Bewegung tut gut

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Warum Sport uns hilft, körperlich und psychisch gesund zu bleiben – oder zu werden

 

Die positiven Wirkungen von sportlicher Aktivität auf das körperliche und geistige Wohlbefinden sind vielfach nachgewiesen. Bewegung ist damit auch eine Chance für psychisch kranke Menschen.

Ein Viertel aller durch chronische Erkrankungen bedingten Todesfälle stehen in Zusammenhang mit mangelnder körperlicher Aktivität. Umgekehrt weiß man, dass sportliche Aktivität bei vielen körperlichen Erkrankungen den Verlauf bessert oder die Gesundung fördert.

Dies haben die Krankenkassen erkannt und fördern Herzsportgruppen, Lauftraining für Menschen mit Durchblutungsstörungen, Bewegungsprogramme für Menschen mit Diabetes und anderes mehr. Auch für krebskranke Menschen ist nachgewiesen, dass sie von Sport profitieren – neben Laufgruppen von Frauen mit Brustkrebs gibt es weitere Angebote, die zum Teil schon in die Krankenhausbehandlung oder Früh-Reha eingebunden sind. Menschen, die Sport treiben, leben länger und können, wenn sie krank sind, ihren Zustand verbessern oder dem Auftreten von Krankheiten vorbeugen.

Warum Sport hilft – einige Grundlagen

Sportliche Aktivität braucht Energie. Bei jeder körperlichen Belastung entsteht ein erhöhter Sauerstoffbedarf – das führt dazu, dass man stärker und tiefer atmet und das Herz kräftiger schlägt. Besonders bei längeren Belastungen werden die Energiespeicher im Körper geleert und aktiviert: Es werden Fette, Zucker und Eiweiß freigesetzt und verbraucht. Die stärkere Herzaktivität führt zu einer stärkeren Durchblutung im ganzen Körper, auch im Gehirn.

Gesteuert wird das Ganze über körpereigene Hormone, auch Kortisol und Adrenalin. Bei regelmäßigem Ausdauersport kommt es zu Anpassungen im Körper: Die Muskeln werden kräftiger, das Herz schlägt stärker und langsamer, die Durchblutung der Lungen passt sich an, die feinen Adern in den Muskeln (Kapillaren) werden kräftiger, sodass der im Blut vorhandene Sauerstoff besser ausgenutzt werden kann. Die Muskulatur selbst wird empfindlicher für Insulin, das den Blutzuckergehalt regelt. Damit wird langfristig der Blutzucker schneller abgebaut; auch der Verbrauch der Blutfette erhöht sich.

Im Gehirn werden verschiedene Botenstoffe aktiviert. So kommt es zum Anstieg der sogenannten Endorphine und zu einem Anstieg von Serotonin und Noradrenalin (beide spielen bei der Depression eine entscheidende Rolle) und damit zu einer Stimmungsaufhellung oder einem Glücksgefühl (»Runners High«).

Weiter fand man Hinweise darauf, dass körperliche Aktivitäten die Abgabe von neuroprotektiven Stoffen stärkt, also Stoffe, die die Nervenzellen vor dem Absterben schützen. Dies könne dazu führen, dass das Risiko, an Demenz zu erkranken, durch Sport gesenkt wird.

Die meisten dieser Effekte sind bei Ausdauersportarten nachgewiesen. Beim Krafttraining an Geräten wird weniger Sauerstoff akut verbraucht, aber durch die Muskelaktivität werden diese stärker und verbrauchen schon im Ruhezustand mehr Energie als bei nicht trainierten.

Sport bei psychischen Erkrankungen

Zahlreiche Untersuchungen haben erbracht, dass Sport sich bei Menschen mit psychischen Erkrankungen positiv auswirkt. Häufiger untersucht wurde die Lauftherapie bei Depressiven und bei Angsterkrankungen. Neuere Ergebnisse zu Sport bei Psychose-Kranken zeigen spannende Ergebnisse. Generell kann man sagen, dass unabhängig von der Art der vorliegenden psychischen Erkrankung sportliche Aktivitäten sinnvoll sind. Warum?

