Zivilisationskrankheit Allergie: Mehr Städter, mehr Pollen, mehr Heuschnupfen

Raps kann ebenfalls Allergien auslösen

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Im Frühling blüht die Pflanzenwelt auf, der Sommer ist die Zeit der Gräser – zum Leidwesen der Allergiker. Die waren allerdings einmal eine Rarität: Zwar ist in Überlieferungen aus dem Mittelalter bereits die Rede von „Rosenschnupfen“, der in der Nähe blühender Rosen auftritt. Doch das war damals noch ein seltenes Phänomen. Selbst noch kurz nach der Wende im Jahr 1990 galten in Westdeutschland lediglich fünf bis acht Prozent der Bevölkerung als Allergiker. In den neuen Bundesländern waren es sogar nur halb so viel. Heute leiden in Europa Schätzungen zufolge dreißig Prozent der Menschen unter Allergien, der Osten Deutschlands hat den Westen eingeholt. Jeder vierte Deutsche ist von Heuschnupfen betroffen.

Allergien breiten sich mit den Metropolen aus

Die Statistik zeichnet ein klares Bild: Allergien treten vor allem in Industriestaaten auf, in Städten häufiger als auf dem Land und sie nehmen weiter zu. Warum genau die Allergien sich derart ausbreiten, lässt sich nicht sicher sagen. Eine Rolle spielen vermutlich Abgase aus Straßenverkehr und Industrie – die Umweltgifte lassen die Pollen der Pflanzen aggressiver werden. Das erhöht die Chance, dass diese bei Menschen das Immunsystem durcheinander bringen und eine Allergie auslösen: Der Körper hält den harmlosen Blütenstaub für einen gefährlichen Fremdkörper und setzt eine Abwehrreaktion in Gang.
Ab dann rufen die betreffenden „Allergene“ immer wieder die Reaktion hervor, wenn sie etwa auf die Augen oder auf Schleimhäute in Hals und Nase treffen. Eltern können den Heuschnupfen – oder genauer, die Neigung dazu – sogar an ihre Kinder weitergeben. Die Sprösslinge starker Allergiker haben Studien zufolge ein um 60 bis 80 Prozent erhöhtes Risiko, selbst Allergien zu entwickeln.

Hygiene-Hypothese: Landkinder haben selten Heuschnupfen

Die Schadstoffe in der Luft schwächen wahrscheinlich zusätzlich die Immunabwehr, gemeinsam mit anderen Faktoren wie Zigarettenrauch oder Zusatzstoffen in der Nahrung. Das könnte ebenso zu den steigenden Zahlen der Allergiker beitragen – und würde, zu einem Teil, erklären, warum auch immer mehr Menschen auf bestimmte Lebensmittel und Tierhaare allergisch reagieren. Mit den Pollen selbst kommen Kinder, die in der Stadt groß werden, seltener in Berührung. Der „Hygiene-Hypothese“ zufolge fehlt dem Immunsystem der Städter die Gewöhnung an die Pflanzenwelt, weswegen sie anfälliger

Klimawandel fördert Pollenflug

Doch auch die Flora selbst verändert sich zu Ungunsten der Allergiker. Der Klimawandel bringt mildere, kürzere Winter mit sich, die Folge: Viele Pflanzen blühen früher und länger, die Pollenflugzeiten dehnen sich aus und damit auch die Anzahl der Pollen. Außerdem erlaubt das wärmere Klima einigen Pflanzen, sich in neue Gebiete auszubreiten – so kommen zu den alten noch neue Pollen hinzu, die allergische Reaktionen auslösen können.

Das Unkraut Ambrosia artemisiifolia

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Ambrosia: Aggressiver Allergie-Auslöser breitet sich aus

Ein in den letzten Jahren viel diskutiertes Beispiel dafür ist das Beifußblättrige Traubenkraut, auch Beifuß-Ambrosia oder einfach Ambrosia genannt. Das unscheinbare Unkraut wanderte im 19. Jahrhundert aus Nordamerika nach Europa ein. Im Mittelmeerraum und in Südosteuropa hat es bereits Fuß gefasst und breitet sich seit einigen Jahren, unterstützt vom Klimawandel, immer schneller auch in Richtung Norden aus. Höhere Temperaturen und mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre schaffen günstige Bedingungen für die Pflanze, sie kann über einen längeren Zeitraum mehr Pollen abgeben. Das Tückische: Ambrosia löst auf ungewöhnlich aggressive Art und Weise Allergien aus.

Den Blütenstaub draußen lassen

Wer auf Ambrosia, Gräser, Bäume und Getreide mit geröteten Augen, Niesen und Atemnot reagiert, kann versuchen, den Auslösern aus dem Weg zu gehen. Vor allem sollten Pollen nicht in die eigenen vier Wände gelangen. Das passiert schnell über Haare, Kleidung oder durch das geöffnete Fenster. Starke Allergiker sollten sich, wenn sie nach Hause kommen, also sofort die Haare waschen und die draußen getragene Kleidung im Freien aufhängen. Das wichtigste dabei ist, den Blütenstaub aus dem Schlafzimmer fernzuhalten.

Gelegenheit zum relativ gefahrlosen Lüften bietet sich, wenn es gerade windstill ist. Regen bedeutet dagegen nicht unbedingt eine Erleichterung: Während und kurz nach eines Schauers konzentrieren sich die Pollen in den unteren Luftschichten, was die Belastung sogar erhöht. Wer nach dem Regen eine halbe Stunde wartet, kann dann aber die richtige Zeit für einen Allergiker-freundlichen Spaziergang abpassen. Eine längere Auszeit ist in Gegenden möglich, in denen der Pollenflug geringer ausfällt: Küsten, Inseln und Berge. Und so schnell tragen selbst Klimawandel und Abgase die Blütenstaub-Belastung hoffentlich nicht in die klare Luft von Gebirgskamm und Wattenmeer.