Praxisprobleme: Immer nur eine Frage der äußeren Einflüsse?
Die Anlässe für niedergelassene Ärzte zur Klage über ihre Arbeitsbedingungen sind vielfältig, lassen sich aber in der Formel: „Überdurchschnittliche Ressourcen-Belastung bei unterdurchschnittlicher Leistungs-Honorierung“ zusammenfassen. Viele der hierfür angeführten Gründe wie z. B. zunehmende Bürokratisierung oder gesteigerte Patientenansprüche treffen auch durchaus zu. Allerdings sind Ärzte – so belegt das Ergebnis einer Meta-Untersuchung aus Benchmarking-Praxisanalysen bei Allgemeinärzten, Praktikern und hausärztlichen Internisten – zu einem wesentlichen Teil für Art und Umfang der
Belastungen in ihrem Arbeitsumfeld selbst verantwortlich. Der Grund: sie orientieren sich bei der Fehlersuche hauptsächlich an externen Einflüssen und kümmern sich kaum um die Möglichkeiten praxisinterner Veränderungen und Verbesserungen.
Die Negativ-Spirale des Praxismanagements: Defizite erzeugen Defizite
Die Untersuchung zeigt in der Gesamtsicht, dass in den Praxisbetrieben durchschnittlich 32 bislang inaktive Optimierungsansätze der Praxisarbeit vorhanden waren. Würden diese realisiert, wären hierdurch über Produktivitätsvorteile, ablauforganisatorische Synergien und ein verändertes Patientenmanagement Gewinnsteigerungen bis zu 30% möglich. Doch in den wenigsten Praxen wurden Instrumente, mit denen interne Optimierungsressourcen ermittelt und aktiviert werden können, eingesetzt:
– So hatten z. B. erst 12% der Praxisinhaber ihre Praxisorganisation schon einmal auf Verbesserungsmöglichkeiten hin überprüft, gleichzeitig gaben 68% der Mediziner an, dass die Abläufe bei größerer Belastung nicht mehr funktionsfähig seien.
– Nur in 34% der Praxen wurden regelmäßig Praxisbesprechungen durchgeführt, 2/3 der Medizinischen Fachangestellten klagten u. a. auch deshalb über eine unzureichende interne Kommunikation mit negativen Folgen wie Doppelarbeiten, Koordinationsproblemen, Flüchtigkeitsfehler etc.
– Lediglich 17% der Ärzte hatten ihren Betrieb im Hinblick auf Rationalisierungsreserven untersucht, keine Praxis verfügte über ein strukturiertes Einkaufs- und Beschaffungsmanagement.
– Zielvereinbarungen und Führungsgespräche wurden nur in 18% der Betriebe eingesetzt.
– Patientenzufriedenheits-Befragungen fanden in 48% der Praxen statt, eine Nutzung der Ergebnisse aber nur in16%. 8% der Praxisteams hatten schon einmal die einschlägigen Arzt-Bewertungsportale in Bezug auf Beurteilungen ihrer Leistungen überprüft.
– Ein Beschwerdemanagement existierte in keiner Praxis
Indifferenz der Praxisinhaber
Doch woher kommt in Anbetracht der o. a. Möglichkeiten die ausgeprägte Indifferenz der Praxisinhaber? Drei Gründe sind hierfür verantwortlich:
(1) Missachtung der Mitarbeiter-Vorschläge. Da Praxisinhaber ihrem Personal keine Kompetenz in Sachen “Praxis-Optimierung” zusprechen, werden die Mitarbeiterinnen auch gar nicht erst oder nur wenig in den Entwicklungsprozess der Praxis einbezogen, obwohl sie – wie die Analysen zeigten – gut die Hälfte der identifizierten Verbesserungsansätze kannten. Mit Verbesserungsvorschlag-Systemen könnte dieses Wissen nutzbar gemacht werden, aber gerade 5% der Ärzte haben etwas Ähnliches in ihrer Praxis etabliert.
(2) Missachtung der Patientenmeinung. Erhoben – ausgewertet – abgeheftet: auch die Berücksichtigung der Resultate aus Patientenzufriedenheits-Befragungen ist nur sehr gering. Wenn Patienten über zu lange Wartezeiten klagen, die Terminvergabe kritisieren oder sich mehr Informationen im Arztgespräch wünschen, wird dies zwar zu Kenntnis genommen, aber als überzogene Anforderung der Patienten ohne Handlungsrelevanz gewertet (“Patienten haben doch immer etwas, über das sie sich beschweren!”).
(3) Selbstüberschätzung. Die Bereitschaft zu einer selbstkritischen Betrachtung des eigenen Handelns und des Praxisbetriebs ist auf ärztlicher Seite kaum vorhanden. Ursache ist eine Fehleinschätzung der Leistungsqualität des eigenen Praxisbetriebs. Ein Abgleich der tatsächlichen mit der von Ärzten eingeschätzten Patientenzufriedenheit ergab eine Übereinstimmung von lediglich 62%, wobei die Mediziner die Zufriedenheit ihrer Praxisbesucher deutlich überschätzten.
1 Stunde Arbeit für bis zu 30% mehr Gewinn. Knapp eine Stunde würde ein Praxisinhaber benötigen, auf der Grundlage einer eigenen Stärken-Schwächen-Auflistung, der in einer Praxisbesprechung zusammengestellten Vorschläge des Teams und der Patientenanregungen einen Veränderungs- und Optimierungsplan zu erstellen und damit die Basis für zufriedenere Patienten und Mitarbeiterinnen, höhere Produktivität, weniger Stress und insgesamt ein besseres Betriebsergebnis zu legen. Die einzige Voraussetzung: man muss aktiv werden.