Die Zukunft der Internet-Psychotherapie wird auf diesem blog ja immer wieder diskutiert, aber der große Durchbruch ließ bislang noch auf sich warten. Das lag zu einem großen Teil daran, dass die Berufsordnung für Ärzte unter §7 „Behandlungsgrundsätze und Verhaltensregeln“ als Satz 4 folgende Regelung trifft:
(4) Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.
Dies wurde bislang strikt so ausgelegt, dass Ärzte keine Psychotherapie per Videokonferenz, also beispielsweise per Skype, leisten durften.
Für Psychologen gibt es keine vergleichbare Regelung in deren Berufsordnung. Aber die Krankenkassen übernehmen die Kosten einer Psychotherapie in aller Regel nur, wenn bei der Behandlung Therapeut und Patient im gleichen Zimmer sitzen.
Es gibt einige zarte Pilotprojekte zu dem Thema, insbesondere Online-Angebote mit psychotherapeutischem Inhalt, die aber häufig eine asynchrone Kommunikation wie den Austausch per Email oder Online-Trainingseinheiten anbieten. Ein Pilotprojekt, in dem ein per Internet übertragenes Video-Gespräch zum Einsatz kommt, war mir in Deutschland bislang nicht bekannt.
Nun ist im Januar 2016 das neue e-Health-Gesetz in Kraft getreten. Dies regelt eine Modernisierung vieler Aspekte der elektronischen Kommunikation im Gesundheitswesen, beispielsweise, was alles auf der neuen Gesundheitskarte gespeichert wird und wie diese Daten gesichert werden. Ein Aspekt des e-Health-Gesetzes regelt aber auch die Telemedizin, und hier explizit auch Video-Sprechstunden. Hierzu heißt es auf der Seite des BMG:
Zur Förderung der Telemedizin wird die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen ab April 2017 und die Online-Videosprechstunde ab Juli 2017 in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen werden. Das wird Patienten die Kontaktaufnahme mit dem Arzt deutlich erleichtern, gerade bei Nachsorge- und Kontrollterminen.
YEAH !!!
Das ermöglicht dann endlich im Prinzip eine zumindest teilweise Durchführung von Psychotherapiegesprächen auch vermittels Video-Sprechstunden. Unnötig darauf hinzuweisen, welchen Vorteil man sich davon versprechen kann, insbesondere für mobilitätseingeschränkte Patienten und Patienten, die in einem psychotherapeutisch unterversorgten Gebiet wohnen und eine lange Anreise zum nächsten freien Psychotherapeuten hätten.
Ein erstes Modellprojekt
Die AOK Nordost hat nun mit 16 Ärzten am Institut für psychogene Erkrankungen in Berlin-Wedding ein mit der Berliner Ärztekammer abgestimmtes Pilotprojekt gestartet, dass die neue Möglichkeit genau so erprobt, wie es mir vernünftig erscheint. Die Patienten kommen zunächst zur genauen Diagnostik und Therapieplanung zum realen Termin in die Praxis. So lernen sich Therapeut und Patient offline kennen und können eine Beziehung zueinander aufbauen. Liegen die erforderlichen Voraussetzungen vor, können dann zukünftige Sitzungen zum Teil auch als Videokonferenz mit einem verschlüsselten Zugang durchgeführt werden. Einen guten Artikel über das Projekt findet ihr hier.
Ich darf mit besonderer Freude berichten, dass mein Freund und Mit-PsychCaster Alexander Kugelstadt einer der beteiligten Projektärzte ist. Ich verspreche, ihn bei der nächsten Folge nach seinen Erfahrungen zu fragen!
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