Als myofasziale Triggerpunkte werden schmerzhafte Bereiche der Muskulatur, Sehnen oder Bänder bezeichnet, die dem Patienten bei Bewegung oder Druck, aber auch bereits im Ruhezustand ausstrahlende Schmerzen – sogenannte „referred pains“ – bereiten (Fischer, 2013). Der vom Triggerpunkt projizierte Schmerz, der einer pseudoradikulären Symptomatik entspricht, kann beispielsweise mit Hyper- oder Parästhesien, Hypertonus, Verkürzungen oder Schwäche einhergehen und wird häufig als eigentlicher oder ausschließlicher Problembereich vom Patienten genannt. Um einem chronischen Schmerzsyndrom, das auf einer peripheren Sensibilisierung beruht (Gallacchi u. Pilger, 2005), und den damit einhergehenden therapeutischen Schwierigkeiten (Hecker u. Liebchen, 2011) entgegenwirken zu können, ist eine zeitnahe Therapie empfehlenswert. Die Internationale medizinische Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke Regulationstherapie e.V. (IGNH) bietet Ihnen jetzt erstmals eine hochqualifizierte Ausbildung zum Triggerpunkt-Therapeuten mit zertifiziertem Diplom an.
Hintergründe
Die myofasziale Schmerzsymptomatik, die häufig aufgrund einer akuten oder chronischen Muskelüberlastung oder seltener infolge einer Traumatisierung der Muskulatur entsteht (Fischer u. Peuker, 2013; Hecker u. Liebchen, 2011), tritt gehäuft bei Patienten mit monotonen und sich wiederholenden Bewegungsmustern der Arme oder Hände und einer damit einhergehenden ungünstigen Körperhaltung sowie bei Sportlern mit wiederholten Belastungen auf (Hecker u. Liebchen, 2011). Problematisch erweist sich dabei die Tatsache, dass die isolierte Behandlung des oftmals fernab vom Triggerpunkt liegenden und vom Patienten beschriebenen Schmerzareals keinerlei Besserung der Symptomatik verspricht, sodass eine Triggerpunktbehandlung anzustreben ist, um die Beschwerden erfolgreich zu lindern.
Während bei der Behandlung akuter Triggerpunkte durch eine zielgerichtete Therapie wieder eine vollständige Beschwerdefreiheit erlangt werden kann, besteht bei chronischen Spannungszuständen aufgrund von Umbauprozessen der faszialen und muskulären Strukturen das Risiko einer Chronifizierung der Schmerzsymptomatik, sodass eine bindegewebige Verhärtung entsteht (Hecker u. Liebchen, 2011). Diese kann zu einer langfristigen Einschränkung führen und aufgrund einer Schonhaltung in einem Circulus vitiosus münden, sodass eine zeitnahe Therapie empfehlenswert ist.
Identifizierung aktiver Triggerpunkte
Die Anamnese des Patienten, die auch Zusammenhänge weit zurückliegender Ereignisse hinterfragt, erweist sich in der Neuraltherapie als maßgeblicher Bestandteil der klinischen Untersuchung, da sie hinweisend auf potenzielle Störfelderkrankungen sein kann (Barop, 2014). Anhand der anschließenden Inspektion von Haut, Bewegungsapparat, Mundhöhle und Zähnen (Barop, 2014) und der vom Patienten beschriebenen Projektionsareale der ausstrahlenden Schmerzen (Fischer u. Peuker, 2013; Hecker u. Liebchen, 2011) sowie einer gründlichen Palpation erhält der Neuraltherapeut Hinweise auf die Lokalisation aktiver Triggerpunkte (Fischer, 2013). Durch eine gründliche Palpation, die einem langen Lernprozess unterliegt, können Befunde erhoben werden, die zuvor weder anamnestisch noch inspektorisch auffällig waren, aber wesentlich für eine erfolgreiche Neuraltherapie sind. Als besonders wichtig für die Beurteilung der Befunde erweisen sich dabei die anatomischen Kenntnisse der Nervendurchtritts- oder Nervenaustrittspunkte sowie deren korrekte Zuordnung zu den Spinalsegmenten und Hirnnerven. Die manuelle Reizung bei der Palpation eines aktiven Triggerpunkts löst oftmals eine deutlich sichtbare lokale Zuckungsantwort (local twich, Fischer u. Peuker, 2013; Hecker u. Liebchen, 2011) des Muskels aus, die auch bei der Nadelung erkennbar ist, sowie eine typische Ausstrahlung des Schmerzes in den Projektionsbereich des Triggerpunkts. Ein Phänomen, das zur Identifikation aktiver Triggerpunkte im Rahmen der Neuraltherapie genutzt werden kann.
