Lücken in der Prävention und Versorgung von Drogengebrauchern

Hohe HIV- und Hepatitis-Raten, geringe Impfquoten: Das Robert Koch-Institut hat erste Ergebnisse einer Erhebung unter injizierenden Drogenkonsumentinnen und -konsumenten veröffentlicht.

Menschen, die sich Drogen spritzen, haben ein erhöhtes HIV- und Hepatitis-Risiko – das ist bekannt. Mit der sogenannten DRUCK-Studie (Drogen und chronische Infektionskrankheiten) liegt jetzt erstmals umfangreiches Zahlenmaterial aus Deutschland dazu vor. Die 2011 bis 2015 vom Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführte Erhebung gibt auch Aufschluss über Hepatitis-Impfquoten und das Safer-Use-Verhalten der Befragten, also die Maßnahmen zur Verringerung der Infektionsrisiken beim Drogenkonsum.

Dabei wurden nicht nur die Einflussfaktoren für Infektionen mit Hepatitis-B-Viren (HBV), Hepatitis-C- Viren (HCV) und HIV bestimmt, sondern auch Wissenslücken in Bezug auf Übertragung und Prävention dieser Infektionen festgestellt.

2.077 Studienteilnehmende aus acht Städten

Für die Studie arbeitete das RKI mit Drogenhilfe-Einrichtungen in acht Städten zusammen (Berlin, Essen, Leipzig, Frankfurt am Main, Köln, Hannover, München und Hamburg). Befragt wurden 2.077 Personen, deren Blut auf HBV, HCV und HIV sowie das Humane-T-Lymphozyten-Virus (HTLV) untersucht wurde.

Rund 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten in den 30 Tagen vor der Erhebung Drogen injiziert, ein Drittel täglich. Mehr als die Hälfte der Befragten waren in ihrem Leben bereits in einer Substitutionstherapie, je nach Stadt wurden ein bis zwei Drittel zur Zeit der Interviews substituiert.

Auffällig sind die Unterschiede bei den Substanzen. Heroin wurde überall in starkem Maße konsumiert (von 57 Prozent der Befragten aus München bis 85 Prozent der Befragten aus Köln), beim Crack-Konsum dagegen gibt es ein deutliches Gefälle: Während in Hannover 58 und Frankfurt am Main 71 Prozent aller Befragten im Monat vor der Befragung Crack konsumiert hatten, lagen die Werte in Berlin und Essen bei rund drei, in München gar nur bei 0,4 Prozent.

Safer Use ist weit verbreitet – Unsafe Use auch

Ein ähnliches Phänomen zeigte sich bei Crystal: In Leipzig hatten zwei Drittel aller Studienteilnehmenden Erfahrungen mit Methamphetamin, in den anderen Städten lag der Anteil zumeist unter drei Prozent. Bis zu einem Drittel der Substituierten berichteten von Beikonsum.

Wie schützen sich die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer? Safer-User-Verhaltensweisen sind offenbar weit verbreitet, doch mehr als ein Drittel aller Befragten, die im Monat vor der Erhebung Drogen injiziert hatten, „brachen“ in diesem Zeitraum mindestens einmal diese Regeln: 5 bis 22 Prozent teilten Spritzen und/oder Nadeln, 32 bis 44 Prozent andere Utensilien wie Filter und Pfännchen.

Haft, HIV und Hepatitis

Die meisten Befragten (je nach Stadt 73 bis 86 Prozent) waren schon mindestens einmal inhaftiert, 53 bis 77 Prozent schon einmal obdachlos. Rund ein Drittel hat auch in Haft Drogen gespritzt – und dabei mangels sauberer Spritzen eine HIV- oder Hepatitis-Infektion riskiert; drei Prozent aller Befragten gaben an, erst im Gefängnis mit dem intravenösen Drogengebrauch begonnen zu haben.

Von den 2.077 Befragten waren rund 100 mit HIV infiziert, wobei etwa 20 Prozent dieser Infektionen erst im Rahmen der DRUCK-Studie diagnostiziert wurden. Mit HIV-Medikamenten behandelt wurden nur 56 Prozent der HIV-positiven Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Etwa 50 Prozent der Befragten hatten eine aktive, potenziell behandlungsbedürftige Hepatitis C und bis zu drei Prozent eine aktive Hepatitis B.

Drogenhilfe und Medizin schöpfen Möglichkeiten nicht aus

Neben hohen Raten von aktiven HCV-Infektionen und nicht bekannten HIV-Infektionen zeigte sich auch eine teilweise niedrige Hepatitis-B-Impfquote – und dies, obwohl die Ständige Impfkommission (STIKO) intravenös Drogen Gebrauchenden die HBV-Impfung empfiehlt und die Kassen die Kosten übernehmen. Viele Drogenkonsumenten hätten regelmäßigen Kontakt zum Drogenhilfe- und Medizinsystem, so die Autorinnen und Autoren der Studie, und diese Gelegenheiten müssten besser für Beratungen, Tests und Impfungen genutzt werden. Ausgeweitet werden müsse auch der Zugang zur Therapie, vor allem zur Behandlung der Hepatitis C. Hier böten die neuen, besser verträglichen und kürzeren Medikamententherapien zugleich neue Chancen.

Kriminalisierung führt zu Infektionen

Die DRUCK-Studie sieht außerdem einen deutlichen Bedarf an zielgruppenspezifischer Vermittlung von Wissen zu Übertragungswegen, Impfung und Therapien sowie an der Bereitstellung von Utensilien zum sicheren Drogenkonsum. Und sie macht eine entscheidende Ursache für die hohen HIV- und Hepatitis-Raten unter Drogengebrauchern aus, nämlich ihre Kriminalisierung und zugleich Lücken in der Prävention und Versorgung: „Häufige Inhaftierungen bei einem Großteil der teilnehmenden intravenös Drogengebrauchern mit dem Risiko der Fortsetzung des Drogenkonsums in Haft, der aufgrund unzureichender Präventionsmöglichkeiten im Justizvollzug meist unsafe abläuft, oder des Rückfalls nach einer Inhaftierung zeigen auch hier Handlungsbedarf“, so die Autorinnen und Autoren.

(ascho/hs)

 

Link zum „Epidemiologischen Bulletin“ (22/2015) des Robert Koch-Instituts mit den Ergebnissen der DRUCK-Studie