Wer sich krank fühlt, der geht zum Arzt. Der verschreibt dann ein Medikament und schaut, wie es weitergeht. Immerhin kann der Patient davon ausgehen, dass das Medikament, das er verschrieben bekommt, eine höchst staatliche Zulassung durch die Zulassungsstelle BfArM bekommen hat und somit sicher und wirksam ist.
Aber trotz Zulassung und klinische Studien gibt es immer wieder in diesem Bereich eklatante Fehler oder Versäumnisse, wo man an der Effektivität dieser Kontrollinstanz zweifeln muss. Beispiele dafür hatte ich bereits beschrieben:
- Nur jeder 3. Arztbesuch hilfreich oder sinnvoll? – Hier werden nur ganze 11 Prozent der medizinischen Verfahren als sinnvoll und wirksam eingestuft!
- Betablocker für alle – Evidenzbasierte Katastrophen der Schulmedizin – Leitlinien der Kardiologie für ein verkürztes Leben.
- Verfälschte Studien für schnellere Zulassung – Kontrolle ja; Studien ja; Zulassung ja; Sicherheit und Unbedenklichkeit nein.
- Cholesterinsenker Statine: Antiquierte Heilmethode auf dem Prüfstand – Statine, eine Gelddruckmaschine in Pillenform.
- Das Pharmakartell – Wie wir Patienten belogen werden – Wer lügt, der braucht eine Versicherung oder ein Kartell.
- Cholesterinsenker – Es wird immer TOLLER – Neues Märchen zum Wohle des Umsatzes.
- Der Skandal um Vioxx-Studien der Firma Merck – Wenn ein Märchen mal den Bach runter geht und wie man den Absturz manipuliert.
- Vorsicht Arzt! – kein Kommentar
- Immer mehr falsche Diagnosen – von der Naturheilkunde oder von der evidenzbasierten Schulmedizin?
- Und etliche mehr…
Aber verlassen wir die medikamentösen Therapieverfahren der Schulmedizin für einen Augenblick und schauen uns einmal die chirurgischen Verfahren an, also Operation – und hier die Operationen, die eine Reihe von Implantaten in den Patienten einbauen. Beispiele wären hier künstliche Gelenke an Hüfte, Ellenbogen, Knie und so weiter, Silicon als Brustersatz, Herzschrittmacher, Defibrillatoren, künstliche Bandscheiben und etliches mehr.
Ich mutmaße jetzt einmal Folgendes: Wenn die zentrale Zulassung von Medikamenten ein solches Tollhaus zu sein scheint, dann findet dieses Tollhaus bei den „Medizinprodukten“ seine logische Fortsetzung. Eins voraus: Leider liege ich mit meiner Vermutung vollkommen daneben…
Zulassung hier und Zulassung da
Die Zulassung für neue Medikamente ist wie ein Buch mit sieben Siegeln. Was dafür notwendig ist, kann man auf Wikipedia nachlesen: Arzneimittelzulassung. Zentrale Notwendigkeit für die Zulassung eines neuen Medikaments ist eine Arzneimittelstudie, die bei der Entwicklung des neuen Medikaments in 5 Phasen abläuft (Phasen einer Arzneimittelstudie). Der Aufwand scheint überwältigend. Da kann man nur denken müssen, dass alles Erdenkliche für die Unbedenklichkeit und Sicherheit von neuen Medikamenten getan worden ist. Aus dem Wikipedia-Artikel erfahren wir, dass die letzte Entscheidung für oder gegen das neue Medikament von der BfArM kommt. Die BfArM kann auch schon im Markt befindliche Medikamente, die sich als schädlich oder unsicher erwiesen haben, wieder vom Markt entfernen.
