Am Samstag 4. Februar 2012 fand im grossen Hörsaal an der Universität Basel der MS-Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» statt. Dieser immer gut besuchte Anlass wird vom Universitätsspital Basel und der Schweizerischen MS-Gesellschaft organisiert und von den Pharmaunternehmen Bayer Schering, Biogen-Idec, Merck Serono, Novartis und Teva Pharma unterstützt. Die diesjährigen Themen waren:
- Begrüssung (Prof. Dr. Ludwig Kappos)
- Was hat der Magen-Darm-Trakt mit der MS und ihrer Therapie zu tun? (Prof. Dr. Tobias Derfuss)
- Die Schweizer MS-Kohorten-Studie, ein zentrales Projekt im Kampf gegen MS (Dr. Jens Kuhle)
- Physiotherapie bei MS: Möglichkeiten und Grenzen (Regula Steinlin Egli, Physiotherapeutin)
- Neues von der MS-Gesellschaft (Dr. Christoph Lotter)
- Neues zur Bildgebung bei MS (Prof. Dr. Till Sprenger)
- Tabletten statt Spritzen für alle? (Prof. Dr. Ludwig Kappos)
- Diskussion (Beantwortung von schriftlich gestellten Fragen)
Prof. Dr. Kappos moderierte den Anlass.
Der Immunologe Prof. Dr. Tobias Derfuss stellte in seinem Vortrag Magen-Darm-Trakt und MS die aktuelle Forschung über das wechselseitige Aufeinanderwirken von Darmbakterien und Immunzellen vor. Er stellte Tierstudien vor, die die gegenseitige Beeinflussung von Darmbakterien und dem Immunsystem zeigen. Das Immunsystem spielt bei der Multiplen Sklerose ebenfalls eine Rolle. Da liegt die Idee nahe, dass die Verdauung ebenfalls Einfluss auf die Multiple Sklerose haben könnte. So könnte je nach dem, was wir essen, das Immunsystem angeregt oder unterdrückt werden – es gibt leichter oder schwerer Entzündungen.
Bifidus Joghurts wird eine positive Beeinflussung auf die Verdauung zugeschrieben. Bifidus Joghurts enthalten lebende «gute» Darmbakterien. Interessant zu beobachten war, was die Äusserung, dass Bifidus Joghurts einen positiven Einfluss auf die Verdauung haben könnten, bei den Betroffenen auslöste. Ich dachte mir, ja stimmt eigentlich, ich sollte wieder vermehrt Bifidus Joghurt kaufen. Schaden werden sie ja kaum. Und meine Platznachbarin notierte sofort «Bifidus» auf ihrem Merkzettel. Da wurde wohl nach der Veranstaltung das eine oder andere Bifidus Joghurt gekauft.
Die Forschung über die Wechselwirkung von Darmbakterien und dem Immunsystem wird von der amerikanischen Forschungsförderung für Gesundheit (National Instituts for Health, NIH) und wie Prof. Kappos bemerkte, ebenfalls von Nestlé, gefördert.
Dr. Jens Kuhle stellte die Schweizer MS-Kohorten-Studie vor. Diese Studie will eine systematische, regelmässige und einheitliche Erfassung der Krankheitsverläufe in der Schweiz, unabhängig von der aktuellen Behandlung. Die Universitätsspitäler machen dies schon jetzt, aber noch auf unterschiedliche Arten. Eine solche systematische und einheitliche Datensammlung ermöglicht weitergehende statistische Auswertungen. Neue Erkenntnisse könnten so gewonnen werden. Die Universität Basel leitet die Studie. Dieses Projekt wird von der MS-Gesellschaft gefördert. Ebenso erhält es Unterstützung von der Pharmaindustrie.
Prof. Dr. Ludwig Kappos fasste die neusten Entwicklungen und Studien der Multiple Sklerose Medikamentenforschung zusammen. Das neu zugelassene Medikament Fingolimod/FTY-720 (Gilenya®) und die kommenden Medikamente BG-12/Fumarsäure, Teriflunomid, Laquinimod, Alemtuzumab, Ocrelizumab, Daclizumab und wie sie alle heissen wurden vorgestellt.
Diese Orientierung über die neusten Entwicklungen der Multiple Sklerose Medikamentenforschung ist im Interesse der Betroffenen, wie auch der Pharmaunternehmen. Nur was bekannt ist, kann auch nachgefragt werden. Direkte Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente ist in der Schweiz verboten.
Erfreulich zu berichten ist, dass Prof. Dr. Ludwig Kappos zu Beginn seines Vortrages auf seine Interessenkonflikte hinwies und diese dem Publikum offenlegte. Er erläuterte dem Publikum, dass alle erhaltenen Gelder der Pharmafirmen für die Forschung eingesetzt werden.
Eine solche Offenlegung wird durch die Richtlinie «Zusammenarbeit Ärzteschaft – Industrie» II. 7 der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW), welche für alle Mitglieder des FMH-Ärzteverbandes gültig ist, gefordert:
«Referenten legen ihre Interessenbindungen dem Veranstalter, der Fachgesellschaft sowie vor Beginn ihrer Präsentation den Teilnehmern auf geeignete Weise offen.»
Prof. Dr. Kappos ging als Präsident des Wissenschaftlichen Beirates der MS-Gesellschaft mit der Deklaration seiner Interessenbindungen also mit guten Beispiel voran. Ich hoffe nun, dass die anderen Referenten an MS-Informationsveranstaltungen diesem Beispiel folgen werden.
Denn wie wir wissen, können psychologische Effekte Urteile und Entscheidungen beeinflussen oder gar verzerren (Bias). Eine Offenlegung gibt dem Publikum die Möglichkeit, selbst eine Einschätzung des Gehörten vorzunehmen.
[Aktualisierung 16.02.2012: Newsmeldung der MS-Gesellschaft]