Die Realität im Blick: Patient Experience-Analysen in Arztpraxen

Patientenbefragungen gewinnen an Bedeutung

Die gezielte Gestaltung der Praxisarbeit im Hinblick auf Zufriedenheit der Patienten gewinnt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Nutzung von Bewertungsportalen und einer gestiegenen Bereitschaft der Patienten zu einem Arztwechsel an Bedeutung.
Eine zentrale Rolle spielen hierbei Patienten-Zufriedenheitsbefragungen. Dennoch werden sie in Arztpraxen noch eher zurückhalten eingesetzt, nur etwa ein Drittel setzt dieses Instrument kontinuierlich ein. Die Analysen sind methodisch meist sehr einfach gehalten, zum einen mit Rücksicht auf die Beanspruchung der Patienten, zum anderen, um den eigenen Bearbeitungs- und Auswertungsaufwand möglichst gering zu halten. Bei der Analyse der Auswertungsergebnisse, die sich i. d. R. auf auf Standardmerkmale wir die generelle Freundlichkeit der Medizinischen Fachangestellten oder die Praxisatmosphäre beziehen, liegt der Beurteilungs-Fokus vor allem auf dem durchschnittlichen Gesamtergebnis und negativen „Ausreißer“-Ergebnissen.
Exploration zum Patient Experience-Ansatz
Ein für Arztpraxen neuer Ansatz ist die differenzierte Betrachtung der Zufriedenheits-Erfahrungen (Patient Experience), die Patienten im Prozessablauf ihrer Kontakte mit Arztpraxen haben (Patient Journey). Die Zufriedenheit wird dabei nach den einzelnen Kontaktpunkten (Touchpoints, z. B. Telefon, Empfang, Warten etc.) und zugehörigen Beurteilungsdimensionen (z. B. für das Telefon: Erreichbarkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Flexibilität etc.)  ermittelt. Um die Bedeutung und Aussagefähigkeit dieses Ansatzes zu bestimmen, wurden im Rahmen einer Exploration in 118 allgemeinärztlich tätigen Praxen parallel Standard- und auf die Kontaktpunkt-Zufriedenheit ausgerichtete Patientenbefragungen durchgeführt. Die Ergebnisse beider Befragungsansätze unterscheiden sich je Praxis und in der Gesamtheit deutlich.


Globalanalysen erfassen die Zufriedenheitsrealität nur unzureichend
So suggerieren die global erfragten Standardparameter durchgängig eine deutlich höhere Zufriedenheit als sich bei der zusammenfassenden Durchschnittsbildung der Kontaktpunkt-Abfragen ergibt. Der Blick in die Details zeigt den Grund: bewerten Patienten beispielsweise die Organisationsqualität in der Generalsicht als akzeptabel, zeigt sich bei der Prozessanalyse, dass durchaus große Zufriedenheits-Diskrepanzen zwischen den organisatorischen Vorkehrungen beim Empfang, in Bezug auf die Termineinhaltung, hinsichtlich der Untersuchungen und des sich anschließenden Prozederes der Rezeptausstellung bestehen. Der Standardansatz nivelliert diese Aspekte und führt dazu, dass Veränderungsnotwendigkeiten gar nicht erkannt werden.


Enger Zusammenhang von Prozess-Zufriedenheit und Weiterempfehlung
Identischen Resultaten der Standardbefragungen ordneten die befragten Patienten z. T. unterschiedliche Grade ihrer Weiterempfehlungsbereitschaft zu. Durch einen Abgleich mit den Kontaktpunkt-Zufriedenheitswerten wurde deutlich, dass die Bereitschaft umso geringer war, je uneinheitlich-widersprüchlicher die Zufriedenheitswerte an den Touchpoints waren, es also während des Aufenthaltes der Patienten zu einem Wechsel aus ausgeprägten Zufriedenheits-Hügeln und Unzufriedenheits-Tälern kam.

© Klaus-Dieter Thill / IFABS

IFABS Thill Patient Experience Design

Der Buch-Tipp:
Zufriedene Patienten durch eine positive Gestaltung der Praxisatmosphäre

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