Neuraltherapie
Die neuraltherapeutische Behandlung der myofaszialen Triggerpunkte setzt eine gründliche Anamnese und Untersuchung des Patienten sowie eine Indikationsstellung unter Beachtung möglicher Kontraindikationen voraus (Barop, 2014).
Praktisches Vorgehen
Der Patient sollte vor jeder Therapie über die zu erwartenden Reaktionen nach der Behandlung sowie über mögliche Nebenwirkungen und Risiken der geplanten Injektionen aufgeklärt werden. Der Patient ist darüber hinaus über injektionsbedingte Schmerzen wie gelegentliche Blitzschmerzen bei der Injektion an periphere Nerven zu informieren.
Während der Therapie sollte sich der Patient – je nach Injektion – in einer entspannten Position in Rücken-, Bauch- oder Seitenlage (Dry Needling Verband Schweiz, 2014) befinden oder bequem sitzen, sodass keine unnötigen Lagewechsel erforderlich sind und keine Unruhe während der Behandlung entsteht (Barop, 2014). Standardisierte Lagerungen erhöhen die Treffsicherheit und sind somit zu bevorzugen.
Die Haut des Patienten sollte vor der Neuraltherapie desinfiziert werden (Barop, 2014). Die Injektion oder Nadelung selbst sollte präzise und schmerzarm sein. Starke Schmerzen dürfen nicht auftreten, andernfalls ist der Sitz der Nadel zu überprüfen. Für die einzelnen Nadel- und Injektionstechniken empfehlen wir interessierten Ärzten die neue Ausbildungsreihe der IGNH zum Triggerpunkt-Therapeuten. Zudem wird auf die einschlägige Literatur verwiesen (Barop, 2014; Dry Needling Verband Schweiz, 2014; Fischer, 2013).
Das weitere Procedere der Therapie variiert in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik des Patienten, so sollte die nächste Behandlung bei akuten Beschwerden nach 1 bis 2 Tagen und bei chronischer Symptomatik nach etwa 1 Woche folgen (Barop, 2014). Nach erneuter Anamnese des Patienten zeigt sich häufig, ob die eingeleitete Therapie Erfolge zeigt, sodass sie bis zur Beschwerdefreiheit fortgesetzt werden kann oder ob die Lokalisation der Nadelungen oder Injektionen geändert werden muss.
„Wet needling“
Die Neuraltherapie nach Huneke führt durch den Stich der Nadel zur Reizsetzung und durch die Applikation eines Lokalanästhetikums zusätzlich zur Reizausschaltung, sodass die pathologische Reizung des Sympathikus gezielt unterbrochen werden kann (Barop, 2014). Ziel ist es, durch die Reizunterbrechung eine Normalisierung der Sympathikusfunktion zu erreichen, die länger als die medikamentöse Reizunterbrechung anhält.
Neuraltherapeutikum
Da eine längerfristige Unterbrechung der Sympathikusreizung auch mit einer längeren Unterbrechung der angestrebten Autoregulation einhergeht, ist ein Lokalanästhetikum mit möglichst kurzer Wirkdauer bei geringster Toxizität zu wählen (Barop, 2014). Hier ist ein klarer Unterschied zur klassischen Anwendung des Lokalanästhetikums im Rahmen der Lokalanästhesie zu sehen, bei der eine möglichst langfristige Wirkung erreicht werden soll. Als Mittel der Wahl bietet sich daher das esterstrukturierte Procain (1%ig) an, das je nach Applikationsort eine etwa 20-minütige Unterbrechung der Reizleitung bewirkt. Langwirksame Lokalanästhetika wie amidstrukturiertes Lidocain mit einer Wirkdauer von etwa 60 Minuten verbessern den therapeutischen Effekt nicht, da die gewünschte Normalisierung der vegetativen Reizleitung nur von der Unterbrechung der pathologischen Reizung, nicht aber von deren Dauer abhängig ist. Darüber hinaus beeinträchtigen amidstrukturierte Lokalanästhetika den neuraltherapeutischen Effekt, da sie die Mirkozirkulation der applizierten Lösung am Injektionsort nachteilig beeinflussen und somit die Unterbrechung der Autoregulation unnötig verlängern.
