Definition
Die Trigeminusneuralgie geht mit einem paroxysmalen, blitzartig einschießenden und extrem heftigen Schmerz einher, der über Sekunden und selten länger (< 2 Minuten) anhält. Der elektrisierende und stechende Schmerz tritt im Versorgungsgebiet eines Astes oder mehrerer Äste des N. trigeminus auf. Die Schmerzattacken treten spontan oder Reiz-getriggert auf. Als mögliche Trigger kommen Kauen, Sprechen, Schlucken, Zähneputzen, Kälte, Nässe, Zugluft oder Berührungen im Versorgungsgebiet des N. trigeminus in Betracht.
Epidemiologie
Die Prävalenz beträgt 4,5 pro 100.000 Menschen.
Neurovegetative Ätiologie
Der Trigeminusneuralgie liegt eine Demyelinisierung und Degeneration des N. trigeminus zugrunde, deren primäre Ursache aus neuraltherapeutischer Sicht eine Störung der Mikrozirkulation ist.
Die normale Nervenfunktion des N. trigeminus ist an eine physiologische Blutzufuhr gebunden. Eine Störung der Perfusion des perinervalen Gefäßsystems induziert eine neuronale Funktionsstörung. Die perinervalen Gefäße werden dabei vom perivaskulären Sympathikus gesteuert. Eine pathologische Reizung des Sympathikus bewirkt eine Änderung des Blutstroms und damit der Mikrozirkulation. Diese Zusammenhänge (Relationen) werden ausführlich in der Relationspathologie Rickers beschrieben. Die mikroskopische Beobachtung des Gefäßsystems im Bereich der kapillaren Endstrecke in Abhängigkeit von Stärke und Länge der Sympathikusreizung veranlasste Ricker zur Formulierung seiner Stufengesetze, in denen er die Systematik der Reaktionen des zu versorgenden Gewebes beschreibt. Bedeutend sind in diesem Zusammenhang vor allem die 2. und 3. Stufe:
- In der 2. Stufe kommt es durch einen anhaltenden starken Reiz des Sympathikus zu einer Vasokonstriktion proximal der Reizungsstelle und zu einer Verlangsamung des Blutstroms in der kapillaren Endstrecke (Prästase).
- In der 3. Stufe kommt es schließlich zum kompletten Stillstand des arteriovenösen Blutstroms (Stase).
Durch die Minderperfusion (reduzierte Durchblutung) und Ischämie des zu ernährenden Gewebes, in diesem Fall des N. trigeminus und des Ganglion trigeminale (Ganglion Gasseri), kommt es zu einer Degeneration und Demyelinisierung des Nervs. Die wesentliche Ursache der Trigeminusneuralgie ist somit die Sympathikus induzierte neuronale Hypoxie.
Neuraltherapeutische Therapie
Die Ursache der Nervenreizung kann mithilfe der neuraltherapeutischen Behandlung behoben werden. Eine Unterbrechung der pathologischen Reizung des Sympathikus durch die neuraltherapeutische Intervention führt dabei zu einer Normalisierung der Perfusion und zur Regeneration des Gewebes.
Die neuraltherapeutische Vorgehensweise beruht auf den folgenden Prinzipien:
- Beseitigung der Zirkulationsstörung
- „Engrammierung“ des Sympathikus löschen
- „Reset“: Lokalanästhetika bewirken eine kurzzeitige Unterbrechung der Reizleitung und ermöglichen somit eine Neuorganisation des Systems
- „Input“ auf WDR-Neurone reduzieren
- „Neuroplastizität“ rückführen
- „neurogene“ Entzündung reduzieren
Prinzipiell besteht auch bei der Behandlung der Trigeminusneuralgie die übliche neuraltherapeutische Behandlungsabfolge:
- lokale Therapie
- Segmenttherapie
- Ganglientherapie
- Gefäßtherapie
- Therapie der Facettengelenke (kleine Wirbelgelenke)
- Triggerpunkttherapie
- Störfeldtherapie
Ganglieninjektionen und eine Störfeldtherapie sollten relativ rasch in die Therapie integriert werden.
Lokale Therapie
Dabei werden wiederholte Injektionen an die Nervenaustrittspunkte (NAP) der Endausläufer der betroffenen Hauptäste des N. trigeminus durchgeführt.
Segmentale Therapie
Ganglientherapie
Injektionen an die Ganglien sind eine wichtige übergeordnete Therapieoption, um die Sympathikus induzierte neuronale Hypoxie im betroffenen Segment beseitigen zu können.