Aus einer Reportage vom ZDF (Risiko Implantate) erfahren wir, dass die Zulassungen hier ganz anders verlaufen als die für die Medikamente. Ich habe einmal die Graphik aus diesem Fernsehbeitrag „entlehnt“ und zur besseren Verständlichkeit hier eingefügt:
Hier verläuft die „Zulassung“ von Medizinprodukten über die Vergabe von CE-Prüfzeichen. Diese Prüfzeichen werden nicht von der BfArM erteilt, sondern von sogenannten „Benannten Stellen“. Dies sind privatwirtschaftliche Zulassungsstellen, die sich über die Zulassungsgebühren finanzieren, also ihre Arbeit nach wirtschaftlichen Kriterien ausrichten. Insgesamt gibt es 75 dieser Zulassungsstellen in der EU, die sich zudem noch gegenseitige Konkurrenz machen. Dies kann man auch an den Gebühren ablesen, die so unterschiedlich ausfallen wie die Beurteilung und die Anforderungen für die Zulassung selbst – zwischen 3000 und über 40.000 Euro für ein und dieselbe Zulassung eines Produkts. Für die Hersteller sind hier natürlich auch wirtschaftliche Überlegungen ausschlaggebend. In erster Linie steht hier der Aufwand und die Zeit, die für die Zulassung zu veranschlagen ist. Je weniger von beiden, desto besser. Wenn dann noch der Preis stimmt, dann kommt man ins Geschäft mit der „Benannten Stelle“. Da kann man auch schon einmal zu einem CE-Zeichen für einen Schnäppchenpreis kommen, wenn man zum Beispiel in den osteuropäischen Raum ausweicht.
Noch turbulenter wird es, wenn das geschieht, was bei so einer maroden Zulassungspraxis einfach passieren muss: Weil es ums Geld geht, bleibt die Qualität der Produkte auf der Strecke und die Implantate versagen nach einiger Zeit. Und jetzt kommt eine Geschichte, die man nur fest angeschnallt ertragen kann:
Während bei einem Medikament wie Vioxx das BfArM das Recht hat, zu intervenieren, gibt es für Medizinprodukte absolut kein solches Recht. Die Grafik zeigt, dass der Hersteller das BfArM informiert (wenn er Lust dazu hat). Die BfArM stellt dann einen Warnhinweis in ihre Webseite und macht danach Urlaub, nichts weiter.
Der Hersteller sollte jetzt (wenn er Lust hat) seine Kunden, also Krankenhäuser und Ärzte, benachrichtigen, dass etwas mit dem Produkt nicht stimmt. Die Krankenhäuser und Ärzte sollten (wenn sie Lust haben) ihre mit dem Produkt versorgten Patienten benachrichtigen, das mit dem Produkt was nicht stimmt. Wahrlich ein Schlaraffenland für die Hersteller von Medizinprodukten!
Das evidenzbasierte Schlaraffenland
Die ZDF-Reportage zeigt auch, dass die Zahl der maroden Produkte gefährlich zugenommen hat. Anfragen der Reporter bei verschiedenen Herstellern, Krankenhäusern und Politikern des Bundesgesundheitsamts wurden abgelehnt beziehungsweise nur kurz und bündig auf schriftlicher Basis erledigt. Die für mich „beste“ Antwort kam von der Politik, die ganz volksnah und am realen Puls der Bürger und Bürgerinnen zu antworten wusste, dass es keinen Grund für Änderungen gäbe, da alles wunderbar bestellt sei. Legoland für Wahlberechtigte.
Da muss man sich schon wundern, wie Politiker zu solchen Aussagen kommen können, wenn sogar Teile der Schulmedizin Alarm schlagen. Dr. Lawrence Dorr ist ein in den USA anerkannter orthopädischer Chirurg und gleichzeitig ein bezahlter Sprecher für die Herstellerfirma Zimmer. Diese Firma stellt künstliche Hüftgelenke her, die den traurigen Ruf erlangten, allzu schnell zu versagen. Dieser Dr. Dorr höchstpersönlich trat auf den Plan und warnte die amerikanische Öffentlichkeit vor den unzuverlässigen Zimmer-Produkten. Zusammen mit anderen Kollegen veröffentlichten die Ärzte eine Arbeit, in der sie die Probleme beschrieben: Failure of the Durom Metasul® Acetabular Component. Von 181 Patienten mit 207 neuen Hüftgelenken wurden nach einer Beobachtungszeit von mindestens 1 Jahr und mehr 29 Patienten mit 30 Hüftgelenken erneut operiert, wovon 21/29 eine röntgenologisch nachweisbare Lockerung der Gelenke erlitten. Von den 151 übrigen Patienten zeigten per Röntgenkontrolle 28 Patienten eine drohende Lockerung; 12 hatten bereits ein klinisches Versagen. Und 8 Patienten mit 9 Hüften zeigten klinisches Versagen und drohendes Versagen aufgrund von röntgenologischen Befunden.