Während die Abbauprodukte des Lidocains therapeutisch wertlos sind (Barop, 2014), stellen die Spaltprodukte des Procains – Paraaminobenzoesäure und Diäthylaminoäthanol – therapeutisch wirksame Substanzen dar, die eine vasodilatierende Wirkung am Ort der Injektion (Diäthylaminoäthanol) und eine kapillarabdichtende (Paraaminobenzoesäure) Wirkung haben.
Ziel ist es, kleine Mengen des Procains durch die gezielte Injektionstechnik an die erkrankte Struktur zu applizieren, ohne das Gewebe mit dem Lokalanästhetikum zu durchfluten (Barop, 2014). Die maximale Dosis 1%igen Procains von 50 ml wird für die Neuraltherapie nicht benötigt. Üblicherweise sollten nicht mehr als 30 ml Procain pro Sitzung injiziert werden.
Material
Beim „wet needling“ erfolgt die Injektion eines Lokalanästhetikums mit einer Hohlnadel (Dunning et al., 2014), wobei die Kanüle je nach Lokalisation der Beschwerden für die unterschiedlich tiefen Injektionen eine Länge zwischen 2 und 12 cm aufweisen sollte (Barop, 2014). Eine 5-ml-Einmalspritze bietet sich an, da sie aufgrund ihrer Größe optimal in der Hand des Therapeuten liegt. Da Injektionsvolumina von mehr als 5 ml an einer Lokalisation selten sind, ist ein Wechsel der Spritze während der Injektion kaum notwendig.
Eine Injektion an die Zähne erfordert hingegen eine Karpulenspritze, wie sie in der Zahnmedizin gängig ist, und eine 2 cm lange Kanüle, da längere Kanülen sich in der engen Mundhöhle erfahrungsgemäß als sperrig erweisen. Zur besseren Ausleuchtung der Mund- oder Nasenhöhle bietet sich zudem eine optimale Beleuchtung an.
Nebenwirkungen
Grundsätzlich ist mit den Nebenwirkungen zu rechnen, die durch das jeweilige Injektionsverfahren entstehen, aber auch mit solchen, die durch das Lokalanästhetikum verursacht werden. Bei richtiger Anwendung stellt die Neuraltherapie unter Beachtung der Kontraindikationen jedoch eine sichere Methode zur Behandlung myofaszialer Triggerpunkte dar (Fischer et al., 2005). Statistiken zeigen, dass es unter mindestens 200.000 Injektionen in keinem Fall zu schwerwiegenden Komplikationen kam, die medikamentös oder anderweitig behandelt werden mussten. Leichtere vegetative Reaktionen wie Schwindel, Schwitzen, ein zittriges Gefühl, ein Wärmegefühl oder ein metallischer Geschmack seien hingegen häufig zu beobachten, aber von vorübergehender Natur (etwa 10–15 Minuten; Fischer, 2013). Risiken, die mit der Injektion verbunden sind, können durch genaue Kenntnisse anatomischer Strukturen reduziert und sollten im Vorwege mit dem Patienten besprochen werden (Barop, 2014). Nähere Informationen zu den Risiken einzelner Injektionstechniken beschreibt Barop ausführlich in seinem Werk „Lehrbuch und Atlas Neuraltherapie“.
Jetzt neu: Machen Sie Ihr Diplom!
Die Internationale medizinische Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke Regulationstherapie e.V. (IGNH) bietet seit 2015 weltweit erstmals eine hochqualifizierte Ausbildung zum Triggerpunkt-Therapeuten mit zertifiziertem Diplom an. Die Kursreihe findet im Rahmen der medizinischen Woche in Baden-Baden statt. Die Teilnahme an allen 3 Triggerpunktkursen der IGNH und die erfolgreiche Prüfung berechtigen den Teilnehmer zum Führen der Bezeichnung „Diplom-Triggerpunkt-Therapeut (IGNH)“.
