Entstehungsgeschichte der zertifizierten CD „Mit chronischen Schmerzen leben“

„Hätte meine Schwester sich – so wie ich selbst – ausgiebig mit der gemeinsamen Familiengeschichte auseinandergesetzt, dann hätte sie diese Schmerzen jetzt nicht.“ Damit endete der Bericht einer guten Freundin, mit der ich vor ein paar Tagen Essen war. Sie hatte mir von ihrer etwa 60-jährigen Schwester erzählt, die aufgrund einer Arthrose in den Händen und Lendenwirbelsäulen-Veränderungen seit längerem starke Schmerzen hat. Aus Sicht meiner psychotherapieerfahrene Freundin war die Sache klar: „Das hat sie immer unter den Teppich gekehrt. Und das rächt sich jetzt.“

Ich schätze diese Freundin, die seit vielen Jahren in der Palliativmedizin arbeitet, sehr und war trotzdem über die Entschiedenheit ihrer Behauptung bestürzt. Der Abend verlief freundlich kontrovers. Sie war an meiner neuen CD interessiert und offen für eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Mit chronischen Schmerzen leben“.

Wie alles begann…

Die Doppel-CD ist das Ergebnis einer mehrjährigen Zusammenarbeit von mir und der Psychologin sowie Psychotherapeutin Ursula Frede. Ich hatte ihr Buch „Herausforderung Schmerz“ gelesen, besser gesagt es „inhaliert“. Sie blickt, wie ich, auf eine jahrzehntelange Arbeit mit schwerkranken Menschen zurück: Sie mit neurologischen Patienten, ich hauptsächlich mit geriatrischen. Zudem ist sie selbst an einer sehr schmerzhaften Wirbelsäulenerkrankung erkrankt und dadurch schwerstbehindert. In ihrem Buch beschrieb sie, wie sie – selbst psychotherapeutisch in dem Feld tätig – mit einer weit verbreiteten Haltung chronischem Schmerz gegenüber immer mehr haderte: Die Ansicht vieler Fachleute, dass man chronischen Schmerz prinzipiell kontrollieren könne, erlebte sie nicht nur als weitgehend unzutreffend, sondern auch als zutiefst verletzend und schädigend für die Betroffenen.

Ich selbst hatte einige Jahre mit orthopädischen Schmerzpatienten gearbeitet und mich dabei ebenfalls zunehmend unwohl mit der Anwendung der gängigen hauptsächlich verhaltenstherapeutisch orientierten Manuale gefühlt (obwohl ich selbst Verhaltenstherapeutin bin). Ich habe viele Menschen kennen gelernt, die sich zusätzlich zu dem Schmerz noch mit der Frage quälten, weshalb sie ihn haben, was sie falsch gemacht haben oder immer noch falsch machen, dass der Schmerz immer noch nicht verschwindet.

Wertvolles Feedback vom Fachpersonal

2012 hatte ich beim Schattauer-Verlag mein Hörbuch „Mehr Dialog bei Krebs“ veröffentlicht. Darin habe ich Beispiele für gelungene Kommunikation mit onkologischen Patienten zusammengestellt. Viele Ärzte und Pflegekräfte haben mir dafür gute Rückmeldungen gegeben. Sie haben sich in den Szenen wiedergefunden und die vorgeschlagenen Gesprächstechniken als sehr hilfreich erlebt. Plattitüden und hohle Ratschläge äußert man ja oft nur mangels guter Alternativen. Und die gibt es. Auch im Kontakt mit Menschen, die mit chronischen Schmerzen leben.

Zusammen mit Ursula haben wir quasi unsere Hitliste der – aus unserer Sicht – hilfreichsten Themen zusammengestellt und von Schauspielern sprechen lassen. So kann man beim Hören gleich einschätzen, ob die Beispiele lebensnah und plausibel genug sind, um sie ins eigene Repertoire aufzunehmen.

cover_mit-chronischen-schmerzen-lebenAufbau und Inhalte des Hörbuchs

Zuallererst stellen wir die „Kontrollprämisse“ des Schmerzes in Frage. Der Großteil der medizinischen oder psychotherapeutischen Fachliteratur – die wir im Text auch vorstellen – pocht darauf, dass so gut wie jeder Schmerz erfolgreich bekämpft werden kann – wenn man sich nur genug anstrengt. Wenn das stimmen würde, warum gibt es dann in Deutschland immer noch mehr chronisch Schmerzkranke als Krebskranke und Diabetiker zusammen?

Ursula und ich haben beide erfahren, wie unglaublich entlastend es sein kann, wenn ein Patient den Druck los wird, selbst schuld an seiner Erkrankung und weitgehend allein verantwortlich für seine Heilung zu sein. Es ist wichtig zu erkennen, welche Möglichkeiten man hat und welche eben nicht. Zu akzeptieren, dass der Schmerz sich nicht (völlig) bewältigen lässt, ist eine Wahrheit, der es standzuhalten gilt. Nicht nur in der Rolle des Patienten, sondern auch in der des Betreuenden. Wie kann das klingen? Handlungen und Worte zu finden, die einen schwerkranken Menschen in diesem Prozess unterstützen können, das war unser Anliegen.

Dazu müssen alle, die mit Schmerzpatienten arbeiten, sich der universellen Tatsache stellen, dass Schmerz ein Teil des Lebens ist. Genauso wie Krankheit, Alter und Tod. Wenn wir Ärzte, Psychotherapeuten, Pflegekräfte und Angehörige das aushalten und unseren Patienten kommunizieren können, dann kann echtes Mitgefühl entstehen und so etwas wie Verbundenheit oder Solidarität, was deutlich heilsamer ist, als der Vorschlag, doch endlich, die „richtigen“ positiven Gedanken zu denken.

Ja, und natürlich der Umgang mit Trauer. Die ist der Anfang der seelischen Heilung. Dass man Abschied nimmt von all dem, was man durch die Erkrankung verloren hat. Wie kann man Schmerzpatienten darin begleiten? Wir haben nicht nur Szenen aus unseren eigenen Therapien zusammengestellt, sondern auch aus der Fachliteratur und sogar aus der Weltliteratur.

Ein weiterer Bereich ist die achtsame Auseinandersetzung mit den eigenen Ressourcen und einem neuen Selbstverständnis: „Was geht trotzdem…?“ Ursula hat dazu einige Entspannungsübungen beigesteuert, die nicht das unrealistische Ziel haben, den Schmerz wegzumachen, sondern eben den, sich mit dem Schmerz zu entspannen, sich etwas Gutes zu tun.

Als all das fertig produziert war, habe ich meiner Freundin eines der ersten Belegexemplare geschenkt und bin sehr auf ihre Rückmeldung gespannt…

print-zerti-logoZum Schluss das i-Tüpfelchen: die erfolgreiche Zertifizierung

Zudem haben wir die CD von der Stiftung Gesundheit zertifizieren lassen und freuen uns sehr über das positive Ergebnis der Gutachter: „Die Autorinnen stellen auf ihrer CD ihre langjährige Expertise auf respektvolle Weise ihren Fachkollegen vor, ohne dabei belehrend zu erscheinen. Das Hörbuch beschreibt wichtige Aspekte der mitfühlenden Kommunikation und hilft, der Sprachlosigkeit angesichts starker Schmerzen vorzubeugen. Es erinnert den Therapeuten daran, den chronischen Schmerzpatienten zu begleiten und ihn anzuleiten, ohne zu bevormunden. Auch Betroffene selbst werden empfindsam einbezogen und erhalten einen kompetenten Begleiter in ihrer schmerztherapeutischen Behandlung.“