Psychisch kranke Menschen sterben früher, vor allem aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, den Folgen von Übergewicht und rauchen. Natürlich hängt dies auch mit der notwendigen Einnahme von Medikamenten zusammen; aber gerade deshalb: Durch Sport kann man vorbeugen und die körperliche Gesundheit verbessern. Daneben gibt es positive Effekte auf das psychische Befinden; dazu zählen allgemein die Verbesserung des Antriebs, des Wohlbefindens, des Selbstbewusstseins durch ein positiveres Körpergefühl und das gute Gefühl, etwas geschafft zu haben sowie die Verbesserung der sozialen Kontakte und des Gefühls, dazu zu gehören und nicht zuletzt durch die Besserung der eigentlichen Krankheitssymptome.

Sport für Menschen mit einer Psychose

An der Münchener Universitätsklinik wurden an Psychose erkrankte Menschen über drei Monate untersucht. Sie nahmen an einem Fahrradergometer-Training teil, das einmal pro Woche 30 Minuten stattfand. Am Ende wurde in bestimmten Hirnregionen eine Volumenzunahme, also die Neubildung von Nervenzellen, festgestellt. Ebenso wurde die kognitive Leistungsfähigkeit vorher und nachher gemessen, auch die verbesserte sich.

In einer weiteren Studie untersuchte man die Wirkung der Kombination von körperlichem Training (Fahrrad) und Cogpack, ein Hirnleistungstraining, das oft angeboten wird. Die Trainingsteilnehmer hatten danach eine messbare Verbesserung der allgemeinen psychischen Befindlichkeit; die Teilnehmer zeigten nach drei Monaten bessere kognitive Leistungen, die Teilnehmer hatten deutliche Verbesserungen im Bereich der sozialen Fertigkeiten (Haushalt, Freizeitverhalten, Arbeit) und die Teilnehmer hatten weniger eigentliche Krankheitssymptome sowohl bei den Positivsymptomen (Wahn, Stimmen hören usw.) als auch bei den Negativsymptomen (Antrieb, Lustlosigkeit usw.).

Sport für Menschen mit Depressionen

Es gibt eine Reihe von Wissenschaftlern, die erforscht haben, wie Sport sich auf das Krankheitsbild der Depression auswirkt. So wurde untersucht, ob das Risiko, an einer Depression zu erkranken, durch sportliche Aktivität beeinflusst werden kann. Einige große amerikanische Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig Sport treiben, seltener an Depressionen erkranken als sportlich inaktive. Eine deutsche Untersuchung aus dem Jahr 2004 mit mehr als 7.000 Teilnehmern, bei denen bereits psychische Erkrankungen vorlagen, kam zu dem Ergebnis, dass sich bei Menschen, die an Depression, Angst- oder Suchterkrankungen leiden, durch sportliche Aktivität die Lebensqualität erheblich verbessert.

Auch über die Auswirkungen von Sport bei Menschen, die akut an einer Depression leiden, gibt es einige Ergebnisse. Hier wurde meistens eine Gruppe von Patienten zum Beispiel zu einem regelmäßigen Lauftraining (drei bis fünfmal pro Woche, Dauer zwischen einer halben Stunde und einer Stunde) motiviert während die Vergleichs-Patientengruppe ein anderes nicht sportliches Angebot bekam. Es zeigte sich, dass (meist nach einigen Wochen) diejenigen, die zur Laufgruppe gehörten, weniger depressive Symptome hatten als die Vergleichsgruppe. Auch positive Langzeitergebnisse, wenn die sportliche Aktivität beibehalten wurde, sind berichtet worden (das heißt, das Risiko der Wiedererkrankung sinkt). Die meisten dieser Untersuchungen beziehen sich auf das Laufen, in einigen wurden auch positive Effekte von anderen Ausdauer Aktivitäten, aber auch von körperlichen Aktivitäten generell festgestellt.

Sport für Menschen mit einer Angsterkrankung

Viele Untersuchungen zeigen, dass Sport anxiolytisch, also die Angst auflösend, wirkt. Menschen die mit Angst oder Panikattacken kämpfen, vermeiden oft Sport, weil insbesondere Panikzustände mit ähnlichen körperlichen Veränderungen, also beschleunigter Puls, schwitzen, einhergehen wie Effekte einer körperlichen Belastung. Wenn man aber sportliche Aktivität in der Behandlung einsetzt, lassen sich beispielsweise Panikattacken weniger leicht auslösen. Dies wurde auch für die Zahnarztphobie untersucht: Gesunde Menschen mit Angst von dem Zahnarzt hatten dann, wenn sie vor der Zahn-Behandlung Sport machten, deutlich weniger Angst!

