„Finanzieller Erfolg“ gleich „Gutes Praxismanagement“?
Neben den Erfolgen der medizinischen Patientenbetreuung kommt es für niedergelassene Ärzte auch darauf an, ein dem betrieblichen Bedarf und den eigenen Vorstellungen entsprechendes finanzielles Praxisergebnis zu erzielen. Landläufig gehen Mediziner, denen das gelingt, davon aus, dass ihre Praxisführung ebenso gut und qualitativ hochwertig ist.
Spurensuche mit qualitativem Betriebsvergleich
Eine Exploration ging der Frage nach, ob diese Beziehung tatsächlich zutrifft. Zu diesem Zweck wurden mehrere hundert Praxisanalysen (Methode: Valetudo Check-up©) in Betrieben der Fachgruppe „Allgemeinärzte, Praktiker und Hausärztliche Internisten“, in denen die Praxisinhaber ihr Betriebsergebnis als „sehr gut“ bzw. „gut“ klassifiziert hatten, im Hinblick auf das jeweils umgesetzte Praxismanagement näher untersucht. In die Analyse gingen alle Aktionsbereiche der Praxisführung ein, begonnen bei der Planung über das Patientenmanagement, Organisation, Mitarbeiterführung bis hin zum Finanzmanagement. Mit Hilfe eines Skalierungs-Verfahren wurden die Beschreibungen vergleichbar gemacht. Als Referenz diente dabei die Gegenüberstellung der in den Praxen eingesetzten Instrumente, Regelungen und Verhaltensweisen mit dem Best Practice-Standard (qualitatives Benchmarking), der die für ein reibungslos funktionierendes Praxismanagement notwendigen Maßnahmen umfasst.
„Finanzieller Erfolg“ ungleich „Gutes Praxismanagement“!
Das Resultat der Auswertung: 58,1% der Praxisteams setzen von den Best Practice-Aktivitäten nur 40% bis 60% ein (Optimum: 100%). Dieser Bereich kennzeichnet ein defizitäres Praxismanagement. Das bedeutet, dass über die Hälfte der Mediziner, die mit ihrem Praxisergebnis sehr zufrieden sind, dieses Resultat mit einem zu hohen Arbeitsaufwand erbringen, da auf den Einsatz zentraler Mechanismen des Praxismanagements verzichtet wird. Dieser Sachverhalt wird auch aus den Detailergebnissen der Analysen deutlich: sind die Aktionsbereiche „Planung / Strategie“, „Finanzmanagement“, „Marktforschung“ und „Marketing / CI“ vorbildlich ausgeprägt, hapert es bei der operativen Umsetzung des Praxisalltags vor allem in drei Bereichen, die zu erheblichen täglichen Belastungen der Praxisteams führen:
Defizitbereich „Organisation“
So sind die Patienten dieser Praxen mit der medizinischen Versorgung und menschlichen Betreuung äußerst zufrieden, kritisieren aber deutlich vor allem organisatorische Defizite. Gehäuft finden sich auch Hinweise auf notwendige Verbesserungen bei der telefonischen Erreichbarkeit oder dem Wartekomfort. Diese Defizite führen dazu, dass trotz des Lobes über die Zuwendung von Ärzten und Medizinischen Fachangestellten die Weiterempfehlungsbereitschaft nur unterdurchschnittlich ausgeprägt ist, da man – wie ein Patient schrieb – anderen dieses Chaos nicht zumuten könne. Ursachen hierfür sind vor allem fehlende Best Practice-Techniken wie Pufferzeiten bzw. deren Nutzung für die Behandlung von unterminierten Patienten. Aber auch Bestellsysteme, deren Organisationsprinzip sich an theoretischen Behandlungszeiten statt am tatsächlich anfallenden Bedarf orientieren. Keiner der Ärzte der Untersuchungsgruppe hatten schon einmal eine Organisationsanalyse durchgeführt, niemand sein persönliches Zeitmanagement untersucht.
Zudem sind Bestellsysteme und ärztliches Zeitmanagement nicht aufeinander abgestimmt.
Defizitbereiche „Mitarbeiterführung“
Das generelle Kooperationsklima, sowohl zwischen Personal und Ärzten als auch innerhalb der Belegschaften, wird grundsätzlich als gut bewertet. Dennoch fehlen den Mitarbeiterinnen vor allem Orientierung, Strukturierung und Ordnung.
Diese Probleme resultieren aus der Tatsache, dass kaum regelmäßige gemeinsame Besprechungen durchgeführt werden und ein Mangel an eindeutigen Prioritäten sowie an klare Entscheidungen besteht. Führungsinstrumente wie Zielvereinbarungen oder Mitarbeitergespräche werden so gut wie gar nicht eingesetzt. Ebenso beklagen sich die Mitarbeiterinnen über fehlende Arbeitsziele, unklare Aufgaben- bzw. Kompetenzverteilungen und zu viele Überstunden.
Defizitbereich „Patientenmanagement“
Wird die medizinische Betreuung insgesamt als sehr gut bewertet, bleiben jedoch viele Fragen der Patienten zu Erkrankungen, zum Verhalten im Alltag und vor allem zu Arzneimitteln offen. 2/3 der Patienten ärgern sich zudem über ein ein deutliches Missverhältnis zwischen Warte- und Gesprächszeit mit den Ärzten.
© Klaus-Dieter Thill / IFABS