblick zu geben. Dann erst teilen sich die Teamkollegen in die einzelnen Gruppen auf, um dort einen intensiveren Informationsaustausch zu haben. Bei der Pflegeteamsitzung, die ebenfalls beide Stationen betrifft, werden aktuelle Belange geregelt. Unter anderem wird auch der Umgang mit Gewalt thematisiert. Wir arbeiten auch jetzt in einem Team stationsübergreifend, die Patientengruppen sind inhaltlich gemeinsam geplant, dies wird mit dem Raumprogramm im Neubau weiter vertieft.

Raumprogramm, was ist denn das?

Mit dem Neubau wird das Vitos Standardraumprogramm umgesetzt. Dieses Programm umfasst Größe, Anzahl und Aufteilung der Räume.

Auch organisatorisch wirkt sich das Raumprogramm auf das neu zu erstellende Betriebskonzept aus. Es gibt einen gemeinsamen „Stützpunkt“, der in der Mitte zweier Stationen angesiedelt ist. Dieser wird von beiden Stationen genutzt. Als Kontaktstelle für Patienten und Besucher, als PC-Arbeitsplatz zur Dokumentation und für die Klinikassistenz, die die formale Aufnahmen machen. Links und rechts davon befinden sich dann weitere Arbeitsbereiche. Zum Beispiel ein Labor, ein Medikamentenbereich, ein Dienstzimmer (jeweils für jede Station), ein Überwachungszimmer und ein gemeinsamer Teamraum.

Erleichterung des Arbeitsablaufs

Was durch diese Art der Aufteilung wirklich gut ist, ist, dass wir beispielsweise viel näher an den intensiv zu betreuenden Patienten sind. Das haben sich viele Mitarbeiter gewünscht und es ist eine echte Arbeitserleichterung.

Durch den „Stützpunkt“ können wir uns auch untereinander sehr gut unterstützen. Wenn zum Beispiel ein Patient oder ein Besucher Fragen hat oder sich auch nur die Tür öffnen lassen möchte, dann kann ich dies für beide Stationen tun, ohne auf einen Kollegen angewiesen zu sein. Mitarbeiter, die Personen Orientierung geben, sind überaus wichtig auf Station. Sie vermitteln Sicherheit, was in diesem Arbeitsbereich sehr wichtig ist.

Ebenfalls entsteht für die Mitarbeiter das Gefühl der Sicherheit, da es gut ist zu wissen, dass die Kollegen hinter ihnen stehen und den Rücken stärken. Gerade in Krisensituationen ist dies besonders wichtig. Im Nachtdienst sind die Wege, die bei Notrufen entstehen, wesentlich kürzer, da mehrere Mitarbeiter im Haus anwesend sind.

Wenn ich daran denke, dass wir derzeit allein um die Wäsche wegzubringen, bis in den zweiten Stock laufen müssen und auch die Räumlichkeiten deutlich weiter entfernt liegen, ist das schon eine große Erleichterung.

Im Neubau haben wir, wenn überhaupt, maximal eine Etage zu bewältigen, um die Kollegen zu unterstützen.

Was ebenfalls ein echter Vorteil ist, ist der Teamraum. Mitarbeiter brauchen diese Möglichkeit zum Austausch. Wir haben einen wirklich anstrengenden Alltag und sind mit vielen verschiedenen Situationen und auch Herausforderungen konfrontiert. Der Austausch untereinander ist hier umso wichtiger.

Näher zusammenrücken – leider auch räumlich

Der größte Nachteil ist wohl die Größe der Räume. Sie sind minimiert worden, da das Konzept mit all seinen Vorteilen sonst nicht realisierbar wäre. Aber so kommt es, dass zum Beispiel Büros geteilt werden müssen. Das sehen viele natürlich nicht unbedingt positiv. Aber meiner Meinung nach gibt es ausreichend Ausweichmöglichkeiten, da nicht immer alle Räume belegt sind. Beispielsweise der Visitenraum.

Die individuelle Gestaltung der Büros kann nicht gewährleistet werden. Dies kann aus Deeskalationssicht aber auch von Vorteil sein. Es gibt Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung private Dinge gegen Mitarbeiter verwenden.

Nachteilig sehe ich die Größenminimierung jedoch beim Speisesaal. Essen hat in der Klinik eine elementare Bedeutung. Hier darf kein beengtes Gefühl entstehen, woraus sich eventuelle Konfliktpunkte ergeben können.

Neben dem Standardraumprogramm wird auch das neue Betriebskonzept nicht nur positiv gesehen. Ich freue mich auf die neue räumliche Situation. Das kommt vor allem dadurch, dass ich die stationsübergreifende Arbeit bereits kenne. Zudem arbeite ich auf einer Station, wo die Räumlichkeiten für eine Krankenhausbehandlung ungeeignet sind. Für mich wird sich mit dem Neubau einiges zum Positiven verändern. Dies ist jedoch nicht bei allen das gleiche Gefühl. Einige haben Befürchtungen, ob sich zwei Teams gemeinsam organisieren können und welche Veränderungen dabei wichtig sind. Die Organisationsform ist also als Prozess zu verstehen.

Landschaftlich hat solch ein Neubau natürlich auch nicht nur Vorteile. So muss zum Beispiel unsere große Wiese weichen, auf der Sommer- und Mitarbeiterfeste stattfanden. Ich habe den wunderschönen Park und die große Wiese immer gemocht. Aber persönlich sehe ich das nicht allzu kritisch. Was nützt mir eine Wiese, wenn ich keinen vernünftigen Arbeitsplatz habe oder dieser auf die Dauer durch die gesellschaftlichen-, wirtschaftlichen- und gesundheitspolitischen Veränderungen, in Gefahr gerät?

 

Infobox

Vor acht Jahren wurde das erste Mal darüber nachgedacht. Nun ist der Grundstein für den Neubau der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Herborn gelegt. Die Bauarbeiten haben begonnen. Mitte August soll der Rohbau stehen und im Spätsommer 2016 ist die Eröffnung der fünf neuen Stationen mit 130 Betten und einer Cafeteria geplant.

Fakten

Die neue Klinik entsteht auf 5.480 Quadratmetern inmitten des denkmalgeschützen Ensembles der im Pavillon-Stil erbauten alten Gebäude. Das Klinikgelände verändert dadurch sein Gesicht. In der neuen Klinik wird es maximal Zweibettzimmer geben, dazu gehört ein eigener Sanitärbereich. Die fünf Stationen in dem dreigeschossigen Gebäude sind für jeweils 26 Patienten ausgelegt. Zudem sind Ruhe- und Besucherräume, Stützpunkte für die Mitarbeiter und Funktionsräume vorgesehen. Im Sommer können Patienten, Angehörige und auch Gäste die Terrasse und ganzjährig die Cafeteria nutzen. Ein bepflanzter Innenhof mit Terrasse ist ebenfalls geplant.

Erwachsenen- und Gerontopsychiatrie

Die Behandlungsschwerpunkte sind unter anderem die Gerontopsychiatrie, bipolare Störungen, schizophrene Psychosen sowie integrierte tagesklinische Behandlungen.

Keine zusätzlichen Patienten

Durch den Neubau der Klinik kommt es keiner Erweiterung der Betten. Bisher auf einzelne Gebäude verteilte Stationen werden in einem Gebäude zusammengelegt. Das heißt, es werden keine zusätzlichen Patienten aufgenommen und auch die Mitarbeiterzahl wird gleich bleiben.