HIV-Tests für zu Hause

Noch sind sie hierzulande nicht erhältlich, aber HIV-Heim- und Einsendetests könnten künftig auch in Deutschland zum Einsatz kommen. DAH-Medizinreferent Armin Schafberger stellt die beiden Testverfahren vor.

In diesem Frühjahr hat Großbritannien als erstes EU-Land einen HIV-Heimtest mit CE-Zeichen zugelassen. Damit ist der Weg auch für die Verfügbarkeit in Deutschland vorgezeichnet.

Erste Erfahrungen hat man in einigen Ländern ebenfalls schon mit HIV-Einsendetests gemacht: Bei diesen erfolgt die Probengewinnung (wie beim Heimtest) zu Hause – die Analyse mit konventionellen Testverfahren allerdings im Labor. Das Ergebnis wird den Anwendern per SMS, Telefon oder auf einer Webseite mitgeteilt. HIV-Heimtests hingegen werden ganz ohne ärztliches Zutun durchgeführt.

HIV-Heimtests

HIV-Heimtests werden in der Apotheke oder Drogerie gekauft und von den Klienten selbst angewendet und abgelesen (siehe unten, Tabelle 1). Im Internet gibt es seit Jahren nichtzertifizierte „Heimtests“ zu kaufen. Geprüfte und zugelassene Produkte hingegen sind rar.

In den USA wurde im Juli 2012 mit dem OraQuick® In-Home HIV Test der erste HIV-Test für den Hausgebrauch zugelassen. Seit Ende April dieses Jahres ist in Großbritannien ein Testset mit CE-Kennzeichnung der Firma BioSure für Laien in Apotheken erhältlich. In Frankreich soll nach Aussage der Ministerin Marisol Touraine noch in diesem Jahr ein Heimtest auf den Markt kommen.

Durchführung und Sicherheit von HIV-Heimtests

Der OraQuick-Heimtest der Firma OraSure entspricht dem in den USA und der EU für die Anwendung im Gesundheitswesen zugelassenen OraQuick ADVANCE® HIV-1/2-Antikörper-Schnelltest. Für die Anwendung durch Laien zu Hause ist allerdings eine ausführlichere Anleitung bzw. Erläuterung in der Packungsbeilage erforderlich – und damit eine separate Zulassung.

Der OraQuick-Test kann von Fachpersonal im Gesundheitswesen mit Mundflüssigkeit, mit Serum oder Kapillarblut (aus der Fingerbeere) durchgeführt werden. In der Anwendung als Heimtest wird in der Regel Mundflüssigkeit verwendet – was Auswirkungen auf die Sensitivität hat: Von Fachleuten angewendet erreicht der Test von OraSure mit Blut eine Sensitivität von 99,68 %, mit Mundflüssigkeit 98,3 % [1]. Deutlich geringer wird die Sensitivität, wenn die Tests von Laien durchgeführt werden – dann wird nur eine Sensitivität von 92,9 % erreicht [2].

Der Heimtest zeigt mit Mundflüssigkeit somit bei jeder 14. positiven Probe ein falsch negatives Ergebnis. Anwendungsfehler, aber auch Trinken, Essen oder Rauchen vor der Probengewinnung mindern die Sensitivität. Zudem scheint beim OraQuick-Test mit Mundflüssigkeit das diagnostische Fenster manches Mal extrem lang zu sein. In drei Studien zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) wurde dieser Test eingesetzt: 81 von 290 HIV-positiven Teilnehmern hatten im Verlauf der Studie mindestens ein falsch negatives Testergebnis. In einigen Fällen wurde ein diagnostisches Fenster von bis zu 547 Tagen errechnet [3].

Grundsätzlich erreichen Schnelltests mit Kapillarblut eine höhere Sensitivität (>99 %) als Schnelltests mit Mundflüssigkeit, allerdings musste man dafür bisher eine genau definierte Menge Kapillarblut gewinnen. Für Laien stellt das eine hohe Hürde dar. Bei dem in Großbritannien erhältlichen Heimtest mit CE-Zeichen soll das nun leichter sein: Ein Tropfen Blut reicht aus – vor allem aber wird das Blut vom Teströhrchen direkt aufgenommen, und der fehleranfällige Umweg über ein Kapillarröhrchen entfällt [4].

