Escitalopram

Cipralex

Bild: Cipralex brand escitaloprampackage and sheet of pills |Source=Own photo |Date=07-01-15 |Author=Jyri Lehtinen aka. Oghmoir |Permission=Own. {{cc-by-sa}} {{cc-by-sa-2.5}} {{GFDL}}

Geschichte

1989 patentierte Lundbeck das Citalopram, das seither in vielen Ländern zum mit Abstand häufigst verordneten Antidepressivum geworden ist, darunter auch Deutschland. Nachdem das Patent für Citalopram ausgelaufen war, patentierte Lundbeck das S-Enantiomer des Citaloprams, das Escitalopram (siehe Kapitel Pharmakologie). Inzwischen ist auch dieses patentfrei. Escitalopram wird zu einem nur noch geringfügig höheren Preis vertrieben als Citalopram, so dass in letzter Zeit zunehmend viele Ärzte in ihrem Verschreibungsverhalten Citalopram durch das möglicherweise besser verträgliche Escitalopram ersetzen.

Pharmakologie

Citalopram besteht aus zwei Enantiomeren. Enantiomere verhalten sich wie die linke Hand zur rechten Hand. Leg einmal deine linke Hand auf deine rechte Hand, so dass die Finger übereinander liegen. Du siehst, dass sie nicht deckungsgleich sind. Der Daumen der linken Hand liegt über dem kleinen Finger der rechten Hand und der kleine Finger der linken Hand liegt über dem Daumen der rechten Hand. Die beiden Hände sind nicht gleich. Sie sind nur spiegelbildlich. Genau so kommen die meisten Moleküle in der Natur vor. Häufig hat nur eine der beiden Varianten eine chemische Wirkung. Stellen dir einen Rezeptor diesbezüglich wie einen Handschuh vor. In einen linken Handschuh passt auch nur eine linke Hand. Genau so verhält es sich mit den beiden Molekülen, die im Citalopram enthalten sind. Citalopram ist eine Mischung aus gleichen Teilen S-(+)-citalopram und R-(-)-citalopram. Das wirksame Enantiomer ist das S-(+)-citalopram, getauft auf den handlicheren Namen Escitalopram. Nur dieses entfaltet die gewünschten Wirkungen (Zitiert aus: Dreher, J. (2014). Psychopharmakotherapie griffbereit. Schattauer Verlag.)

In 20 mg Citalopram sind 10 mg S-Citalopram (=Escitalopram) und 10 mg des wirkungslosen R-Citalopram enthalten. Aus diesem Grunde entsprechen 20 mg Citalopram immer 10 mg Escitalopram.

Klinischer Einsatz

Citalopram hat in den letzten Jahren ein breites Anwendungsgebiet in der Therapie von Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen und somatoformen Störungen erobert. Es ist in aller Regel gut verträglich und stark wirksam. In den letzten Jahren ist allerdings die Erkenntnis hinzugekommen, dass Citalopram, vor allem in höheren Dosierungen, zu einer Verlängerung der QTc-Zeit führen kann, was im Einzelfall zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Daher findet sich in der Fachinformation zu Citalopram eine Begrenzung der Höchstdosis und die Empfehlung von regelmäßigen EKG-Kontrollen.

Eine Zeit lang galt Escitalopram in dieser Hinsicht als verträglicher, was darauf zurück geführt wurde, dass R-Enantiomer des Citaloprams im Escitalopram ja eben nicht enthalten ist. Es ist aber unklar, ob nur das S-Citalopram Nebenwirkungen verursacht, ob sowohl das S-Citalopram als auch das R-Citalopram zu gleichen Teilen Nebenwirkungen verursacht, oder ob sogar nur das R-Citalopram Nebenwirkungen verursacht.

In der Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Nebenwirkungen auf das R-Citalopram verursacht wird, verordneten daher zunehmend viele Ärzte Escitalopram anstelle des Citaloprams. Dieser Trend setzt sich fort, da inzwischen auch Escitalopram als Generikum verfügbar ist und die Preise sich daher denen des Citaloprams angleichen.

Inzwischen finden sich allerdings auch in der Fachinfo von Escitalopram die gleichen Warnhinweise wie in der für Citalopram, namentlich wird dort auch erwähnt, dass Escitalopram eine dosisabhängige Verlängerung des QTc-Intervalls verursachen kann.

Preise

100 Tabletten Citalopram 20 mg kosten gegenwärtig etwa 17 €. 100 Tabletten Escitalopram 10 mg (die gleich wirkstark sind, sie Kapitel Pharmakologie), kosten etwa 23 €.

Dosierung

Escitalopram wird immer in der halben Dosis des Citaloprams verordnet, 10 mg Escitalopram entsprechen 20 mg Citalopram.

Man verordnet bei Patienten bis zum 65. Lebensjahr 10-20 mg Escitalopram, bei Patienten ab dem 66. Lebensjahr 5-10 mg Escitalopram.

Nebenwirkungen

Escitalopram kann wie alle SSRI zu Übelkeit und gastrointestinalen Beschwerden führen. Auch können Unruhezustände mit Symptomen wie Nervosität, Zittern und Unrast auftreten. Oft gehen diese Nebenwirkungen nach einigen Tagen der Behandlung wieder weg.

Wie bei allen SSRI kann es nach dem Absetzen des Medikamentes – vor allem nach plötzlichem Absetzen – zu unangenehmen Absetzerscheinungen kommen. Diese äußern sich häufig in sogenannten „brain-zaps“, unangenehmen elektrisierenden Mißempfindungen vor allem am Kopf, aber auch Schwindel, Schlaflosigkeit, Schwitzen, Unruhe und anderen Symptomen. Diese klingen in der Regel etwa zwei Wochen nach dem Absetzen des Präparates ab, können im Einzelfall aber auch länger anhalten.

Mein persönliches Fazit

Ich selbst vermute, dass die Nebenwirkungen des Citaloprams, insbesondere die dosisabhängige QTc-Zeit-Verlängerung, vom wirksamen Enantiomer des Citaloprams, dem Escitalopram verursacht werden. Anhand einer Untersuchung nachweisen kann ich das aber nicht. Insofern ergibt sich kein wesentlicher Vorteil von Escitalopram. Die Preise haben sich aber inzwischen sehr weit angenähert, 100 Tabletten Escitalopram 10 mg kosten nur noch 6 € mehr als 100 Tabletten Citalopram 20 mg. Der bisher relevante wesentliche Nachteil des Escitaloprams ist damit weitgehend weggefallen.

Es bleibt aber ein Vorteil des Escitaloprams bestehen: Wenn man halb so viele potentiell nebenwirkungsreiche Moleküle eines Medikamentes geben kann, ist dies einfach besser, als wenn man doppelt so viele Moleküle gibt. Man soll, wenn man medikamentös behandelt, so milde und so gezielt wie irgend möglich in den Transmitter-Stoffwechsel des Menschen eingreifen. Daher präferiere ich in letzter Zeit Escitalopram gegenüber Citalopram.

Eure Meinung

Wie geht ihr mit diesen beiden Substanzen um? Bevorzugt ihr weiterhin Citalopram? Wechselt ihr jetzt, wo der Preisunterschied geringer wird, auf Escitalopram? Wie seht ihr die Unterschiede zwischen den beiden Medikamenten? Schreibt eure Einschätzung in die Kommentare!

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