Experteninterview zum Thema Sommergrippe vorbeugen und behandeln

Wir beenden die Woche mit einem Experteninterview mit Dr. med. Ernst Tabori, Ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Infektiologe (DGI), zum Thema Sommergrippe.

Viele Menschen leiden im Sommer an der sog. Sommergrippe. Woran liegt das? 

Dr. med. Ernst Tabori: „Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass es eine Winter- und eine Sommergrippe gibt, analog zu Sommer- und Winterreifen. Erkältungen und die echte Grippe treten bevorzugt in den Herbst- und Wintermonaten auf, können uns aber prinzipiell zu jeder Jahreszeit erwischen. Die sog. Sommergrippe bezeichnet eine Erkältung, die man in den Sommermonaten bekommen hat. Sie hat trotz ihres Namens nichts mit der echten Grippe oder Influenza zu tun. Alle Infektionen mit den typischen Erkältungssymptomen werden -etwas ungeschickt – als grippale Infekte bezeichnet; umgangssprachlich sogar ganz falsch als „Grippe“. Erkältungen können -wie der Name schon vermuten lässt- dann auftreten, wenn man über einige Zeit einer kalten Umgebung oder Zugluft ausgesetzt ist und sich unterkühlt. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell so etwas gerade im Sommer geschehen kann, wenn man sich in leichter Sommerbekleidung in einem stark klimatisierten Raum aufhält. Vor allem wenn man verschwitzt ist, kann die kalte Klimaanlagenluft z.B. im Auto schnell zu einer Auskühlung führen. Außerdem trocknet die Klimaanlagenluft die Schleimhäute der Atemwege aus, was eine Infektion zusätzlich begünstigt. Um nach dem Schwimmen ein Auskühlen zu verhindern, sollte die nasse Badebekleidung schnell abgelegt werden. Sonnenbäder stellen weitere typische Sommerstrapazen für den Körper dar, die das Immunsystem schwächen können. Wenn unsere Abwehrkraft geschwächt oder eingeschränkt ist, haben Erkältungsviren eine bessere Chance, sich einzunisten. Auch zu wenig Trinken sowie der Genuss sehr kalter Getränke können die Entstehung einer Erkältung begünstigen.“

Was ist der Unterschied zwischen einer Influenza und einer Sommergrippe?  

Dr. med. Ernst Tabori: „Die echte Grippe oder Influenza wird durch die Influenzaviren verursacht. Die Influenza ist eine plötzlich beginnende, oft heftig verlaufende Infektionserkrankung mit hohem Fieber, Gliederschmerzen und starkem Krankheitsgefühl; sie kann zudem von gefährlichen Komplikationen begleitet sein. Erkältungen hingegen beginnen schleichend und haben meist einen milden Verlauf mit allenfalls subfebrilen Temperaturen. Auch wenn sowohl die Influenza als auch die grippalen Infekte bevorzugt in der kalten Jahreszeit auftreten, können sie durchaus auch in den Sommermonaten vorkommen. Die als „Sommergrippe“ bezeichnete Erkältung gehört in die Gruppe der grippalen Infekte und bezeichnet folglich keine spezifische Infektion, sondern gibt lediglich Auskunft über die Jahreszeit ihres Auftretens. Grippale Infekte werden durch eine Vielzahl verschiedener Viren verursacht, haben aber eine ähnliche (typische Erkältungs-) Symptomatik. Im Sommer sind häufig Enteroviren, zum Beispiel Coxsackie- oder ECHO-Viren, die Verursacher eines grippalen Infektes.“

Auf welchem Weg wird die Infektion übertragen?

Dr. med. Ernst Tabori: „Wie die meisten Infektionserreger werden auch Erkältungsviren hauptsächlich durch Kontakt übertragen. Entweder direkt von Mensch zu Mensch oder indirekt über kontaminierte Oberflächen, wie Türklinken, Lichtschalter, Haltegriffe oder -stangen in öffentlichen Räumen. Ferner werden sie über Tröpfchen beim Niesen, Husten oder Sprechen verteilt. Für eine ganze Reihe von Erkältungsviren ist die Nasenschleimhaut die Haupteintrittspforte, weil sich hier ihre Zielzellen befinden. Durch Reiben der Augen mit ungewaschenen Händen können wir selbst den Viren zum Erfolg verhelfen, da über den Tränennasengang eine Verbindung zur Nasenschleimhaut besteht. Die Verbreitung von Enteroviren findet auf dem fäkal-oralen Weg statt, z. B. wenn die Hände nach der Toilette nicht mit Wasser und Seife gewaschen werden. Auch über Nahrungsmittel und verunreinigte Getränke können sie weitergegeben werden und zudem Magen-Darm-Infektionen auslösen.“

Kann man sich vor einem grippalen Infekt im Sommer schützen?

Dr. med. Ernst Tabori: „Der beste Schutz ist immer, sich konsequent die Hände zu waschen und genügend Abstand zwischen sich und Personen zu halten, die bereits erkältet sind. Zwei Meter beträgt der maximale Streuradius für Tröpfchen. Nahrungsmittel sollten nur mit sauberen Händen angefasst werden. Gewarnt werden muss in diesem Zusammenhang vor Klimaanlagen, v.a. wenn sie zu kalt eingestellt sind und der Luftstrom direkt auf den Körper gerichtet ist. Schnelle und häufige Temperaturwechsel sind unphysiologisch und stellen eine unnötige Belastung für den Körper dar. Wichtig ist daneben, dass bereits Infizierte Verantwortung übernehmen, immer in ein Papiertaschentuch niesen, welches sie anschließend sofort im Abfalleimer entsorgen und sich häufig die Hände waschen. In der Akutphase sollten sie am besten vorsorglich zu Hause bleiben und nach Möglichkeit den Kontakt zu anderen Menschen meiden.“

Ist es ratsam, sich bei einem grippalen Infekt im Sommer auf Hausmittel zu verlassen? Wann sollte man lieber zum Arzt gehen?

Dr. med. Ernst Tabori: „Gegen die echte Grippe kann man sich sehr wirksam mit der Impfung schützen. Gegen grippale Infekte gibt es leider keine Impfung. Es existiert auch keine spezifische Therapie; allerdings ist diese in der Regel auch nicht erforderlich. Meist sind beim ansonsten gesunden Menschen ein paar Tage Ruhe, viel trinken und körperliche Schonung ausreichend. Unterstützen kann man den Genesungsprozess mit Hausmitteln wie einer warmen, selbst zubereiteten Hühnerbrühe sowie z.B. Ingwer-Tee. Inhalieren lindert den Hustenreiz und hilft den Schleim zu verflüssigen, ebenso sind hierzu Gewürze, wie Meerrettich oder Curry sehr förderlich und nützlich. Treten hingegen schwere Symptome auf, mit hohem Fieber und starken Gliederschmerzen, ist unverzüglich der Hausarzt aufzusuchen.“

Quelle: medicalpress.de