Als Fachkrankenschwester in der Mutter-Kind-Tagesklinik begleite ich die Frauen in einer schwierigen Phase ihres Lebens. Wir sind ein Team, das aus vielen wunderbaren Menschen besteht, die alle dazu beitragen, dass Mütter ihrem Alltag wieder nachgehen und Freude und Glück mit ihren Kindern empfinden können.
Wenn Vorfreude plötzlich umschlägt
In die Mutter-Kind-Tagesklinik kommen vor allem depressive Mütter. Die Medien vermitteln oft das Bild, dass das Mutterdasein nur positive Aspekte mit sich bringt. Die Mütter in der Werbung sind jung, hübsch und ausgeruht. Sie schaffen es, den Haushalt zu führen, das Kind zu betreuen. Sie kochen selbst „Bio-Babynahrung“ und gehen wieder arbeiten. Deren Kinder schreien nicht und sind immer zufrieden und entspannt. Die Realität sieht in vielen Fällen aber anders aus.
Hierzu ein Beispiel:
Ein Paar bekommt das lang ersehnte Wunschkind. Ihr Leben ist perfekt. Beide stehen erfolgreich im Berufsleben. Die Schwangerschaft verläuft sehr gut. Alles läuft nach Plan. Beide haben eine bestimmte Vorstellung davon, wie das Leben nach der Schwangerschaft aussehen sollte, und freuen sich darauf.
Das Kind ist da. Es ist leider ein „Schrei-Baby“. Die ersten Monate sind sehr anstrengend. Tag und Nacht schreit das Kind. Alles dreht sich um die Frage, warum es schreit.
Die Hauptlast liegt in den meisten Fällen auf der Mutter, weil sie sich im Erziehungsurlaub befindet. Die Mutter zieht sich zurück, schläft nicht mehr, kann nicht mehr essen, bricht alle Kontakte zu Freunden ab. Das Haus möchte sie nicht mehr verlassen. Denn wenn sie es tut, muss sie ständig damit rechnen, dass andere fragen, warum das Kind so schreit und warum sie es nicht beruhigen kann. Aktivitäten, wie einkaufen, spazieren oder Bahnfahren werden zur Qual.
Das Leben veränderte sich und alles ist anders, als zuvor erhofft.
Für viele ist der Druck zu groß und sie stellen ihre Kompetenz als Mutter infrage. Depressive Symptome können auftreten und Schuldgefühle verbunden mit Trostlosigkeit bestimmen den Alltag.
Hilfe in der Tagesklinik
In solchen Fällen kann die Behandlung und Unterstützung in einer Tagesklinik, den Müttern wieder mehr Selbstwertgefühl vermitteln. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass es bis jetzt keine vergleichbare Einrichtung in Frankfurt und Umgebung gibt. Die Bereitschaft der Mütter, professionelle Hilfe in einer Tagesklinik in Anspruch zu nehmen, ist meist viel größer, als im stationärem Bereich. Als Tagesklinik tragen wir dazu bei, dass die Mütter weiterhin zu Hause bleiben können und ihre gewohnte Umgebung nicht verlieren. Die Väter können ihre Kinder täglich sehen und das normale Leben bleibt weitestgehend erhalten.
Eine Mutter erzählte mir, dass ihre Nachbarn denken, dass sie mindestens zweimal täglich lange mit ihrem Kind spazieren gehe. Sie sahen sie morgens beim Verlassen des Hauses und abends, wenn sie zurückkam. Sie vermuteten gar nicht, dass sie in Behandlung ist. Der Mutter war das auch ganz recht.
Mutter-Kind-Behandlung
Ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit ist es, für die Mütter bei der Betreuung ihrer Kinder die Balance zwischen Be- und Entlastung herzustellen. Das kann zu einer positiven Mutter-Kind-Bindung beitragen. Unter Berücksichtigung der persönlichen Ressourcen der Patientinnen versuche ich, mit ihnen positive Aktivitäten zu unternehmen. Persönliche Ressourcen meint: „Was bringt die Mutter für Erfahrungen mit?“ und „Welche Umstände führten zu ihrer Erkrankung?“ Bei den Aktivitäten handelt es sich oft um Dinge, wie kochen, backen, gemeinsam singen oder spazieren gehen. In Gesprächsrunden geht es um einen positiven Austausch.
Die ersten Momente der Besserung
Da ich jede Woche dienstags bis freitags in der Tagesklinik bin und die meiste Zeit mit den Müttern und Kindern verbringe, sehe ich oft die AHA-Effekte. Das können ganz unterschiedliche Momente sein. Das erste Lächeln im Gesicht der Mutter, wenn sie ihr Kind ansieht. Oder wenn sich eine Mutter traut, über ihre Gefühle und Gedanken in der Gruppe zu sprechen. Die Mütter stellen dann fest, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine sind. Die Entwicklung geschieht nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess. Jeden neuen Schritt feiern wir als Erfolg. Das kann auch bloß ein erledigter Einkauf sein. Positive Erfahrungen und das Gemeinschaftsgefühl sind wichtige Aspekte der Behandlung.
Auch Väter finden Unterstützung
Eine Begegnung wird wohl noch lange in meiner Erinnerung bleiben. Da es sich um eine Mutter-Kind-Einrichtung handelt, dachte ich gar nicht daran, dass auch Väter betroffen sein können. Ich nahm einen Anruf entgegen für einen Vorgesprächstermin. Erst nach fünf Minuten realisierte ich, dass ich mit einem Mann telefonierte, da ich sonst immer die Mütter am Telefon habe. Während des Gesprächs erzählte mir der Anrufer, dass er sich im Erziehungsurlaub befinde und seine Frau arbeiten gehe. Die Probleme, die er beschrieb, unterschieden sich nicht von denen der Mütter und auch er war auf der Suche nach Unterstützung. Ich denke, dass wir vielleicht über den Namen der Einrichtung nachdenken sollten. Wie wäre es vielleicht mit Mutter-Vater-Kind-Einrichtung?
Headerbild: © Helene Souza/Pixelio