Ein Gastbeitrag von Uwe Porwollik
Der elfte Gesundheitswirtschaftskongress in Hamburg (16.-17. September 2015) widmete in diesem Jahr gleich zwei Veranstaltungen der Frage, wie ein modernes Krankenhaus heutzutage im Web kommunizieren sollte.
Dabei wurden zwei Themenfelder aufgeworfen: Ist eine moderne Klinik ohne Social Media überhaupt noch denkbar und wie und warum spricht ein Krankenhaus eigentlich mit Bloggern? Das Interesse an den Veranstaltungen war ebenso groß, wie die Unsicherheit im Umgang mit der Materie.
Jeder Mensch, der zum ersten Mal in seinem Leben einen Post oder einen Tweet verfasst hat, kennt das mulmige Gefühl in der Magengrube, bevor er die erste Onlinenachricht mit seinen Verwandten und Bekannten teilt. Mach ich alles richtig? Wird jemand Anstoß nehmen? Muss ich dann darauf reagieren? Diese erste Hürde ist aber schnell überwunden und nach den ersten Interaktionen wird Social Media virtuos als Mittel der täglichen Kommunikation oder der positiven Selbstdarstellung genutzt. Deutsche Krankenhäuser befinden sich dieser Logik folgend in der Prä-Social-Media-Phase, denn die Onlinekommunikation von Krankenhäusern ist in einem desolaten Zustand. So wurde nicht ohne Grund die Frage gestellt, warum Entscheider durchaus Onlinepräsenzen, Bewertungsportale und Blogs studieren, bevor sie eine Urlaubsreise buchen oder den Nachwuchs in einer neuen Schule anmelden, die Online-Darstellung der eigenen Krankenhaus-Einrichtung aber vernachlässigen!
Dass die Vorteile, die eine integrierte, digitale Kommunikation bietet, durchaus auf die Gesundheitswirtschaft übertragen werden können, beweisen die Einrichtungen auf dem amerikanischen Markt. Eine eigens vorgenommene Onlinerecherche zeigt, dass von 50 Einrichtungen (471–2.259 Betten) nur zwei keine Facebook-Seite betreiben. Bei 50 vergleichbaren deutschen Einrichtungen schaffen es 26 Einrichtungen – mehr als die Hälfte – nicht. Da hilft es auch nicht, wenn im Fall der Charité Berlin über 5.000 Menschen einen inaktiven Facebook-Kanal „liken“ und damit aktiv Kommunikation einfordern. Die Charité schweigt! Während 3,4 Millionen Amerikaner den Posts ihrer favorisierten Einrichtungen folgen, sind es in Deutschland nur 54 Tausend Menschen. Im Gegenzug stehen 461 amerikanischen Posts pro Woche nur 78 deutsche gegenüber. Kurz: bereits an einem niederschwelligen und verhältnismäßig einfach zu bedienenden Kanal wie Facebook wird deutlich, wie eklatant der Rückstand der deutschen Krankenhäuser in puncto Onlinekommunikation ist. Sicherlich können beide Gesundheitssysteme in Deutschland und Amerika unterschiedlicher nicht sein. Das bringt uns aber in der Frage, warum die deutsche Klinik keinen Mehrwert darin sieht, online mit ihrem Patienten zu reden, nicht weiter.
Dr. Johannes Wimmer, Betreiber des Video-Blogs „Dr. Johannes“, äußerte in einem Randgespräch drei Tatbestände, die dafür verantwortlich seien, dass Ärzte und Krankenhausinstitutionen vor Social Media zurückschrecken: Zeitmangel, Angst vor Reputationsverlust und mögliche rechtliche Probleme. Wichtig sei zu verstehen, dass jeder einzelne Tatbestand für sich bereits ein K.o.-Kriterium darstelle. Dementsprechend war das Interesse auf dem Gesundheitswirtschaftskongress für ebendiese Themen besonders groß. Shitstorms, digitale Trolls, das Heilmittelwerbegesetz, Unterbesetzung, Bildrechte, bloggendes Krankenhauspersonal und Transparenz durch Digitalisierung sind nur einige Stichworte, die angefragt wurden. In der Realität beschäftigen diese Themen leider die Häuser am stärksten, die einen Vorwand suchen, um besser nicht online zu kommunizieren! Aber digitale Kommunikation findet immer statt, wenn nicht mit, dann über das Krankenhaus. Und wer keine Themen setzt und steuert, vergibt die Chance auf Einflussnahme, ob mit Hilfe von eigenen Beiträgen oder durch die systematische Etablierung von Blogger Relations.
Gesundheit gehört zu den am häufigsten gesuchten Themen im Internet und Krankenhäuser werden in Zukunft noch stärker in der Pflicht stehen, ihren Wissensvorsprung in Form von Content online zur Disposition zu stellen. Viele Einrichtungen leben in der Annahme, dass sie erst „frei von Fehlern“ sein möchten, bevor sie mit digitaler Kommunikation starten. Aber nur wer schreibt, kann sich selbst lesen, und erwirbt damit auch die Chance, sich zu verbessern.
Uwe Porwollik, Community Manager, bloggt auf eHealth.Business
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