Digitalisierung und Gesundheitswesen waren in Deutschland lange zwei Begriffe, die einfach nicht zusammenpassen wollten: Andere OECD-Staaten sind uns in dieser Hinsicht meilenweit voraus. Der obligatorische Schluss war bislang, dass die deutschen Ärzte zu konservativ seien. Doch die Zeiten haben sich geändert: Die gerade erschienene Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2015“ mit dem Schwerpunkt eHealth zeigt, dass diese mittlerweile durchaus offen für digitale Innovationen sind.
Besonders gut lässt sich dies am Beispiel therapieunterstützender Apps ablesen: Fast jeder zweite Arzt geht davon aus, dass die kleinen Dienstprogramme für Smartphones und Tablets in die Leitlinien aufgenommen und damit künftig zum medizinischen Standard zählen werden – eine beachtliche Veränderung, denn noch im Vorjahr konnten sich mehr als zwei Drittel der Ärzte noch gar nicht vorstellen, dass Apps überhaupt den Gesundheitszustand von Patienten überwachen oder sich in dieser Funktion durchsetzen könnten. Ein weiteres Beispiel sind neue Kommunikationsformen: Zwei Drittel der Ärzte können sich Videokonsile mit Kollegen gut vorstellen oder nutzen diese bereits. Auch die Videokommunikation mit Pflegediensten ist für einen großen Teil der Ärzte eine denkbare Option. Und immerhin ein Drittel kann sich dies sogar mit Patienten vorstellen.
Bei aller Offenheit für die neuen Möglichkeiten handeln die Ärzte aber keineswegs leichtfertig oder unreflektiert. Die Studienergebnisse zeigen, dass sie insbesondere bei der Übertragung und Nutzung von Patientendaten Vorsicht walten lassen. Das ist auch gut so, denn Patientendaten sind ein hochsensibles Gut, das unbedingt vor unbefugten Zugriffen geschützt werden muss – auch und gerade im digitalen Bereich. Wer hier restriktiv handelt, zeigt damit keine mangelnde Innovationsbereitschaft, sondern vielmehr ein hohes Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber den Patienten.
Von Konservativismus bei Ärzten selbst kann also keine Rede mehr sein. Wenn sich die Situation im deutschen Gesundheitswesen nun dennoch nicht ändern sollte, dürfte das vor allem an der Einstellung einiger Körperschaften und Interessenverbände liegen, die sich gegen den Wandel der Zeit sträuben. Politiker, die etwas bewirken möchten, sollten dies berücksichtigen, damit sie bei Reformen an der richtigen Stelle ansetzen.
Für die Studienreihe „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“ befragt die Stiftung Gesundheit seit 2005 jedes Jahr niedergelassene Ärzte in Deutschland sowohl zu wiederkehrenden als auch aktuellen Themen.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie finden Sie hier: https://www.stiftung-gesundheit.de/pdf/studien/Aerzte_im_Zukunftsmarkt_Gesundheit-2015_eHealth-Studie.pdf