Der Echte Kümmel ist Arzneipflanze des Jahres 2016

Viele lieben ihn, manche mögen ihn gar nicht, den „Echten Kümmel“ oder „Wiesenkümmel“, den fast jeder im Gewürzregal stehen hat. Auf den ersten Blick also eine sehr alltägliche Pflanze, die es aber in sich hat. Deshalb hat sie der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2016 gewählt.

Der Echte Kümmel wurde in Europa bereits in den Siedlungen der Steinzeit genutzt, wie archäologische Funde zeigen konnten. Damit gehört der einheimische Wiesenkümmel zu den ältesten Gewürz- und Arzneipflanzen in Europa.
Die zweijährige Pflanze, die in gemäßigten Zonen Europas und Asiens wild auf Wiesen zu finden ist, gehört zu den Doldenblütlern (Apiaceen). Sie bevorzugt sonnige, aber feuchte Standorte. In Kulturen angebaut wird der Kümmel in Deutschland, den Niederlanden, Polen und Ägypten.

Hoher Nutzfaktor

Medizinisch werden ausschließlich die Früchte der Pflanze verwendet. Sie enthalten 3-7 % ätherisches Öl, davon über 50 % Carvon. Besonders bedeutsam ist das reine Kümmelöl (Carvi aetheroleum). Es wird durch Wasserdampfdestillation aus den getrockneten Früchten gewonnen. Die klare, farblose bis gelbe Flüssigkeit enthält zu rund 60 % den typischen Kümmelstoff Carvon. Diesem werden die Hauptwirkungen des Kümmels zugeschrieben.

Nachgewiesen ist eine krampflösende und antimikrobielle Wirkung. Daneben wirkt Kümmel appetitanregend, fördert die Sekretion des Magensaftes und die Durchblutung von Magen- und Darmschleimhaut, vor allem vertreibt er Blähungen.
Wissenschaftlich anerkannt ist die Anwendung bei Verdauungsbeschwerden wie leichten krampfartigen Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, Blähungen und Völlegefühl. Nach Prof. Schilcher gehört Kümmel zu den stärkeren Karminativa (Mittel gegen Blähungen).

Die Europäische Kooperative für die Therapie mit Arzneipflanzen (Europien Scientific Cooperative on Phytotherapy = ESCOP) hat die Anwendung auch auf blähende Koliken bei Kindern und auf das Roemhild-Syndrom  erweitert. Mit Roemhild-Syndrom werden Brust- und Herzschmerzen mit Beklemmungsgefühlen bis hin zu Panikattacken bezeichnet, die auf größere Gasansammlungen in Magen und Darm zurückgehen. Durch seine krampflösende und blähungstreibende Wirkung kann Kümmelöl auch beim Reizdarmsyndrom eingesetzt werden.

Blähungen entstehen, wenn bei der Verdauung vermehrt Gase im Darm produziert werden. Kommt es zu Schaumbildung, können die Gase nicht entweichen und verursachen Schmerzen und Völlegefühl. Bei Patienten mit Reizdarmsyndrom gehen Blähungen und Völlegefühl häufig mit einer gestörten Darmflora einher. Positive Darmbakterien wie die Bifidobakterien sind vermindert oder beeinträchtigt, krankhafte Darmbakterien nehmen zu.

Viele Anwendungsmöglichkeiten

Kümmelöl wirkt selektiv auf das Wachstum pathogener Keime (z. B. Bakteroides fragilis, Clostridium spp.), ohne dass es zu negativen Effekten auf die erwünschte Darmflora (z. B. Laktobazillen, Bifidobakterien) kommt. Das Öl zeigt zudem ausgeprägte schaumverhütende und damit entblähende Effekte, die vor allem durch eine Senkung der Oberflächenspannung des Magen- bzw. Darmsaftes erreicht werden.
Kümmelöl wird ausschließlich äußerlich auch bei Säuglingen und Kleinkindern gegen Blähungen eingesetzt. Eine 10-prozentige Lösung in Öl (z. B. Olivenöl) wird dazu auf die Bauchhaut aufgetragen und eingerieben oder einmassiert.
Kümmelöl ist auch in Kombinationspräparaten, etwa mit Pfefferminzöl, erhältlich.
Milder aber auch schwächer wirksam ist die Zubereitung der Kümmelfrüchte als Tee. Für die Teezubereitung werden 1-2 Teelöffel Kümmelfrüchte in einem kleinen Mörser kurz angestoßen, damit das in sogenannten Sekreträumen eingeschlossene ätherische Öl austreten kann und nach danach mit einer Tasse heißem Wasser übergossen. Abgedeckt – damit das ätherische Öl nicht entweicht – 10 Minuten ziehen lassen.