Gefäßtherapie
Die arterielle Gefäßversorgung des Ganglion trigeminale (Ganglion Gasseri) erfolgt aus der A. carotis interna und der A. carotis externa, die in die A. maxillaris übergeht. Neuraltherapeutisch kommt es zu einer Umflutung des perivasalen Nervengeflechts der A. maxillaris in der Fossa pterygopalatina analog zur Injektionstechnik an das Ganglion pterygopalatinum.
Therapie der Facettengelenke
Die Ursprungskerne für die sympathische Versorgung des N. trigeminus liegen im Nucleus intermediolateralis von C8 bis Th5. Durch Injektion an die betroffenen Facettengelenke werden die Funktion des Segments und damit auch die Aktivität des Sympathikus normalisiert.
Triggerpunkttherapie
Triggerpunkte stellen eine wichtige Ursache für periphere Schmerzen dar. Um den nozizeptiven Input aus der Muskulatur zu reduzieren, sollte eine umfassende Triggerpunkttherapie – insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule und des Kopfes – erfolgen.
Störfeldtherapie
Die im Folgenden genannten Störfelder sollten bei der Behandlung Berücksichtigung finden:
Störfeld Zahn-Kiefer-Bereich
Die Therapie von Zahnstörfeldern ist oft der entscheidende Schritt zum Therapieerfolg bei der Trigeminusneuralgie. Die Zähne werden vom 2. und 3. Trigeminusast und vom Sympathikus versorgt. Hier gibt es eine Vielzahl von Reizungsmöglichkeiten, die lokal nicht selten symptomlos für den Patienten verlaufen.
Störfeld Nasennebennhöhlen (NNH)
Häufige Störfelder sind zudem chronische Sinusitiden. Auch hier besteht nicht selten ein für den Patienten im Bereich der Nasennebenhöhlen relativ symptomarmer Verlauf. Es muss eine intensive neuraltherapeutische Therapie über Injektionen an die oben genannten Nervenaustrittspunkte des N. trigeminus sowie an das Ganglion pterygopalatinum und an die A. maxillaris erfolgen.
In der Störfeldgenese verdienen die folgenden neuroanatomischen Verbindungen der Trigeminuskerne besondere Beachtung:
Störfeld Tonsillen
Die Tonsilla palatina und Tonsilla pharyngea liegen im Versorgungsbereich des Plexus pharyngeus. Dieser enthält symptomatische Afferenzen, aber auch solche des N. vagus und des N. glossopharyngeus. Diese Fasern enden im Nucleus tractus solitarii n. vagus (X) und Nucleus spinalis n. trigemini (V). Zwischen diesen beiden Kerngebieten bestehen multiple Verschaltungen. Narben an den Tonsillen kommen ebenfalls als Störfelder in Betracht.
Störfeld Abdomen
Afferenzen aus dem gesamten Versorgungsgebiet des N. vagus können Reizungen des N. trigeminus induzieren.
Störfeld kraniozervikaler Übergang
Der Nucleus spinalis n. trigemini (V) reicht bis in das obere Zervikalmark und endet etwa in Höhe von C3. Im oberen Zervikalmark kommt es im Hinterhorn zur Überlappung von trigeminalen und zervikalen Afferenzen und zur Konvergenz in WDR-Neuronen (zerviko-trigeminale Konvergenz). Durch Summation der dort eingehenden Impulse gelangen nozizeptive Afferenzen aus dem kraniozervikalen Übergang zum spinalen Trigeminuskern.
Störfelder aus dem Versorgungsgebiet der folgenden Hirnnerven:
Weitere Störfelder können die Schilddrüse, der gynäkologische Raum bzw. die Prostata sein.
Fazit
Die Neuraltherapie ist bei konsequenter Durchführung ein äußert erfolgreiches Therapieverfahren zur Behandlung der Trigeminusneuralgie. Erfolge werden auch bei langjährigen Beschwerden verzeichnet. Entscheidend für den Erfolg ist, dass die Ursache der Sympathikus induzierten Reizung des N. trigeminus behoben werden kann.
Literatur
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Speranski AD. Grundlage einer Theorie der Medizin. Berlin: Sänger; 1950
Weinschenk S. Handbuch Neuraltherapie, München: Elsevier; 2010
Dr. Bernd Belles D.O. (DAAO)
Vorstandsmitglied der Internationalen Ärztegesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke (IGNH)
Dr. Gerd Belles D.O. (DAAO)
Fachärzte für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Sportmedizin, Chirotherapie
Praxisschwerpunkt: Neuraltherapie nach Huneke – Osteopathie
Am Sauerborn 28
54317 Gusterath