„Da musste ich argumentativ richtig kämpfen!“
So beschreibt ein Allgemeinmediziner im Rahmen der Useful Perspectives!-Interviewserie sein Erlebnis mit einem Patienten, der die von ihm eingeleitete Therapie bei einem Folgekontakt grundlegend in Frage stellt. „Das Schlimme dabei war, dass er zum Teil sogar recht hatte und über alles bestens informiert war, sogar selbstbeobachtete Werte hatte er als Tabellen dabei!“ Auf solche Situationen werden sich Ärzte bereits in naher Zukunft deutlich häufiger einstellen müssen: Patienten kommen mit einem tatsächlichen oder vermeintlichen Wissen und damit verbundenen Erwartungshaltungen zum Arzt. Geht der Mediziner hierauf nicht oder nicht intensiv genug ein, haken sie nach und argumentieren. Die Situation wird für den Arzt noch schwieriger, wenn die Praxisbesucher zusätzlich über persönliche Leistungsdaten verfügen, die ihre Annahmen aus ihrer persönlichen Sicht sogar objektivieren.
Ärztlicher Rollenwandel
So kommen Ärzte in eine neue Rolle: sie werden durch den Wechsel der Patienten vom ihrem bisherigen Akzeptanz- in einen neuen Anforderungsmodus gezwungen, als Verhandlungsführer (Negotiators) ihrer Therapie-Konzepte zu agieren, d.h. sie müssen sich mit den Patienten besprechen und vergleichen, um zu einer gemeinsamen Übereinkunft bezüglich der aus ihrer Sicht geeigneten Therapie-Regime zu kommen. Das erfordert auf Seiten der Mediziner völlig neue Fähigkeiten bei der Kommunikation, z. B. müssen sie nun Argumentationstechniken und die Entwicklung von Nutzerdarstellungen beherrschen, aber auch bei der Organisation der Gespräche.
Die individuelle Balance entscheidet
Der Erfolg derartiger Kontakte hängt davon ab, ob es dem Arzt gelingt, eine Balance aus Patienteninteressen-berücksichtigender Kooperation und medizinisch begründeter Fachautorität bei den Gesprächspunkten zu finden, bei denen Patienten das notwendige Wissen fehlt, sie es aber nicht erkennen (wollen). Die Modus-Veränderung der Praxisbesucher wird vielen Ärzte zunächst Probleme bereiten, doch ist jetzt auch schon absehbar: Mediziner, die sich nicht auf diesen Verhaltenswandel einstellen, werden mittelfristig Patienten verlieren.
© Klaus-Dieter Thill / IFABS
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Was Patienten an Arztgesprächen kritisieren