Die Autoren kommen zu dem vernichtenden Schluss, dass im Vergleich zu alten Befunden die klinischen Resultate dieses Medizinprodukts der Firma Zimmer absolut unakzeptabel ausfielen. „Wir empfehlen keinesfalls den Gebrauch des Durom® Implantats“, so die Autoren. Das sieht diesmal für mich nach einer evidenzbasierten Aussage seitens der Schulmedizin aus, der ich allen Respekt zolle.
Im Jahr 2008 musste die Firma ihr Produkt vom Markt nehmen. Aber trotzdem kam die Firma kurz darauf mit dem gleichen Produkt und den gleichen Schwächen wieder auf den Markt. Was hatte sich geändert? Man hatte Veränderung an der Produktbeschreibung vorgenommen und ein Trainingsprogramm für Chirurgen auf die hauseigene Webseite gestellt. Schlaraffenland auf Amerikanisch!
Diese Erfahrungen relativieren natürlich die Aussagen des ZDF-Reports, wo professorale Meinungsbildner die Struktur der Amerikaner als vorbildlich darstellen. Sie ist mit Sicherheit besser als in Europa, da hier die FDA die entscheidende Instanz ist und nicht Privatunternehmen, die Zertifikate verhökern. Aber auch die FDA ist kein Unschuldsengel, wenn es um die Zulassung von fragwürdigen Produkten, wie zum Beispiel die GMOs geht. Da werden auch Augen zugedrückt, wenn es notwendig erscheint: Die besten Medikamente zum Krankwerden?
Politik gegen Politik
Die Reaktion des amerikanischen Herstellers ist bezeichnend fürs Schlaraffenland. Hier wird nicht der Fehler in der Produktion des eigenen Produkts gesucht, sondern man geht davon aus, dass die dummen Operateure nicht anständig mit den guten Sachen umgehen können. Daher auch die Veränderung der Produktbeschreibung und die Webseite mit Operationstraining. Aber in Deutschland sind inzwischen mehr als 9000 Fälle mit diesem künstlichen Hüftgelenk alleine bekannt. So viele doofe Chirurgen kann es nicht geben.
Andere Fälle sind bekannt, wo billiges Industrie-Silikon in die Brustimplantate gestopft worden ist, was bei den betroffenen Frauen das Risiko für Brust- und anderen Krebs erneut hat steigen lassen. Wenn man so etwas hört, dann klingt es wie ein evidenzbasiert schlechter Witz, wenn sich Madame Jolie die Brüste durch Implantate ersetzen lässt, um Brustkrebs zu umgehen (Eine prophylaktische Brustamputation (wie Angelina Jolie) – ist das sinnvoll? und Der Angelina Jolie-Effekt – Hollywood-Verstärker für medizinisches Schauspiel).
Und weil es in diesem Bereich so evidenzbasiert drunter und drüber geht, wohlwollend ignoriert von der offiziellen Politik, wie schon so oft zelebriert, sind es Politiker, die sich dann doch Gedanken machen. Wer? Die von der Opposition natürlich!
