Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Kaiserschnittrate in Europa. Dabei stehen medizinische Interventionen seit längerem in der Kritik, den natürlichen Geburtsprozess zu stören. Auch ist die Säuglings- und Müttersterblichkeit nicht geringer als in europäischen Ländern mit niedriger Kaiserschnittrate wie Schweden und Finnland (WHO Health for Database). Warum also fällt die Entscheidung für einen Kaiserschnitt so häufig und von wem wird sie getroffen? Welche Erfahrungen haben Mütter in der Betreuung durch Ärzte und Hebammen gemacht? Wie zufrieden waren sie mit der Aufklärung über Ablauf und Folgen des Kaiserschnitts? Um das herauszufinden, hat die Handelskrankenkasse (hkk) Dr. Bernard Braun vom Bremer Institut für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG) und dem Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen sowie Prof. Dr. Petra Kolip von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld mit der Erstellung einer Studie beauftragt, die heute als hkk-Gesundheitsreport veröffentlicht wird. Dafür wurden im Juni dieses Jahres 1.627 Frauen befragt, die bis zu sechs Monate zuvor ein Kind geboren hatten. Der ausführliche Bericht „Schwangerschaft und Geburt: Ergebnisse einer Befragung von Müttern“ steht unter hkk.de/gesundheitsreport zum Download bereit. Über die Hälfte der Kaiserschnitte sind geplant Ein Drittel der befragten Mütter haben ihr Kind per Kaiserschnitt geboren, was sich mit den bundesweit vorliegenden Zahlen deckt. Bei über der Hälfte der Betroffenen fiel die Entscheidung für einen Kaiserschnitt vor Einsetzen der Wehen, mitunter (bei einem guten Drittel) bereits deutlich vor der Geburt. Jede zweite Befragte wurde vor der Geburt ausschließlich durch Ärzte begleitet, nur bei jeder Fünften fand die Betreuung zusätzlich durch eine Hebamme statt. Die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt stieg signifikant um 60 Prozent, wenn die Begleitung während der Schwangerschaft allein oder überwiegend durch einen Arzt erfolgte. Außerdem lag sie um 85 Prozent höher, wenn es sich um Erstgeburten handelte. Dem gegenüber hatten Risikoschwangerschaften und Verlaufsrisiken kaum Einfluss auf die Kaiserschnittrate. Von den befragten hkk-Versicherten bestand bei jeder Fünften eine attestierte Risikoschwangerschaft. Kaum Gespräche mit Ärzten und Hebammen Alarmierend sind für Studienleiter Dr. Bernard Braun die Ergebnisse zur Aufklärung und Information der betroffenen Frauen. Bei geplanten Kaiserschnitten fühlte sich jede neunte Frau nicht über den Ablauf und die Folgen des Eingriffs informiert. „Dieses Informationsdefizit bezieht sich sowohl auf Ärzte als auch auf Hebammen”, bekräftigt Braun und verweist auch auf die Nachsorgebetreuung: Über die Hälfte der befragten Frauen gab an, dass nach der Geburt kein Gespräch mit dem behandelnden Arzt stattgefunden hat. Bei der Betreuung durch Hebammen war der Anteil mit 46 Prozent nur geringfügig niedriger. Dabei gab es zwischen den Entbindungsarten (vaginal-spontan, vaginal-operativ oder Kaiserschnitt) kaum Unterschiede. Dies sei sehr unbefriedigend, da gut 70 Prozent der Mütter angaben, dass es (sehr) hilfreich gewesen wäre, nach der Geburt mit dem behandelnden Arzt oder der Hebamme zu sprechen, um das Erlebte besser verarbeiten zu können. Intensivere Begleitung kann Kaiserschnittrate senken Prof. Dr. Petra Kolip von der Universität Bielefeld mahnt, dass frühere Erkenntnisse zu den Schwachstellen der Geburtsvorsorge offensichtlich nicht zu spürbaren Veränderungen geführt haben: „Dazu bedarf es kontinuierlicher Transparenz, wie durch den hkk-Gesundheitsreport, konkreter Aufklärung und strukturverändernder Modellversuche.“ Lobend verwies die Expertin in diesem Zusammenhang auf den Hebammenkreißsaal in Bremerhaven. Schließlich sei bekannt, dass eine 1:1-Betreuung die Kaiserschnittrate senken kann. Eine kontinuierliche Betreuung durch eine Hebamme und weniger Hektik und Zeitnot wünschten sich auch die befragten hkk-Versicherten. „Es hat uns überrascht, dass nur wenige Frauen vor der Geburt die Begleitung durch eine Hebamme in Anspruch genommen haben – obwohl die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden“, resümiert Dr. Christoph Vauth, Bereichsleiter Versorgungsmanagement der hkk. Um das Vertrauen der Frauen in eine natürliche Geburt zu stärken, sei viel Aufklärungsarbeit nötig. „Werdende Eltern müssen bereits vor der Geburt ausführlich über den Eingriff des Kaiserschnitts und die Risiken aufgeklärt werden.“ Ein erster Schritt ist das Informationsblatt „Natürliche Geburt“, das die Senatorische Behörde in Bremen mit Unterstützung der Handelskrankenkasse werdenden Eltern zur Verfügung stellt. Darüber hinaus übernimmt die hkk einen Großteil der Kosten für die Hebammenrufbereitschaft sowie Geburtsvorbereitungskurse für den mitversicherten Partner. Über den hkk-Gesundheitsreport Im Auftrag der Handelskrankenkasse (hkk) haben Dr. Bernard Braun vom Bremer Institut für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG) und dem Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen sowie Prof. Dr. Petra Kolip von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld eine Untersuchung zum Thema „Schwangerschaft und Geburt: Ergebnisse einer Befragung von Müttern“ durchgeführt. Hierfür wurden 1.627 Frauen befragt, die im Juni 2014 bei der hkk versichert waren und in den sechs Monaten vor der Befragung stationär ein Kind geboren haben. Die Befragung erfolgte mit einem schriftlichen Fragebogen. Der Rücklauf betrug 41,4 Prozent. Pressemitteilung der hkk Erste Gesundheit
The post Zu hohe Kaiserschnittrate aufgrund mangelnder Aufklärung? appeared first on Healthcare Netzwerk | TÜV Rheinland.