TV-Abend zu Homohass in Europa

Der arte-Themenabend am 12. Mai widmet sich der Homosexuellenfeindlichkeit in Europa und in jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubensgemeinschaften

Das Ergebnis einer Studie der EU-Grundrechte-Agentur ist erschreckend. Demnach haben fast die Hälfte der rund 93.000 befragten LGBT Diskriminierung aufgrund ihrer Homosexualität erlebt, jeder Fünfte sogar körperliche Gewalt.

Homophobie, die offene Feindseligkeit gegenüber Schwulen und Lesben, ist alles andere als ein Randphänomen, sondern zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung für Homosexuelle in der gesamten EU geworden. Zwei Drittel trauen sich gemäß der Studie deshalb nicht, öffentlich Händchen zu halten und sich damit als Homosexuelle zu erkennen zu geben. Dass diese eigentlich selbstverständliche Geste der Zuneigung tatsächlich gefährlich werden kann, haben beispielsweie Olivier Couderc und Wilfred de Bruijn am eigenen Leib erleben müssen.

„Gleiche Liebe, falsche Liebe?!“

Sie wurden 2013 in Paris auf offener Straße brutal niedergeschlagen, einer der beiden Männer erlitt dabei schwerste Verletzungen. Dieser Fall ist nur eines von vielen Beispielen, mit denen der TV-Journalist Peter Gerhardt in seiner Dokumentation „Gleiche Liebe, falsche Liebe?!“ den alltäglichen Homohass in weiten Teilen der EU verdeutlicht. Sein Film ist Teil des arte-Themenabends zu Homophobie am Dienstag, den 12. Mai.

Peter Gerhardt lässt in seiner Doku jedoch nicht nur die Opfer zu Wort kommen, sondern nähert sich ebenso den Tätern und jenen gesellschaftlichen Strömungen und Protagonisten, die diesen Hass befördern und befeuern ­–in osteuropäischen Staaten wie Litauen und Ungarn wie auch in vermeintlich aufgeklärt-liberalen Ländern.

In Frankreich etwa konnten Politiker der konservativen Oppositionspartei UMP, der rechtsextremen Partei Front National und Vertreter der katholische Kirche über 150.000 Menschen zu einer Massendemonstration gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen mobilsieren.

In Deutschland finden homophobe Publizisten und Journalisten breite Zustimmung. Hassschriften wie „Deutschland von Sinnen“ von Akif Pirincci, in der der ehemalige Krimiautor vor einer „Verschwulung“ der Gesellschaft warnt und gegen Homosexuelle hetzt, werden zu Bestsellern.

„Du sollst nicht schwul sein“

Wie homosexuellenfeindlich verschiedene Glaubensgemeinschaften agieren, welchen Druck sie auf schwule und lesbische Gemeindemitglieder ausüben, welche Folgen die Ablehnung ihrer Sexualität für homosexuelle Gläubige hat – diesen Fragen geht die nicht minder sehenswerte Dokumentation „Du sollst nicht schwul sein“ nach.

In Litauen gehört Mut zu einem öffentlichen Coming-out

In Litauen gehört Mut zu einem öffentlichen Coming-out

Ausgrenzung und Diskriminierung der unterschiedlichsten Form erleben Schwule und Lesben quer durch die Weltreligionen, wie Marco Giacopuzzi anhand einer ganzen Reihe von bedrückenden, aber leider keineswegs seltenen Beispielen aufzeigt. So erzählt er etwa die Geschichte eines schwulen Muslims, dem eine Zwangsverheiratung droht, weil er nur so in seiner Familie als richtiger Mann anerkannt werden kann. Eine orthodoxe jüdische Gemeinde macht ihre Abscheu gegenüber einem schwulen Mitglied unmissverständlich klar: Sie geben ihm nicht die Hand.

Strenggläubige Schwule in der katholischen Kirche und in bibeltreuen evangelikalen Kreisen sind zerrissen zwischen ihren gleichgeschlechtlichen Gefühlen, Selbsthass, religiösen Verboten und der Angst vor Ausgrenzung und Höllenfeuer. Für manche erscheint daher der Weg zu einem „Homo-Heiler“ der einzige Ausweg.

Umfangreiches Online-Dossier

Marco Giacopuzzis Film zeigt, dass – so unterschiedlich die Glaubensgemeinschaften auch sind – die Folgen für die Homosexuellen unter ihren Mitgliedern sich nur wenig unterscheiden. Immerhin, es gibt auch kleine Hoffnungsschimmer zu sehen wie etwa eine Parise Moschee, die für Männer und Frauen, Hetero- wie Homosexuelle gleichermaßen offen steht.

Wie wichtig die öffentliche Diskussion um die Rechte von LGBT ist, auch und gerade in Massenmedien wie dem Fernsehen, zeigt die Onlineseite von arte. Dort wird zum Themenabend unter anderem ein kleines Dossier angeboten, mit weiteren Interviews etwa zur Situation von Homosexuellen in Litauen und zur Homophobie im Fußball, sowie eine interaktive satirische Seite, mit der dank perfektem Coaching das Coming-out zum Kinderspiel wird.

Doch kaum war die Programmankündigung online, gab es auch gleich einen ersten homophoben Kommentar: „Wer diskriminiert hier wen, wer ist eigentlich intolerant? Die zahlreichen Aktivisten_innen des moralischen Relativismus, die ihre Vorstellungen dem ganzen Kontinent diktieren wollen (…) oder Menschen aus Ländern wie Ungarn und Litauen, die Schlafzimmer und Straße nicht vermischen und gemäß ihrem Glauben weiter in Ruhe zu leben hoffen? Die Antwort ist m.E. klar.“

Zu hoffen bleibt, dass der Verfasser sich die beiden Dokumentationen dennoch anschaut und dadurch vielleicht zum Überdenken seiner Haltung angeregt wird.

Ausstrahlungstermine:
„Gleiche Liebe, falsche Liebe?!“: 12. Mai, 20.15 Uhr. Wiederholung am 19. Mai und 1. Juni jeweils 8.55 Uhr
„Du sollst nicht schwul sein“: 12. Mai, 21.10 Uhr. Wiederholung am 19. Mai und 1. Juni jeweils 9.50 Uhr