Rechtliche Situation

In Großbritannien ist der Verkauf von Heimtests schon seit April 2014 prinzipiell erlaubt, allerdings gab es bis April 2015 kein Produkt mit CE-Kennzeichnung.

In Deutschland ist der Vertrieb von HIV-Tests seit 2009 durch §11 (3a) Medizinproduktegesetz grundsätzlich eingeschränkt: Laien können keine HIV-Tests erwerben. Durch die Zulassung eines Heimtests mit CE-Kennzeichnung in Großbritannien ist zu erwarten, dass die EU-Kommission mit Blick auf den freien Warenverkehr in der EU eine Änderung des Medizinproduktegesetzes einfordern wird und HIV-Heimtests auch hier erhältlich sein werden [5].

Chancen und Risiken von HIV-Heimtests

Mit Heimtests sollen Personen erreicht werden, die einen Test im Gesundheitswesen meiden, weil sie fürchten, durch eine HIV-Infektion stigmatisiert zu werden. Zudem hofft man, dass Personen mit höherem Risiko mithilfe dieses Angebots häufiger einen HIV-Test machen. Der Beweis dafür ist bislang allerdings noch nicht erbracht. In den USA fand man ein Jahr nach Einführung in nur 24 % der Apotheken in Hochprävalenzregionen und 30 % der Apotheken in Niedrigprävalenzregionen Heimtests im Angebot. Die Testkits waren oft nur unter der Ladentheke erhältlich – die Angst vor Stigmatisierung setzt sich also bis in die Apotheken fort [6].

Der OraQuick-Test kostet in den USA etwa 40 Dollar, für den Heimtest in Frankreich ist ein Preis von 25 Euro geplant. Bei diesen Preisen ist fraglich, ob Personen, die bislang durch Testprojekte und das Gesundheitswesen nicht erreicht wurden, tatsächlich zum Test für den Hausgebrauch greifen. Da die Heimtests noch das Manko der geringeren Sensitivität haben – vor allem die Tests mit Mundflüssigkeit –, bekommt man als Heimtest-Nutzerin oder -Nutzer für viel Geld eine schlechtere Qualität als bei einem Labor-Test im Gesundheitswesen. Zudem findet keine Beratung statt, und es bleibt offen, ob und in welchem Umfang bei einem positiven Testergebnis der Zugang zur Therapie gelingt.

HIV-Einsendetests

Im Gegensatz zu den Heimtests erfolgt bei HIV-Einsendetests (Home-Collection-Tests) nur die Probengewinnung (Mundflüssigkeit oder Kapillarblut) durch den Anwender selbst. Das Probenröhrchen wird anschließend ins Labor geschickt und die Ergebnisbestimmung dort mit konventionellen Tests (z. B. ELISA) durchgeführt (Tabelle 1).

Home-Collection-Tests mit Dried Blood Spots (getrockneten Blutstropfen, d. Red.) haben sich schon in epidemiologischen Studien bewährt: Bei solchen Tests wird ein Tropfen Kapillarblut auf ein Filterpapier gegeben und ins Labor geschickt. Dort erfolgt die Untersuchung auf Antikörper oder Antigen bzw. Nukleinsäure mithilfe von konventionellen Tests. Im Hinblick auf Informationen stellen epidemiologische Studien jedoch in der Regel eine Einbahnstraße dar: der Proband erfährt die Diagnose nicht.

Bei Einsendetests zur Diagnostik wird das Ergebnis allerdings mitgeteilt. In den USA wurden diese bereits in den Neunzigerjahren angeboten, hatten sich dort aber aufgrund des komplizierten Registrierungsverfahrens nicht durchsetzen können [7]. In Europa hat man in Großbritannien und Belgien Erfahrungen mit Einsendetests gemacht, eine europaweite Studie ist in Planung.

