Gesundheit ist etwas, was man erst dann wirklich zu würdigen weiß, wenn man sie verloren hat. Oder können Sie sich vorstellen, wie es ist, wie fremdgesteuert und nicht mehr Herr seiner eigenen Gedanken zu sein? So unvorstellbar es für viele gesunde Menschen ist, desto realer ist es für einen von 100 Menschen. Sie leiden unter Schizophrenie.
Schizophrenie ist ein Begriff, den wohl jeder von uns schon einmal gehört hat. Doch was genau dahinter steckt, wissen die Wenigsten. Bei dieser psychischen Erkrankung handelt es sich um eine Störung der Integrität des Denkens, Fühlens und Handelns.
Wie erkennt man eine Schizophrenie?
Es gibt zwei ganz deutliche Symptome, die auf eine Schizophrenie hinweisen: Der Patient hört Stimmen, die mit ihm in einen Dialog treten und ihm Dinge befehlen. Er ist der vollen Überzeugung, dass andere Personen seine Gedanken nicht nur lesen, sondern auch beeinflussen können.
Zu diesen schizophrenietypischen Symptomen kommen weitere multikausale Symptome. Diese können jedoch auch bei anderen psychischen Erkrankungen auftreten. Dazu gehört, dass der Patient nicht mehr angebracht emotional reagiert, er ist unbeteiligt. Eine Antriebsmüdigkeit und der autistische Rückzug sind weitere mögliche Symptome. Der Rückzug erfolgt hier abrupt und plötzlich. Zudem kann auch die Denkstörung ein Symptom darstellen. Das bedeutet, dass der Patient einen Satz beginnt, sein Gedankenziel jedoch nicht erreicht oder zwischen unterschiedlichen Themen schnell wechselt.
Plus- und Minussymptome
Betrachtet man die Symptome im Detail, unterscheiden wir zwischen Plus- und Minussymptomen. Bei Plussymptomen handelt es sich um augenscheinliche Symptome, wie Wahnvorstellungen, egal ob Größenwahn oder Verfolgungswahn und Halluzinationen, sowohl akustisch als auch optisch. Minussymptome sind dagegen nicht extrem auffällig. Hierzu gehören die Affektflachheit, eine schwache Aufmerksamkeit, eine niedrige Informationsverarbeitung und Niedergeschlagenheit, die sich im Fühlen und Antrieb äußert.
Verletzlichkeit bedingt eine Erkrankung
Warum jemand an Schizophrenie erkrankt, ist, trotz großer Fortschritte in den letzten zwanzig Jahren, bislang nicht lückenlos erforscht. Dennoch verdichtet sich die Ursachenforschung auf folgende Fakten: Genetisch angelegt ist eine sogenannte Vulnerabilität (Verletzlichkeit, Dünnhäutigkeit), die eine Bewältigung und Anpassung an äußere Belastungen erschwert.
Weiterhin geht man von einer Hirnentwicklungsstörung aus. Durch ungünstige Bedingungen bereits vorgeburtlich oder um die Geburt herum, kann es zu einer verzögerten bzw. fehlerhaften Verschaltung der 100 Mrd. Hirnzellen kommen, die dann, Jahrzehnte später, Symptome hervorruft.
Besonderes Interesse gilt dabei der Vernetzung derjenigen Zentren des Gehirns, in denen Gefühle entstehen, mit dem Sitz des Verstandes und der Vernunft im Stirnhirn. Beim Gesunden ist das bewusst planende und entscheidende ICH der Lenker menschlichen Verhaltens. Der Schizophrene ist nicht Herr seiner Gedanken und Gefühle und erlebt sich größtenteils fremdgesteuert und von außen beeinflusst. An neue Anforderungen, Umgebungsreize oder komplexe Kommunikation mit Zeitdruck kann er sich nicht anpassen. Weitere Stressfaktoren, die schon früh das vulnerable Gehirn schädigen, sind Alkohol oder Drogen.
Zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr ist insbesondere der Konsum von Cannabis fördernd für eine Erkrankung. Hier ist es eine Art Teufelskreis, da die jungen Menschen ihre Minussymptome versuchen selbst mit Cannabis zu behandeln, denn die Droge wirkt entspannend und angstlösend.
Schizophrenie ist nicht gleich Schizophrenie
Die Schweregrade variieren stark. So reichen die Ausprägungen von einem Rückzug bis hin zu bizarren, sogar chronischen Wahnvorstellungen. Die häufigste Form der Schizophrenie ist die paranoid-halluzinatorische Psychose. Hier verfallen die Patienten in einen Wahn und hören Stimmen. Erste Plussymptome haben Patienten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Sie haben eine meist fünf- bis sechsjährige Vorgeschichte (Prodromi), bis sie zu uns kommen. Insbesondere durch den Konsum von Cannabis kann das noch unreife Gehirn nachhaltig geschädigt und die Erkrankung gefördert werden. Wenn die Erstmanifestation der Krankheit jenseits des 30. Lebensjahres liegt, ist die Prognose günstiger, weil sie dann auf ein reifes Gehirn trifft und der Mensch schon eine längeren gesunden Lebensweg zurückgelegt hat.
Patienten werden heute immer früher entlassen und ambulant weiter betreut. Dennoch ist die Akutpsychiatrie immer voll belegt. Wir sprechen insbesondere in diesem Bereich leider von der „Drehtürpsychiatrie“, da wir viele unserer Patienten nicht nur einmal sehen. Das liegt häufig daran, dass sie nach einer erfolgreichen Behandlung in kein stabiles Umfeld zurückkehren. Sie haben keine Tagesstruktur, kein Geld, keine Wohnung und keine Unterstützung. Daher lassen rund 50 Prozent der Patienten nach der Entlassung die Medikamente weg, was einen erneuten psychotischen Schub vorprogrammiert.
Das können wir tun
Die Pharmakologie befasst sich mit allem rund um Medikamente. Diese werden immer individuell abgestimmt verschrieben. Zudem müssen die Patienten behandlungswillig sein. Ob Patienten behandlungswillig sind oder nicht, kommt immer ganz auf das Krankheitsbild an. So erkennt der eine Patient seine Krankheit als Krankheit, leidet darunter und möchte Hilfe. Der Patient, der unter Größenwahn leidet, möchte jedoch mitnichten, dass seine Symptome enden.
An diesem Punkt wird verstärkt die Psychotherapie eingesetzt. Wir versuchen Kontakt zu unseren Patienten zu bekommen, Vertrauen und eine Bindung aufzubauen. Dies funktioniert zum einen dadurch, dass wir sie in dem stärken, was sie können und zum anderen eine umfassende Aufklärung betreiben. Dies fällt unter das Stichwort Psychoedukation. Wir machen den Patienten zu einem Experten seiner Krankheit. Wir lassen ihn erzählen, was in der bisherigen Behandlung gut und was nicht so gut war. Wir zeigen ihm, wie er lernen kann, Frühsymptome zu erkennen, um sich und seine Krankheit ganzheitlich einschätzen zu können.
Ein äußerst wichtiger Punkt der Behandlung ist die sozialpsychiatrische Behandlung. Hier werden die Rahmenbedingungen für ein weiteres, gesundes Leben geschaffen. Dies geht von der Unterstützung bei finanziellen über Wohnangelegenheiten bis hin zur gesetzlichen Betreuung. So stehen die Chancen einer langfristigen Genesung einfach sehr viel besser. Denn leider ist es nicht selbstverständlich, dass ein erkrankter Mensch in eine gemütliche Wohnung mit liebender Familie zurückkehren kann.