Ein Bericht von Frau Dr. Ursula Psyk über ihren Einsatz in Nairobi/Kenia
Kenia, der Name erweckt bei den meisten Deutschen Urlaubsgefühle: Sonne, Strand, Safari. Mit der Lebenswirklichkeit in Mathare, dem zweitgrößten Slum von Nairobi mit ca. 500.000 Einwohnern, hat das leider nichts zu tun. Die Menschen hier haben keine Chance, in einem der teuren kenianischen Nationalparks wilde Tiere zu erleben. Im Slum leben die Menschen von der Hand in den Mund. Häufig haben sie nicht einmal etwas zu essen. Sich medizinische Versorgung leisten zu können, daran ist erst recht nicht zu denken.
German Doctors unterhält aus diesen Gründen seit 1997 in Mathare ein Healthcenter mit dem Namen Baraka, was auf Deutsch „Segen“ bedeutet. Hier finden Menschen wie die 18-jährige Grace menschliche und medizinische Unterstützung. Grace ist als zweite Ehefrau nach einem Jahr Ehe noch nicht schwanger. Grund genug für ihren Mann, ihr deshalb Vorwürfe zu machen. Dabei ist die Ursache des Problems die Tatsache, dass er sie mit HIV infiziert hat.
Ein anderes Schicksal erschüttert meine fünf in Baraka arbeitenden Kollegen und mich. Die 19-jährige Margarete leidet an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus und kommt in sehr bedrohlichem Zustand in die Ambulanz. Der Zucker ist entglitten, sie leidet an starken Bauchschmerzen durch einen stoffwechselbedingten Harnverhalt. Die Familie hatte kein Geld, um Insulin zu kaufen. Margarete hat drei Tage lang, dieses lebensnotwendige Medikament nicht spritzen können. Sie wird von uns nach der medizinischen Erstversorgung unverzüglich als Notfall mit unserem Ambulanzwagen in das naheliegende Krankenhaus gebracht.
Auch der 28-jährige Steven, sucht Hilfe bei mir: Seit einem halben Jahr wird er von einem traditionellem Heiler wegen des Verdachts auf Gelbfieber behandelt, einer Erkrankung die in Kenia sehr selten auftritt. Mittlerweile hat er 10 Kg abgenommen, leidet unter Fieberschüben und chronischen Durchfällen. Leider stelle ich bei ihm eine HIV-Erkrankung fest, Gelbfieber hatte er nie. Umgehend wird die antivirale Therapie bei dem jungen Mann gestartet.
In der Baraka arbeiten ständig sechs Fachärzte aus Deutschland und fünf kenianische Clinical Officers interdisziplinär. Dank eines hervorragenden Labors und drei Ultraschallgeräten können wir einiges an Diagnostik durchführen. In einem Ambulanzraum ist es möglich Abszesse o.ä. zu operieren, Wundverbände anzulegen und zu gipsen. Täglich werden bis zu 350 Patienten betreut: Säuglinge, Kinder, Erwachsene, Alte und Schwangere.
Zusätzlich besuchen wir regelmäßig nicht mobile Patienten zu Hause. Diese Visiten in den ärmlichen, dunklen Behausungen ohne Elektrizität und fließend Wasser hinterlassen einen tiefen Eindruck bei mir; ich bin betroffen und voller Bewunderung für die Menschen, die unter solchen Verhältnissen ihr Leben meistern.
Viele Erkrankungen in Baraka kennen wir deutschen Ärzte aus unserer Heimat, zusätzlich gilt es in Mathare auch viele Tropenerkrankungen wie z.B. Cholera, Typhus, Malaria oder Amöbenabszesse zu erkennen und zu behandeln. Kindern wie dem kleinen Derrick mit angeborener Sichelzellanämie kann geholfen werden, in dem die Infektneigung und die Schmerzhäufigkeit medikamentös reduziert wird.
Eine häufige Erkrankung in Mathare ist die Tuberkulose. Nicht immer äußert sie sich durch Husten bei Lungenbefall, sondern auch durch Lymphknotenvergrößerungen wie bei Daruta, einem 20-jährigen Flüchtlingsmädchen aus Somalia, das hier im Slum Zuflucht gefunden hat. Den mandarinengroßen Lymphknoten hatte sie schon vor mehreren Monaten bemerkt, besaß aber kein Geld für die Abklärung. Dank der German Doctors hat sie nun nahezu kostenlosen Zugang zur Diagnostik und Behandlung.
Immer wieder werden meine Kollegen und ich mit Leidenswegen konfrontiert, die in Europa undenkbar sind, wie z.B. die Krankengeschichte von Gloria, einem 14-jährigen Mädchen, deren Schwangerschaft sich zu einer Blasenmole entwickelt hatte und in den staatlichen Krankenhäusern nicht behandelt wurde, da die Familie kein Geld für die Therapie hat. Durch uns erhielt sie die Möglichkeit, in einer Privatklinik versorgt zu werden.
Leider werden wir German Doctors nicht allen Patienten im Slum von Mathare helfen können. Neben der medizinischen Hilfe bringt das Healthcenter noch etwas sehr Wichtiges in diesen armen Teil der Welt: Hoffnung.
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