Im August gab es eine „kleine Anfrage“ (keine Ahnung, warum bei einem so großen Problem die Anfrage klein zu sein hat) im Bundestag seitens der Fraktion Bündnis90 und den Grünen (Kleine Anfrage). Die Anfrage fiel dann doch etwas umfangreicher aus als befürchtet. Immerhin kamen folgende Punkte zur anfragenden Sprache:
- die in den letzten Jahren rasant ansteigende Zahl an Produkten, die sich durch Fehlerhaftigkeit und Kurzlebigkeit auszeichneten
- die fehlende Transparenz und Dateneinsicht für diese Produkte und deren Zulassungspraktik
- die Informationssysteme DIMDI und EUDAMED bleiben der Öffentlichkeit unzugänglich
- die Hersteller können unter den 75 Benannten Stellen die für sie günstigste Alternative auswählen, was immer auf eine Priorisierung von wirtschaftlichen Interessen hinausläuft
- das vollständige Fehlen von klinischen Prüfungen zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Sicherheit der Produkte. Nicht einmal die Mindestanforderungen müssen erfüllt werden, wie Transparenz der Daten, Studiendesign, Beobachtungszeit und so weiter für die betriebsinternen Tests
- für Arzneimittel gibt es immerhin einen theoretischen Nachweis für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beziehungsweise Sicherheit, der in diesem Segment vollkommen fehlt
- Beobachtungs- und Meldepflicht beim BfArM besteht (theoretisch) nur für schwerwiegende Fälle, nicht aber für Verdachtsfälle, womit prophylaktische Maßnahmen unmöglich gemacht werden
- die Beweislast für Fehler beim Produkt und den daraus folgenden Schäden muss der betroffene Patient liefern, nachdem der Hersteller noch nicht einmal die Unbedenklichkeit und Sicherheit seines Produkts beweisen musste
Fazit
Schlimmer geht’s nimmer! Wir haben hier ein medizinisches Marktsegment vor uns, wo es zu 100 Prozent um die Kohle geht. Die Bedürfnisse der Patienten dienen hier nur noch als Mittel zum Zweck. Es gibt praktisch keine Zulassung, nur eine auf dem Papier, die aber keine Zulassung ist, sondern ein weiteres Geschäft mit der Gesundheit. Die hohe Politik spielt mit, da unsere Volksvertreter nach deren Amtsperiode nicht mehr das Volk, sondern diese Firmen per Beraterverträge vertreten wollen. Da muss man schon während seiner aktiven Zeit in der Politik in Vorleistung gehen und Wohlgefallen erzeugen. Dass diese Praxis Schrottprodukte erzeugt, kümmert niemanden, da die Betroffenen erst einmal die Beweislast auf sich nehmen müssen. Der Rest ist Management der notwendigerweise auftretenden Schäden. Damit wären Die besten Medikamente zum Krankwerden um eine weitere Dimension in der Schulmedizin erweitert.
Fazit des Fazits
Medizinprodukte, ihre Qualität und der Umgang mit den Mängeln sind für die Schulmedizin weitestgehend kein Problem. Aber ein Medizinprodukt mit einem CE-Zertifikat aus Osteuropa auszuzeichnen für 3000 Euro ist kein Problem und gilt als anerkannte Zulassung. Gleiches für ein Naturprodukt gilt als nicht evidenzbasiert – wenn es diese Möglichkeit gäbe. Im Gegenteil, für solche Produkte, die es schon seit Jahrtausenden in der Natur gibt, erwartet jeder Betonkopf, dass hier das Rad aufs Neue erfunden wird. Für wie blöd werden wir eigentlich gehalten?
Dass es neben den Medizinprodukten auch in der Chirurgie selber toll zuzugehen scheint, das können Sie hier nachlesen:
- Kostenexplosion durch zu viele Hüft- und Knieprothesen
- Operation gegen Migräne?
- Kniegelenkspiegelung – eine unnötige Operation?
- Künstliche Hüftgelenke – Bumerang für die Prostata
Dieser Beitrag Medizinprodukte – Evidenzbasierte Katastrophen der Schulmedizin? wurde erstmalig von Heilpraktiker René Gräber auf NaturHeilt.com Blog veröffentlicht.