Erste Erfahrungen in Europa

In Großbritannien hat der Terrence Higgins Trust von Januar bis November 2013 in einem Modellversuch HIV-Einsendetests angeboten. Knapp 10.000 Menschen forderten ein Testkit an, das per Post verschickt wurde. 64 % sendeten eine Probe ein, davon waren 73 % MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) und 4,4 % afrikanischer Herkunft. Ergebnis: 105 Proben wurden HIV-positiv getestet, das entspricht 1,7 % (MSM 1,8 %, Menschen afrikanischer Herkunft 3,6 %). Negative Testergebnisse wurden per SMS mitgeteilt, reaktive HIV-Tests per Telefonanruf. Somit war gewährleistet, dass eine Beratung und Weiterleitung zur Bestätigungsdiagnostik erfolgen kann.

Elf der 105 positiv Getesteten wussten bereits, dass sie HIV-positiv sind – sie nutzten das Angebot zur Bestätigung. Ein Drittel der Klienten hatte sich vorher noch nie testen lassen [8, 9]. Man hatte also mit der Methode „Neukunden“ gewonnen. Auch der Anteil der positiven Proben von 1,7 % ist im Vergleich zu positiven Tests in Krankenhäusern und Testprojekten hoch. Derzeit wird der Einsendetest nur noch in Schottland und den beiden Londoner Stadtteilen Barnet und Harrow angeboten.

Für MSM startet derzeit ein EU-Projekt zur Erprobung von HIV-Einsendetests [10]: EURO HIV EDAT – eine Weiterentwicklung des belgischen Testprojekts „swab2know“ (www.swab2know.be). Probenmaterial ist hierbei nicht Blut, sondern ein Abstrich von der Mundschleimhaut.

Da die Probe in diesem Fall nicht zu Hause per Heimtest, sondern in einem Labor analysiert wird, ist die Sensitivität höher – in einer Studie mit 325 Probanden (davon 91 HIV-positiv) lag diese bei annähernd 100 %. Die Proben sind auch nach 7 Tagen (Postversand) noch ohne signifikante Einschränkungen auswertbar. Zudem sind die Einsendetests, die mit dem konventionellen ELISA-Test analysiert werden, weniger anfällig für Störungen (Essen, Trinken) als ein Heimtest mit Mundflüssigkeit [11]. Neben Spanien, Belgien, Dänemark, Portugal und Rumänien ist mit der Aidshilfe Nordrhein-Westfalen auch Deutschland bei diesem Testprojekt vertreten.

Rechtliche Situation

Einsendetests stellen im Gegensatz zu HIV-Heimtests medizinrechtlich eine größere Herausforderung dar. Beim Heimtest führt der Klient alle Schritte selbst durch, was rechtlich gesehen unproblematisch ist. Sobald aber – wie beim Einsendetest – weitere Personen im Spiel sind, greifen gesetzliche Regelungen: Nach §24 Infektionsschutzgesetz ist die Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten nur Ärzten gestattet. Als „Behandlung“ gilt auch der „direkte und indirekte Nachweis eines Krankheitserregers für die Feststellung einer Infektion oder übertragbaren Krankheit“ – also die Diagnostik.

Im Labor haben Ärzte die Aufsicht über die Diagnostik – so weit, so gut. Aber wie wird die „informierte Einwilligung“ hergestellt? Ausgehend von der Auffassung des Reichsgerichtshofs von 1894 und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt ein ärztlicher Eingriff – dazu gehört auch die Diagnostik – ohne Einwilligung eine Körperverletzung dar [12]. Daher muss vor dem Eingriff aufgeklärt werden. Eine schriftliche Information, wie sie in der Testphase in Großbritannien dem Testkit beigelegt wurde, reicht im Allgemeinen nicht aus [13, 14]. Eine rechtlich unproblematische Lösung wäre, Klienten in Testprojekten persönlich aufzuklären und dann ein paar Einsendetests für die nächsten Monate oder Jahre mitzugeben.

