Am 9. Mai 2015 wurde die Huneke-Medaille im Rahmen des 10. Neuraltherapie-Seminars am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Greifswald an Herrn Prof. Dr. Jürgen Giebel verliehen. Nach einer feierlichen Laudatio überreichte Dr. Hans Barop die Medaille unter lang anhaltendem Applaus der Neuraltherapeuten. Dr. Jennifer Nehls führte ein Interview mit Herrn Dr. Barop über die Hintergründe der Verleihung.
Nehls: Herr Barop, was ist das Besondere an der Huneke-Medaille?
Barop: Mit der Huneke-Medaille werden Persönlichkeiten geehrt, die sich in besonderer Weise für die Neuraltherapie einsetzen.
Nehls: In welcher Form?
Barop: Die Kollegen zeigen ein besonderes Engagement, sei es durch Forschung, Fachpublikationen, die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte rund um die Neuraltherapie, die Entwicklung neuer Injektionstechniken oder die aktive Arbeit innerhalb des Verbands.
Nehls: Wie häufig findet diese Verleihung statt?
Barop: Die Medaille wird nur unregelmäßig verliehen. Erstmals wurde sie 1970 an Herrn Prof. Kibler für seine Grundlagenforschung zur Neuraltherapie verliehen und zuletzt im Jahr 2013 an Imke Plischko für ihr großartiges Engagement bei der Verbreitung von Fach- und Patienteninformationen in den neuen Medien.
Nehls: Wie häufig wurde die Auszeichnung in der Vergangenheit bereits verliehen?
Barop: Insgesamt 17-mal, wobei die Medaille an Ärzte, Zahnärzte, Biologen, Medizinjournalisten, aber auch an Tiermediziner verliehen wurde.
Nehls: Welche besondere Bedeutung hat Prof. Giebel für die Neuraltherapie?
Barop: Als gleichzeitig diplomierter Biologe hat Prof. Giebel ein besonderes Faible für die morphologische und funktionelle Anatomie. Damit ist die Mischung aus umfassenden Kenntnissen der Neuroanatomie des vegetativen Nervensystems und der entsprechenden neurophysiologischen Details bis in die Molekularbiologie eine besondere Voraussetzung, die theoretischen Grundlagen der Neuraltherapie auf solide wissenschaftliche Beine zu stellen und dem praktizierenden Neuraltherapeuten zu vermitteln. Er schafft so eine Brücke zwischen der Hochschulmedizin und dem Alltag des Praktikers und verdeutlicht die hochschulmedizinischen Grundlagen der Neuraltherapie.
Nehls: Inwiefern?
Barop: In Zusammenarbeit mit der Internationalen medizinischen Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke (IGNH) und anderen Gesellschaften organisiert er seit Jahren regelmäßig Seminare am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Greifswald. Prof. Giebel ist ein hervorragender und unermüdlicher Referent der funktionellen Anatomie für angewandte und praktische Medizin. Es gelingt ihm – manchmal in mühevoller Kleinstarbeit am Präparat – anatomische und neurophysiologische Zusammenhänge aufzuzeigen und theoretisches Wissen mit dem praktischen Nutzen zu kombinieren, sodass die Informationen von nachhaltigem Wert für den Praktiker sind. Dabei vermittelt er die Zusammenhänge zwischen der Injektion und den anatomischen Strukturen, zwischen Nerven- und Gefäßsystem und kann damit den neurophysiologischen Weg der Behandlung aufzeigen und gleichzeitig die Injektionssicherheit verifizieren. Die Demonstrationen im Präpariersaal des anatomischen Instituts sind hervorragend organisiert. Sie zeigen deutlich die Unterschiede zwischen den anatomischen Zeichnungen im Lehrbuch und der Dreidimensionalität in situ. Kenntnisse der topografischen Anatomie sind unabdingbar für gezielte und tiefere Injektionen. Sie lassen sich weder durch Bilder noch durch eine virtuelle Darstellung der Anatomie über bildgebende Verfahren so eindrücklich erlernen wie durch die Demonstrationen im Präpariersaal.
Nehls: Warum war es Ihnen eine besondere Ehre, die Laudatio für Herrn Prof. Giebel halten zu dürfen?
Barop: Es war mir eine besondere Ehre ihm die Medaille als Lehrer und Wissenschaftler, als Freund und Arzt überreichen zu dürfen. Die Medaille wurde ihm für seine qualitativ hochwertige Lehre im Präpariersaal und seine wissenschaftlich kritische Auseinandersetzung mit der Neuraltherapie verliehen. Durch ihn hat die Neuraltherapie eine richtungsweisende Verbesserung erfahren. Es ist eine besondere Art der Wertschätzung, die zugleich dem Wohle des Patienten dient. Prof. Giebel ist ein biologisch versierter und respektvoller Wissenschaftler, der einen offenen, aber kritischen Blick auf die funktionellen Zusammenhänge der Anatomie hat. Gleichzeitig ist er ein „unbestechlicher Kritiker der medizinischen Entfremdung“.
Nehls: Ein unbestechlicher Kritiker der medizinischen Entfremdung?
Barop: Die Medizin hat sich in atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt, aufgeteilt in viele Fachbereiche mit sehr hoher Leistungsfähigkeit. Dabei ist die Denkweise zu häufig einseitig in Richtung „Krankheit als Feind“ mit Therapieregimen ausgerichtet, die in erster Linie Symptom-Suppression bedeuten, unter Inkaufnahme teilweise erheblicher Nebenwirkungen. Prof. Giebel unterstreicht die Möglichkeit durch betonte Berücksichtigung der physiologischen Reparaturmöglichkeiten eines Organismus einen therapeutisch vornehmlich kausalen Zugang anzustreben, der über körpereigene Regulationsmechanismen erreichbar ist. In der Weiterentwicklung der Medizin ist diese Möglichkeit noch zu wenig berücksichtigt. Dies unterstreicht auch die Notwendigkeit der ständigen Weiterbildung des Neuraltherapeuten, deren regulationsmedizinisches Behandlungskonzept über das vegetative Nervensystem diese Idee in die Tat umsetzt.
Nehls: Lieber Herr Barop, ich danke Ihnen herzlich für das interessante Gespräch.