Zwei Wochen lang, habe ich mein Betriebspraktikum im Kulturzentrum Eichberg absolviert. Während meines Praktikums habe ich viele verschiedene Bereiche kennengelernt. Dabei habe ich Unsicherheiten überwunden und mit Vorurteilen aufgeräumt.
Unsicherheit war schon nach kurzer Zeit kein Thema mehr
Ich habe in den zwei Wochen Praktikum so viele Eindrücke gesammelt, dass ich direkt loslegen und viele Seiten schreiben könnte. Das liegt daran, dass ich ein sehr umfangreiches Programm zusammen gestellt bekam, was sich auch langsam steigerte. So habe ich mich nach kurzer Zeit auf dem großen Gelände mit den vielen Gebäuden gut orientieren können. Der direkte Kontakt mit den Patienten, speziell in der geschlossenen Station, war für mich das beeindruckendste Erlebnis. Zuerst war ich mir nicht sicher, wie ich mich im Umgang mit ihnen anstellen würde. Doch es gab so viel zu tun, dass ich gar nicht weiter darüber nachdachte und einfach mithalf. Schon nach kurzer Zeit war mir der Umgang mit den Patienten nicht mehr fremd. Es gab auch immer jemanden, den ich fragen konnte, wenn ich Hilfe brauchte. Deswegen bin ich überall sehr gut klar gekommen.
200 Jahre Psychiatrie im Rheingau
Bei zwei Projekten habe ich fortlaufend mitgeholfen und sie könnten deswegen als meine „normalen“ Arbeitstage beschrieben werden: Dieses Jahr wird das Jubiläum „200 Jahre Psychiatrie im Rheingau“ gefeiert. Dazu wurde am letzten Tag meines Praktikums eine Ausstellung eröffnet. Gezeigt werden die künstlerischen Arbeiten von aktuellen und ehemaligen Patienten. Gemeinsam mit dem Leiter des Ateliers und den Künstlern haben wir die Exponate ausgesucht, gerahmt und im Kloster Eberbach ausgestellt. Auf dem Gelände von Vitos Rheingau befindet sich außerdem das Kulturzentrum Eichberg mit einem Café, in dem das ganze Jahr über Veranstaltungen laufen. Dort habe ich ebenfalls mitgeholfen. Wir haben die Bühne vorbereitet, die technische Ausstattung aufgebaut und auch Werbeplakate beklebt und im Rheingau aufgestellt. Sowohl das offene Atelier als auch das Kulturzentrum verkörpern die Idee, Patienten und „normale“ Menschen in Kontakt zu bringen und einen Austausch herzustellen. Diese Idee ist noch relativ jung, denn erst in den neunziger Jahren hat sich die Psychiatrie verstärkt darum bemüht, Patienten auch wieder in die Gesellschaft einzugliedern und sie nicht nur mit ihren Problemen „wegzuschließen“. Diesen Prozess nennt man „Enthospitalisierung“.
Auf der gerontopsychiatrischen Station
Besonders eindrucksvoll waren für mich die Tage, an denen ich direkten Kontakt mit den stationären Patienten hatte und sie würde ich deswegen zu den besonderen Arbeitstagen zählen. Es begann in der geschlossenen Station der Gerontopsychiatrie (Patienten älter als 65 Jahre). Auf dieser Station waren neun Patienten und ich habe sie während der Frühschicht beim Frühstück und Mittagessen betreut. Die häufigsten Krankheitsbilder dort waren demenzielle Erkrankungen, Depressionen und Angstzustände, sowie manische Krankheiten und wahnhafte Störungen. Auf der Station gibt es sehr viel zu tun, da die meisten Patienten nicht mehr aus eigener Kraft durch den Tag kommen. Teilweise finden sie ihre Zimmer nicht mehr alleine, sie müssen gefüttert werden oder brauchen Hilfe im Bad. Sie müssen permanent betreut werden. Auf Listen wird genau notiert, wie viel die Patienten gegessen und getrunken haben, sodass sie genügend versorgt sind. Dabei ist z. B. das Füttern nicht einfach nur eine körperliche Hilfe, sondern manche Patienten müssen zu jedem Bissen überredet und motiviert werden. Das war eine sehr mühselige und zeitaufwendige Arbeit. Zur Behandlung der Patienten gehört aber nicht nur deren körperliche Versorgung. Sie nehmen auch an Bewegungs- und Musiktherapien teil, damit sie auch möglichst wieder ein Körpergefühl bekommen oder beibehalten. Dazu werden zum Beispiel zu klassischer Musik oder alten Schlagern Übungen mit kleinen Massagebällen oder Luftballons gemacht.
Ergotherapie für´s Selbstvertrauen
Ein weiterer besonderer Tag war mein Besuch bei der Ergotherapie. Sie steht allen Patienten zur Verfügung, die nicht auf geschlossenen Stationen untergebracht sind. Hier haben die Patienten die Möglichkeit kreativ zu arbeiten. Es werden Specksteine bearbeitet, gemalt, Mosaike gelegt, Bücher gebunden oder auch getöpfert. Die Ergotherapie dient dazu, dass die Patienten in kleineren Projekten ihr Können erleben oder auch neue Fähigkeiten entdecken. Damit gewinnen sie Selbstvertrauen, lernen aber auch, mit Misserfolgen umzugehen, wenn mal ein Werk misslingt.
Einblicke in den Datenschutz
Der Leiter des Kulturzentrums ist gleichzeitig auch Datenschutzbeauftragter. Zum Ende meines Praktikums habe ich mit ihm die alljährliche Datenschutzkontrolle während eines kompletten Stationsrundgangs gemacht. (Zum persönlichen Schutz der Patienten dürfen deren volle Namen nur mit ihrem Einverständnis an den Zimmertüren stehen). Das gab mir noch mal die Möglichkeit, alle Stationen des Geländes abschließend zu besuchen und ich bekam von den jeweiligen Leitern noch mal detaillierte Informationen über die Stationen und die Art von Patienten, die dort behandelt werden.
Psychische Krankheiten sind nichts, wofür man sich schämen muss
Ich habe das Gefühl, dass ich ein umfassendes Bild von der Psychiatrie bekommen habe und weiß, dass man dort gut aufgehoben ist. Die Angestellten sind sehr engagiert. Außerdem habe ich auch gelernt, dass psychische Krankheiten nichts sind, wofür man sich schämen oder verstecken müsste. Es kann jeden treffen und es ist absolut nichts Schlimmes, wenn man sich dagegen behandeln lässt. Genauso sollten wir keine Hemmungen haben, den Kranken zu begegnen und mit ihnen Zeit zu verbringen. Ich habe gesehen, dass solche Einrichtungen immer auch freiwillige Unterstützung brauchen, wie es zum Beispiel während eines freiwilligen sozialen Jahres der Fall ist. Ich überlege mir, mich nach dem Abitur dort zu bewerben.