Sport und Gehirn

Die positiven Wirkungen von Sport für die Gehirnfunktion sind unbestritten. Auch bei schon bestehendem Abbau oder Demenz hat Sport positive Wirkungen. Der Sportwissenschaftler Christian Haas hat herausgefunden, dass Laufen oder Skifahren eine wirksame Therapie bei der Parkinson-Erkrankung sein kann: »Laufen verhindert den Zelltod.« Denn Sport hat positive Wirkungen auf verschiedene Gehirnfunktionen: Die Hirndurchblutung, Neurotransmitter (die Botenstoffe), neurotrophe Faktoren, also die Zellneubildung im Gehirn wird angeregt, Stresshormone. Darüber hinaus verbessert Sport die Selbstwirksamkeit: Ich fühle mich nach der sportlichen Aktivität besser und weiß, dass ich selbst diese Veränderung bewirkt habe!

Warum es trotzdem so schwer ist anzufangen

Menschen die an psychischen Erkrankungen leiden, haben durch ihre Erkrankung oft Probleme mit dem Antrieb und der Motivation. Zudem ist Übergewicht (auch durch Medikamente gefördert) oft ein Hemmnis, man schämt sich, will sich nicht blamieren. Vielen fällt es leichter, wenn ein Partner mitmacht …

Zunächst sind hier die Ärzte, Behandler, Betreuer gefragt: Sie sollten nicht müde werden, betroffene Menschen zu motivieren, zu unterstützen, Wege zu zeigen, wo und wie man anfangen kann. Sport gehört zum Therapieprogramm in allen Kliniken und bei vielen ambulanten Angeboten.

Und wie man dabei bleibt

Am meisten Spaß macht vielen Sport in der Gruppe. Ein guter Weg ist, die Sportangebote in Sportvereinen zu nutzen. Die Ambulanz der Frankfurter Vitos Klinik Bamberger Hof hat seit einiger Zeit eine Kooperation mit dem Frankfurter Turnverein 1860. Patienten können dort die zahlreichen Sportangebote kostenfrei nutzen. Dies hat den besonderen Vorteil, dass man zum einen seine eigene bevorzugte Sportart wählen kann und nicht auf die vorgegebenen Sporttherapie-Angebote beschränkt ist. Zum anderen ist Sport im Verein »normal«, also keine »Therapie«, sondern etwas, das im Leben in der Stadt stattfindet – eine Möglichkeit außerhalb der Psychiatrie andere Menschen kennenzulernen und mit ihnen zu trainieren.

Was Sie konkret tun können

Fangen Sie an mit einer »bewegten Pause«, also mittags nach dem Essen noch eine Runde gehen. Treppe benutzen statt Fahrstuhl, eine Station früher aus der Bahn aussteigen …

Erinnern Sie sich, ob Ihnen früher etwas sportlich Spaß gemacht hat und wo es ein Angebot dafür gibt. Auch Angebote, die kein Ausdauertraining sind wie Yoga oder sogar Tischfußballspiel, haben positive Effekte. Verabreden Sie sich mit anderen, nutzen Sie Sportangebote. Vielleicht hilft es Ihnen, ein Sporttagebuch zu führen und Ihre Erfolge zu dokumentieren. Sprechen Sie über Ihre Aktivitäten mit Ihrem Behandler, lassen Sie sich motivieren und bestärken. Wenn etwas keinen Spaß macht, probieren Sie etwas anderes aus.

Jeder Schritt, den Sie mehr tun zählt. Freuen Sie sich, wenn nach einiger Zeit der Muskelkater nachlässt und Sie sich mobiler und stärker fühlen.                               Fangen Sie heute an!

 

Dieser Beitrag ist ebenfalls nachzulesen in der ersten Ausgabe 2015 der Frankfurter Psychiatrie-Zeitschrift Treffpunkte.

 

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