Wie wird eine geschlechtersensible Versorgung umgesetzt? Rückblick auf den Bundeskongress GenderGesundheit 2015

Nicht nur die Frauen, sondern Frauen und Männer stehen mit ihren biologischen, sozialen, psychologischen, umweltbezogenen und kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten im Fokus zukunftsgerichteter medizinischer Versorgung und Prävention. Wir müssen die Strukturen auch an sich wandelnde gesellschaftliche Anforderungen anpassen. Ich nenne beispielhaft nur Ausbildung und Studium, die Gestaltung von Arbeitsorganisation und beruflichem Umfeld und die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen.so die Parlamentarische Staatssekretärin und Schirmherrin, Ingrid Fischbach, zu Beginn des 3. Bundeskongresses GenderGesundheit. „Herausforderungen und Potentiale geschlechtsspezifischer Gesundheitsversorgung“ lautet auch das Motto des diesjährigen Kongresses, der am 21. und 22. Mai wieder in Berlin stattfand – mit u. a. der Stiftung Gesundheit als Partner.

Besucher des Kongresses

Besucher des Kongresses führen angerete Gespräche.

Während der eineinhalb Tagen ging es in Vorträgen, Workshops und zum Teil hitzigen Diskussionen vor allem um das „Wie“ in der Umsetzung einer geschlechtersensiblen Versorgung, die nicht nur Patienten und Patientinnen eine zielgerichtete Behandlung zugutekommen lässt, z. B. bei einer Diabeteserkrankung, sondern auch Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit gibt, ihren Beruf so gut wie möglich auszuüben.

 

Trotz unterschiedlicher Kompetenzen auf Augenhöhe zusammen arbeiten

Zur „Feminisierung“ der Medizin würde auch gehören – eine der vielen Schlussfolgerungen -, dass unterschiedliche Kompetenzbereiche in der Versorgung auf gleicher Augenhöhe miteinander kooperieren. Eine akademische Ausbildung könnte z. B. dazu beitragen, das inzwischen komplexe Wissen und Können des pflegenden Personals als gleichwertigen Bestandteil in der Versorgung zu würdigen und im System auch entsprechend „einzupreisen“.

Die besten Absichten beweisen sich aber erst in den Niederungen des Alltags. Und hier wird es, wie in den meisten Fällen, schwierig. Denn soll eine schwangere Chirurgin im OP stehen oder nicht? Welche Operationen sind in welchem Stadium der Schwangerschaft zu bewältigen und wie sieht es auf der juristischen Seite aus, wenn möglicherweise ein plötzliches Unwohlsein der Operateurin zu Komplikationen und Fehlern führen sollte?

Beispiele aus der Luftfahrt

Komplikationen, Differenzen und Fehler lassen sich leichter mit Checklisten bewältigen, wie die Diskussion mit zwei Vertreterinnen der Vereinigung Cockpit zeigte. Statt mit Schuldzuweisungen eine effiziente Fehlersuche zu blockieren, wozu es schnell kommt, wenn die Nerven blank liegen, lernen Piloten und Pilotinnen zunächst mit standardisierten Abfragen gemeinsam dem Fehler auf die Spur zu kommen. Vielleicht ist der ein oder andere Ansatz aus der Luftfahrt auch im Versorgungsalltag nützlich.

Um Gendermedizin im Gesundheitswesen in Zukunft als selbstverständlich zu implementieren, bedarf es vor allem der Integration in der Ausbildung und einer Sensibilisierung des Denkens. Ist z. B. die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Besonderheiten in der Versorgung von Diabetes „nur“ ein nice-to-have oder unverzichtbar und leitlinienwürdig, um eine adäquate Behandlung nach neuestem Wissensstand zu ermöglichen? So eine der Fragen in der abschließenden Podiumsdiskussion mit der Politik.

Preisvergabe an akademischen Nachwuchs

Der Forschungspreis Gender-Gesundheit wurde in diesem Jahr zum ersten Mal gemeinsam mit dem Institut für Gesundheits- und Versorgungsforschung der praxisHochschule in Köln gleich zwei Mal und geschlechterparitätisch vergeben. Damit möchte der Bundeskongress Gender-Gesundheit auch dem akademischen Nachwuchs in diese Überlegungen einbeziehen und eine Stimme geben.