Lieber Kollege Hauch …

… vielen Dank für dieses Buch.

Es wäre einfach zu schreiben, Sie haben genau das Buch geschrieben, das wir Kinderärzte im stillen Kämmerlein alle einmal schreiben wollten, aber, beim Heiligen “Laurence-Moon-Bardet-Biedl”: Es ist die Wahrheit.

Sie formulieren exakt die Erfahrungen in der Kinderarztpraxis, die Fallbeispiele, die Vorgänge in den Elternhäusern, den Kindergärten, den Grundschulen, bei Therapeuten, den Zeitgeist. Sie beschreiben, wie unsere Kinder und ihre Eltern ab Geburt unter ständigem Leistungsdruck stehen, wie jeder von ihnen stets nur Erfolge und Funktionieren erwarten und wie alle nur nach den Defiziten stieren. Sie beschreiben die Veränderungen in der Arztpraxis der letzten Jahre, weg von den Kinderkrankheiten, hin zu den sozialpädiatrischen Problemen, wir lesen von den Schwierigkeiten, die gerade Jungen haben, von den Tests, den Beobachtungen, die über die Kinder hineinbrechen, über die Meilensteine der Entwicklung, die eigentlich keine sind und über die Unfähigkeit aller Beteiligten, damit umzugehen.

Die Kapitelüberschriften (eine Auswahl) illustrieren den Rundumschlag Ihres Buches: “Von Masern zu Neuen Morbidiäten/Warum es schwerer geworden ist, Eltern zu sein/Das muss Ihr Kind können – muss es wirklich?/ADHS ist Dimensions- und Definitionssache/Warum es so schwer ist, nein zu Therapien zu sagen” usw. usf. Ein wenig Redundanz muß bei einer Empörungsschrift, wie Sie sie geschrieben haben, sein, denn man kann es nicht oft wiederholen: Therapien schaden. Sie zitieren Largo, Renz-Polster, Juul und Schlack, alles ehrenwerte Brüder im Geiste, die unsere Kinder so sehen, wie sie sind, nämlich – (CAVE: Banalität!) – Kinder und keine Versuchsobjekte von Erzieherinnen, Therapeuten oder, ja Eltern.

Ich rechne Ihnen hoch an, dass die Eltern so gut wegkommen, da greife ich mir an die eigene Nase, so gut gelingt mir das in meinem Buch und Blog nicht, zu sehr musste ich da ventilieren. Die Eltern können auch gar nicht anders – der Instinkt, die Natürlichkeit und Gelassenheit im Umgang mit den Kindern muß in der heutigen Zeit auf der Strecke bleiben. Zuviel “es muß”, “es soll”, “es wird erwartet” und “wenn nicht jetzt, dann…” vernebelt ihnen den Blick auf den spontanen Entwicklungsweg jedes einzelnen Kindes.

“Kinder haben ein Recht darauf, nicht ständig ans Morgen zu denken. Kindheit ist nicht die kurze Zeitspanne, in der der Mensch optimiert werden muss um das Rattenrennen um die besten Jobs und die besten Plätze in der Gesellschaft, Kindheit ist keine Krankheit, sondern Lebenszeit. Die wichtigste!”

Ich werde einen Karton mit fünfzig Exemplaren Ihres Buches ordern, um es jedem Kindergarten der Umgebung zu schenken und jedem mit überflüssigen Anfragen nach Therapien als Antwort zu schicken.

Kindheit ist keine Krankheit: Wie wir unsere Kinder mit Tests und Therapien zu Patienten machen von Michael Hauch, Regine Hauch – FISCHER Taschenbuch ISBN-10: 359603230X

“Lasst die Kinder in Ruhe!”, Michael Hauchs Artikel in der FAZ vom Februar letzten Jahres, der zu diesem Buch führte.

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