Geschichte

Schon der große griechische Arzt Dioskurides aus dem 1. Jahrhundert nach Chr. schreibt in seiner ‚Materia medica‘ (Buch III, Kap. 63, Ausgabe 1610), dass der Kümmel dem Magen gut tut, dem Darm hilft und einen „süßen, lieblichen Atem“ bereitet. Auch Lebensmitteln, die zur Aufbewahrung bzw. Konservierung in Essig eingelegt wurden, hat man Kümmelfrüchte beigegeben, was aufgrund der antimikrobiellen Wirkung sinnvoll erscheint. Es ist allerdings nicht ganz sicher, ob es sich hier um Carum carvi handelt. (Schwarz- oder Kreuzkümmel sind jedenfalls nicht gemeint, sie werden in anderen Kapiteln behandelt).
In der wichtigsten Arzneimittellehre des Mittelalters, dem ‚Circa instans‘ aus der berühmten Medizinschule von Salerno, heißt es: „Das Kümmelpulver, in Speisen gereicht, stärkt die Verdauungskraft und löst Windblähung auf. In Saucen angesetzt, regt es die Esslust an.“
Auch Hildegard von Bingen empfiehlt den Kümmel bei schwerverdaulichen Speisen, wie altem, hartem Käse. Heute ist auch an das Käsefondue und Kohlgerichte zu denken.
Seit der Antike wurden Kümmelfrüchte zudem als Diuretikum und bei Harnwegsinfekten eingesetzt.
Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war Kümmel ein weit verbreitetes Mittel bei mangelhafter Muttermilch (Galaktagogum) in der Volksmedizin, das auch von Ärzten gerne empfohlen wurde.
In der Volksheilkunde wird Kümmel bis heute bei Katarrhen der Atemwege genutzt.

Name und Botanik

Die Herkunft des deutschen Namens Kümmel ist nicht ganz eindeutig. Er kommt entweder von dem lateinischen Wort ‚cuminum‘ oder dem griechischen ‚cyminum‘. Mit diesen beiden antiken Namen wird in der botanischen Nomenklatur der  mit dem Wiesenkümmel verwandte Kreuzkümmel bezeichnet: „Cuminum cyminum“. Der botanische Gattungsname des Kümmels „Caron“ stammt von griechisch ‚karon’, abgeleitet von griechisch ‚kara’ (= Kopf, Dolde) oder von griech. ‚kar’ (= Laus), weil die Früchte einer Laus ähnlich sehen.
Der Echte Kümmel ist eine zweijährige Pflanze. Im ersten Jahr bildet sich nur eine Blattrosette aus, im zweiten Jahr wächst ein bis zu 1 m hoher, verzweigter Spross heraus, an dem die 2- bis 3-fach gefiederten Blätter mit schmalen Fiedern sitzen. Er blüht von Mai bis Juli mit zahlreichen kleinen weißen bis rosa gefärbten Blüten, die in 8- bis 16-strahligen Dolden angeordnet sind. Die im reifen Zustand braunen Früchte sind 3 bis 6 mm lang mit 5 hellen, kantig hervortretenden Rippen. Wie bei allen Doldengewächsen handelt es sich um Doppelfrüchte („Doppelachänen“), die schon vor dem Abfallen leicht in die beiden Teilfrüchte (Achänen) zerfallen.
Auch wenn der Wiesenkümmel (Echter Kümmel) eine einheimische Pflanze ist und auf vielen Wiesen gedeiht, müssen unerfahrene Personen vor dem Sammeln gewarnt werden. Es gibt ganz ähnliche Doldenblütler, die sehr giftig sind, u. a. die Hundspetersilie (Aethus cynapium); der sehr giftige Wiesenschierling ist ebenfalls ein Doldenblütler.

Quelle: Dr. Johannes Gottfried Mayer – Institut für Geschichte der Medizin – Bild: Dr. Heike Will