Freitag, 30. Oktober 2015
Triggerpunktkurs 1
Einführung, Theorie, untere Extremität
Kursleiter:
Dr. Gerd Belles D.O. (DAAO) und Dr. Simona Mangold D.O. (DAAO)
Theorie:
- Geschichte
- Häufigkeit
- Übertragungsschmerz
- Lokalisation
- Stich- und Dehnungstechniken
- Informationen zu Procain, maximale Menge
- Kontraindikationen
- Material
- Segment- und Störfeld
Praxis:
Schmerzen Rücken, Hüfte und untere Extremität
Muskeln:
M. errector spinae, M. quadratus lumborum, M. iliolumbalis, M. iliopsoas, M. piriformis, M. biceps femoris, M. semitendinosus, M. semimembranosus (ischiocrurale Muskeln), Mm. adductores longus, brevis et magnus, M. gracilis (Adduktoren), M. tensor fasciae latae, Mm. gluteus minimus, medius et maximus, M. quadriceps femoris, M. gastrocnemius, M. soleus, M. tibialis posterior, Mm. extensores et flexores digitorum et hallucis brevis
Samstag, 31. Oktober 2015
Triggerpunktkurs 2
Becken, Wirbelsäule, obere Extremität
Kursleiter:
Prof. Dr. Lorenz Fischer und Dr. Johanna Fork
Theorie:
- mögliche Ursachen und deren Vermeidung (Fass-Modell, Grundsystem)
- Säure-Basen-Haushalt
- Mineralien und Vitamine
- Verbindungen mit inneren Organen
- Pathophysiologie der Segmentreflektorik
- Satelliten-Punkte
Praxis:
Schmerzen Schulter, obere Extremität, Thorax und Abdomen
Muskeln:
M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor, M. subscapularis (Rotatoren), M. rhomboideus, Mm. serratus anterior et posterior, M. pectoralis major, M. pectoralis minor, M. teres major, M. deltoideus, M. triceps brachii, M. anconeus, M. biceps brachii, M. brachialis, M. brachioradialis, Mm. flexores digitorum profundus et superficialis, Mm. flexores carpi radialis et ulnaris, Mm. extensores carpi radialis et ulnaris, M. extensor digitorum, M. flexor pollicis longus, Mm. interossei der Hand, M. rectus abdominis
Sonntag, 1. November 2015
Triggerpunktkurs 3
Kopf, Repetitorium, Prüfung, Diplom-Ausgabe
Kursleiter:
Dr. Gerd Belles D.O. (DAAO) und Dr. Gerd Droß
Theorie:
- Funktion und Bedeutung der Kopfgelenke und Muskeln des kraniozervikalen Übergangs
- kraniomandibuläre Dysfunktion
- wissenschaftliche Grundlagen zur Entstehung von Triggerpunkten (WDR-Neuron, Hypoxie)
Praxis:
- Schmerzen Kopf und Nacken
- Funktionsstörung Atlantookzipitalgelenk in Verbindung mit Iliosakralgelenk
- Schwindel
Muskeln:
M. trapezius, M. levator scapulae, M. splenius capitis, M. splenius cervicis, M. recti capitis posterior major et minor, Mm. obliqui capitis superior et inferior, Mm. semispinalis capitis et cervicis, M. sternocleidomastoideus, M. pterygoideus lateralis et medialis, M. masseter, M. temporalis
Prüfung:
Curriculum mit gemeinsamer mündlicher Prüfung
Nähere Informationen zum Kurs erhalten Sie im Sommer.
Literatur
Barop H. Lehrbuch und Atlas Neuraltherapie. 2. Aufl. Stuttgart: Haug; 2014
Fischer L, Peuker ET, Hrsg. Lehrbuch Integrative Schmerztherapie. Stuttgart: Haug; 2013
Fischer L, Barop H, Maxion-Bergemann S. Health Technology Assessment Neuraltherapie nach Huneke. PEK des Schweizerischen Bundesamts für Gesundheit; 2005