SICHTWEISE – ein kunsttherapeutisches Projekt für Kinder und Jugendliche

Hilfeleistungen für Kinder mit einem Elternteil, der unerwartet durch Unfall oder Erkrankung eine gravierende Beeinträchtigung erleiden, gibt es wenige. Dabei ist aus entwicklungspsychologischer Sicht insbesondere durch eine solch plötzlich eintretende Behinderung von Vater oder Mutter das weitere gesunde Aufwachsen des Kindes stark beeinflusst: Denn nicht nur direkt Betroffene müssen selber mit den neuen Lebensumständen klar kommen, für das ganze Familiensystem ist die Situation Neuland.

Ein Kind ist mit einem Elternteil konfrontiert, das seine Rolle im Familiensystem neu definieren muss, die häusliche Aufgabenverteilung muss sich wieder gestalten sowie die Belastung aufgrund der Krise positiv verarbeitet werden. Aus der Resilienzforschung ist bekannt, dass Kinder, die in schwierigen familiären Situationen aufwachsen, gute Chancen auf eine gesunde Entwicklung haben, wenn sie entsprechende Unterstützung erhalten. Aus diesem Grund möchten wir ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Hilfs- und Unterstützungssystem für die betroffenen Familien schaffen.

Kunsttherapeutisches Projekt bietet Raum für Erfahrungsaustausch

Durch Fördermittel der Kämpgen-Stiftung und der RheinEnergieStiftung Familie konnte das Projekt „Sichtweise“ vom Verein Kunststück Familie in Zusammenarbeit mit dem Atelier artig in den Jahren 2013 – 2015 erfolgreich umgesetzt werden.

Bei den unterstützten Familien handelt es sich um Familien, die sich unabhängig vom Zeitpunkt des Unfalls oder der Erkrankung nach wie vor in einer akuten Krise befinden. Es konnte erreicht werden, dass sich die einzelnen Betroffenen nicht mehr als allein mit einer solchen schwierigen Lebenssituation belastet sehen, sondern durch den Austausch und die künstlerische Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen Schicksal Entlastung erfahren konnten.

Im regelmäßigen Treffen im Kunstatelier artig wurde den Kindern Raum für ihre Erfahrungen mit der neuen Familiensituation ermöglicht, Gedanken und Gefühle zur neuen Beziehungsgestaltung mit dem betroffenen Elternteil und der neuen Rollen- und Aufgabenverteilung innerhalb des Familiensystems konnten ausgedrückt werden. Im Austausch mit Anderen konnten individuelle Umgangsweisen erprobt werden und das Teilen der Situation mit anderen Betroffenen, Eltern und Kindern ermöglichte eine Perspektivenerweiterung für das gesamte Familiensystem.

Im Fokus dieser Projektarbeit standen in den ersten Jahren die Heranwachsenden, die im Sinne von präventiven und rehabilitativen kunsttherapeutischen Maßnahmen Unterstützung finden konnten. Daneben wurde eine über den unmittelbaren Teilnehmerkreis hinausgehende Netzwerkarbeit angeregt, indem ein Austausch mit unterschiedlichen Kliniken, Stiftungen, Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen usw. stattfand.

978-3-86739-156-6_cmykErgebnisse der Arbeit

Aus dieser Arbeit entwickelten sich zahlreiche Kunstwerke, wie ein Trickfilm (https://www.youtube.com/watch?v=YqGpYjNSxAM&feature=youtu.be) und das Kinderbuch „Papas Unfall“. Dieses Buch steht heute nach Überarbeitung der Sprache und Illustrationen für einen erweiterten Teilnehmerkreis im Alter von 4 bis 111 Jahren zur Verfügung und wurde von der Stiftung Gesundheit zertifiziert (https://www.stiftung-gesundheit.de/papas-unfall).

Das Buch erzählt in einer alltagsnahen Geschichte, welche Herausforderungen und Schwierigkeiten die plötzliche Behinderung oder zeitweise anhaltende Beeinträchtigung eines Elternteils für das System Familie darstellt. Es ermutigt auf einfühlsame Art und Weise betroffene Kinder, ihre Gefühle und Gedanken auszusprechen. Die liebenswerten, anschaulichen Illustrationen zeigen auf, wie mit der großen oft traumatischen Veränderung umgegangen werden kann und darf: Das eigene Leben ohne Schuldgefühle weiterleben und mit der Familie kleine Erfolge uns positive Veränderungen feiern!