Chancen und Risiken von HIV-Einsendetests

Einsendetests stellen eine niedrigschwellige Variante für Personen dar, die regelmäßig einen HIV-Test benötigen. Für künftige HIV-PrEP-Anwender könnten Einsendetests attraktiv sein, denn während der PrEP sollte alle drei Monate ein HIV-Test durchgeführt werden. Missbrauch im Sinne von (heimlicher) Testung anderer Personen ist auch bei Einsendetests möglich – wenn die Teströhrchen erst nach Beratung und Aufklärung abgegeben werden, kann dieses Risiko aber minimiert werden. Bei der Ergebnismitteilung besteht im Gegensatz zum Heimtest die Möglichkeit der (telefonischen) Beratung und der Einbindung des HIV-positiv Getesteten in die weiterführende Diagnostik bzw. Therapie.

 

Heimtests Einsendetests
Erwerb Kauf in der Apotheke Verteilung in Testprojekten/Studien oder Zusendung per Post
Probengewinnung durch Klient/in zu Hause durch Klient/in zu Hause
Durchführung/Interpretation
durch Klient/in zu Hause im Labor
Ergebnismitteilung nicht erforderlich über SMS, Telefon, Webseite
Bestätigungsdiagnostik
fehlt fehlt
Beratung und Weiterleitung in Behandlung
nicht möglich eingeschränkt möglich
Anonymität gewährleistet eingeschränkt gewährleistet
Rechtliche Situation Vertrieb in Deutschland derzeit (noch) durch das Medizinproduktegesetz (§ 11, 3a) untersagt Einwilligung nach Aufklärung muss sichergestellt werden

Tabelle 1: HIV-Heimtests und -Einsendetests im Vergleich

Quellen

[1] Pant Pai N, Balram B, Shivkumar S et al.: Headto-head comparison of accuracy of a rapid pointof-care HIV test with oral versus whole-blood specimens: a systematic review and meta-analysis. Lancet Infect Dis. 2012 May; 12:373-80.

[2] OraSure Technologies: Final Advisory Committee Briefing Materials, Available for Public Release. OraQuick® In-Home HIV Test. May 15, 2012.

[3] Curlin et al.: Analysis of false negative HIV tests based on oral fluid in three clinical trials. CROI Poster 635, 2015; Seattle.

[4] Biosure: Anleitung zur Durchführung des Heimtests http://hivselftest.co.uk/

[5] Europäische Union: Der freie Warenverkehr. 2010; ISBN 978-92-79-13475-3.

[6] Wood BR, Ballenger C, Stekler JD: Arguments for and against HIV self-testing. HIV AIDS (Auckl). 2014; 6:117-26.

[7] Ibitoye M, Frasca T, Giguere R et al.: Home Testing Past, Present and Future: Lessons Learned and Implications for HIV Home Tests (A Review). AIDS Behav. 2014; 18:933-49.

[8] Terrence Higgins Trust (THT): Postal HIV testing scheme receives over 3,000 orders in one weekend. Pressemitteilung vom 3. April 2014. www.tht.org.uk

[9] Terrence Higgins Trust (THT): HIV self-testing. Last review date 24.04.2015, online abgerufen am 10.06.2015. www.tht.org.uk

[10] EURO HIV EDAT: Online communication and counseling for oral fluid tests to diagnose HIV infection: EURO HIV EDAT Study. 15. October 2014.

[11] Fransen K, Vermoesen T, Beelaert G et al.: Using conventional HIV tests on oral fluid. J Virol Methods. 2013 Dec; 194:46-51.

[12] Parzeller M, Wenk M, Zedler B et al.: Aufklärung und Einwilligung bei ärztlichen Eingriffen. Dtsch Arztebl 2007; 104(9):A-576/B-507/ C-488.

[13] Teubel A: Aufklären – aber richtig. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung und ihre Bedeutung im Arzthaftungsprozess. Dtsch Arztebl 2010; 107(19):A-951/B-831/C-819.

[14] Kassenärztliche Bundesvereinigung – Bekanntmachungen – Persönliche Leistungserbringung: Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen. Stand: 29. August 2008. Dtsch Ärztebl 2008; 105:A-2173/B-1865/C-1817.